von den Amerikanern Fisher und Ury im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes an der Harvard-University entwickelte Methode zur Realisierung eines sachbezogenen Verhandlungsstils, der nach den Erkenntnissen des Projektes, aber auch nach den Modellen der Spieltheorie, zu höheren Erfolgen führt als ein kompetitiver oder altruistischer Verhandlungsstil. Fisher und Ury entwickelten dafür vier Regeln:
Die erste Regel besagt, dass Menschen und Probleme getrennt zu behandeln sind. Dies trägt der Erkenntnis Rechnung, dass die beiden wichtigsten Komponenten einer Verhandlung, nämlich der Verhandlungsgegenstand und der Verhandlungsprozeß, über die Emotionen der beteiligten Personen interde- pendent sind. Vor allem die Verhandlungs- gegenstände selbst sind nicht vom Wohl der Verhandlungsführenden in der konkreten Situation zu trennen. In diesem Zusammenhang sind alle Maßnahmen wichtig, die es der Gegenseite erlauben, ihr „Gesicht zu wahren“, in ihren Emotionen und Vorstellungen verstanden zu werden und für jene Fälle, in denen man anderer Meinung ist, die grundsätzliche Akzeptanz der Person zu signalisieren. Die zweite Regel fordert, dass nicht einzelne Positionen bezüglich Art und Ausprägung des Verhandlungsgegenstandes Ausgangspunkt der Lösung sein sollen, sondern die dahinterstehenden Interessen in den Mittelpunkt zu rücken sind. Mit dieser Regel wird auf das Phänomen Bezug genommen, dass es jeder Verhandlungsseite häufig nicht vollständig gelingt, aus ihren jeweiligen grundlegenden Bedürfnissen und Interessen, die der Art und der Ausprägung nach angemessene Zielvorstellung bezüglich der möglichen Verhandlungsgegenstände zu deduzieren. Dies führt häufig zu einer Festlegung auf ganz konkrete Positionen, die einerÜberein- kunft im Wege stehen, obwohl dahinterliegende Bedürfnisse durchaus durch die Wahl anderer Verhandlungsgegenstände und anderer Ausprägungsgrade für diese Verhandlungsgegenstände in Übereinstimmung zu bringen wäre. Da dieses für beide Seiten gilt, ist es umso wichtiger, bei diesem Deduktionsprozeß gemeinsam vorzugehen und die Kreativität beider Seiten zu nutzen. Diedritte Regel zielt darauf ab, vor einer Entscheidung oder einer Festlegung in der Verhandlung verschiedene Wahlmöglichkeiten zu entwickeln. Häufig läßt sich ein vermeintliches Nullsummenspiel in eine Situation verwandeln, in der beide Seiten ihren Nutzen vergrößern können, indem der zur Verfügung stehende Verhandlungsbereich in seiner Art und seinem Umfang entscheidend verändert wird, d. h. neue Verhandlungsgegenstände auf der Grundlage beider Interessenlagen entdeckt werden. Häufig führt es zu einer Nutzenmehrung beider Seiten, wenn man von einer mechanischen 50/50-Aufteilung der Verhandlungsbereiche für die einzelnen Verhandlungsgegenstände absieht und einer variablen Aufteilung entsprechend des tatsächlichen Nutzens der beiden Verhandlungsparteien den V orzug gibt. Damit in Zusammenhang steht auch die vierte Regel, die verlangt, die Diskussion und die Beurteilung von Fakten im Rahmen der einzelnen Verhandlungsschritte auf objektiven Kriterien aufzubauen. Die Beurteilungskriterien dürfen nicht von den Werthaltungen und dem bloßen Willen der beteiligten Seiten abhängen, sondern müssen übergeordneten, neutralen Maßstäben wie z. B. solchen des Marktes, von Experten oder von Rechtsnormen genügen. Dies entspricht v. a. dem Grundsatz, Verhandlungsergebnisse nicht durch einseitige Willensdurchsetzung, auch nicht in der verdeckten Form der Bewertung, zu erzwingen. H.Ba. Literatur. Fisher, R.; Ury, W., Das Harvard-Konzept, 8. Aufl., Frankfurt a. M. 1989.
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