Die Prognosen des Stat. Bundesamtes geben an, dass die Zahl der 60-jährigen und über 60- jährigen von heute knapp 13 Mio. auf 15 Mio. im Jahr 2000 steigt. Die Zahl der unter 30- jährigen wird im gleichen Zeitabschnitt von 24 Mio. auf 18,5 Mio. zurückgehen. Gleichzeitig wird die durchschnittliche Lebenserwartung auf der Basis guter physischer Gesundheit bis in hohe Altersstufen weiter steigen (vgl. Tab.). Diese Entwicklung macht die sog. Senioren zu einer besonders interessanten Zielgruppe bei der Marktsegmentierung. Die Sterblichkeit war 1988 gegenüber 1986 um 3% und gegenüber 1970 um 30% zurückgegangen. Todesursachen waren zu 95 % Krankheiten - also dokumentiert die sinkende Sterblichkeitsrate den guten Gesundheitsstand. Dem korrespondiert auf der psychologischen Seite ein hohes und steigendes Vitalitätsmveau. Neben guten gesundheitlichen Voraussetzungen sind auch die ökonomischen Rahmenbedingungen gut. Vergleicht man die Haushaltsnettoeinkommen 1986 und 1988, so zeigt sich, dass die Senioren vom steigenden Trend der Einkommen nicht ausgenommen sind. Betrug der Anteil der über 60-jährigen, die weniger als
1. 500 EUR Haushaltsnettoeinkommen hatten, 1986 noch 26%, so ging er 1988 auf 19% zurück.
3. 000 EUR und mehr beziehen 1988 schon 26% der über 60-jährigen (Abb.l). Die älteren Gruppen der Bevölkerung werden in den kommenden Jahren durch Renten, private Lebensversicherungen und Zinseinkünften aus Vermögen und aufgrund der Höhe der privaten Geldvermögen und der Tatsache, dass die ältere Generation gleichzeitig eine Erbengeneration ist, erhebliche Zuwächse zu verzeichnen haben. Das frei verfügbare Haushaltseinkommen ist (wegen der kleineren Haushaltsgrößen) in den älteren Jahrgängen am höchsten. Bei den älteren Zielgruppen wird der gesellschaftliche Wandel besonders deutlich. Statt Resignation und Rückzug registrieren die Forscher Zukunftsantizipation, Aktivität und Mobilität. Die Geburtsjahrgänge der 20 er/30 er und frühen 40 er-Jahre sind durch die geschichtliche Situation, was den Aufbau von Lebensorientierungen und Werthaltungenbetrifft,extremgefordertworden-hatten aber auch die einmalige Chance, einer veränderten Welt den eigenen Gestaltungswillen aufzuprägen. Abb. 2 zeigt in knapper Form den Verlauf derprägenden Ereignisse vonder Destruktion aller Werte, mit denen die vorausgegangenen Generationen aufgewachsen waren,überdenWiederaufbaumitseiner Leistungsorientierung und dem Erlernen demokratischer Werteund Verhaltensweisen. Die heute „Älteren“ haben (unbewusst) die Basis für den Bewusstseins- /Wertewandel geschaffen - durch Phasen der Desorientierung, der Ängste und Konflikte hindurch - und sind daher Initiatoren für einen großen Teil der heute gültigen Normen geworden. Ihre Kinder lösten schließlich bereits sinnentleerte, gesellschaftliche Zwänge vollends auf. Von dieser Plattform aus begannen die älteren Menschen eine neue Rolle in der Gesellschaft zu spielen und übernommene Altersklischees abzubauen. Der guten physischen Kondition korrespondiert eine hohe psychische Stabilität. Das Negativklischee der „Alten“ ist fast vollständig revidiert. Ihr Selbstbild stabilisiert sich immer mehr in Richtung „selbstbewusster Individualismus“ (Abb. 3). Die soziale Akzeptanz in der Gesellschaft entwickelt sich entsprechend (Abb. 4). Das Selbstbewusstsein nimmt in der gesamten Bevölkerung zu. Auch die „neuen Alten“ werden kontinuierlich selbstbewusster, ge- selligerundinnovationsfreudiger. Dieses höhere Selbstbewusstsein verbunden mit der Internalisierung neuer Normen und Werte führen zu neuen Konsumverhaltensweisen. Dem allgemein zunehmenden Interessenspektrum korrespondiert das Informationsinteresse. Besonders Konsumthemen erzielen hohe Interessenscores und die Beachtung der Werbungist (mit Ausnahme weniger Produktbereiche) hoch mit steigenderTendenz. Für die Entwicklung der Zielgruppe der „jungen Alten“ ist außerdem die Zunahme der Lebensfreizeit (frühere Pensionierung) wichtig. Freizeit bedeutet i. d. S.: Erlebniszeit und Produktivzeit: Do it yourself in Haus und Garten, Reisen, Photographieren, sportliche Betätigungen, rege Teilnahme am Vereinsleben, soziales Engagement und zunehmender Spaß am Geldanlegen kennzeichnen das aktive Leben der Älteren. Das Spektrum der Konsuminteressen verbreitert sich und bildet eine Basis für Marketingstrategien, die sich nicht mehr nur auf die „klassischen“ Altenmärkte, wie Reformhausprodukte und Geriatrika beziehen, sondern auch auf Kleidung und Mode, dekorative und pflegende Kosmetik, Friseurbesuch, gutes Essen und Trinken, Tiefkühlkost una Fertiggerichte, Spezialitäten und Delikatessen, Pkw und Finanzdienstleistungen, Sport und Spiel, Unterhaltung und Kultur, Bildungs-, Erho- lungs- und Abenteuerrcisen. Bedingt durch eine Erziehung, in der Ordnung, Disziplin und Pflichterfüllung noch eine große Rolle gespielt haben und durch die Erziehung zum Sparen und Planen in Notzeiten, bevorzugen die Alteren Markenprodukte, von denen sie ein Höchstmaß an gesicherter Qualität und einen guten Kundendienst erwarten. Servicebewusstsein und Qualitätsansprüche sind hoch und nehmen zu- entsprechend entwickelt sich die Bereitschaft, Premium-Preise zu zahlen (Abb. 5). Die neuen Generationen der älteren Menschen drehen nicht mehr jeden Pfennig um: sie sehen mehr auf das Preis-Leistungsver- hältnis als auf den Preis an sich. Die hohe und länger anhaltende Vitalität und Aktivität älterer Menschen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die physischen Kräfte abnehmen. Eine Voraussetzung, die älteren Lebensjahre möglichst genußvoll zu verbringen, ist daher ein Konsumgüterange- bot, das in jeder Hinsicht Lebens-/Arbeitserleichterungen bietet. Mit dem wachsenden Individualismus wird die Bereitschaft zum Leben in Altersinstitutionen sinken. Der ältere Mensch wird Möglichkeiten suchen, ein eigenständiges, nicht institutionalisiertes Leben zu führen. Dazu ist er auf Convenien- ce-Produkte und ein Geflecht von Dienstleistungen angewiesen. Da Alter nicht mehr gleich Armut ist (die Kaufkraft eines 60-jäh- rigen ist dreimal so hoch wie die eines 20-jährigen) ist er in der Lage und willens, diese Leistungen auch zu bezahlen. Zu den physischen Veränderungen des Alters gehört v.a. die Veränderung der Sehfähigkeit. Dies sollte weit mehr Folgerungen für die Ladengestaltung, die Packungsgestaltung, die Warenpräsentationen und für Hinweisschilder und Wegeführungen bei Serviceunternehmen anregen. Als Zielgruppe weisen die Alteren keine Homogenität, sondern eine zunehmende Differenzierung auf. Bisher war immer von „den Alten“, „den Senioren“, die Rede. Heute existiert die Homogenität des Segments „ältere Menschen“ nur noch als Vorurteil. Die Gruppe der Alteren läßt sich in ebenso viele Lebensstil-Zielgruppen und Verhaltenstypen aufbrechen wie die Menschen in anderen Altersstufen auch. Alter ist immer weniger ein Segmentationsmerkmal (Marktsegmentierung). Den Seniorenmarkt gibt es daher nicht (mehr). Werbliche Gestaltung, die „Alter“ bzw. „für Ältere“ signalisiert, wird daher vom Empfänger geradezu abgelehnt. Beispiel: Reiseangebote, die sich gezielt an „Senioren“ wenden, werden von diesen weit seltener genutzt, als altersunspezifische Angebote. C. L.
Vorhergehender Fachbegriff: Senioren-Unfallversicherung | Nächster Fachbegriff: Senke
Diesen Artikel der Redaktion als fehlerhaft melden & zur Bearbeitung vormerken
|
|