Auf Wagner (1857) zurückgehende Theorie, nach der ein systematischer Unterschied zwischen den formellen und den tatsächlichen Laufzeiten von Einlagen besteht. So kann festgestellt werden, daß ein gewisser Teil der Einlagen, der sogenannte Bodensatz, unabhängig von der vereinbarten Fälligkeit nicht abgerufen wird. Beispielsweise steht ein hoher Prozentsatz der Spareinlagen den Kreditinstituten über die gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten hinaus zur Verfügung. Da dieser (formell kurzfristige) Bodensatz den Kreditinstituten faktisch jedoch langfristig zur Verfügung steht, können hiermit langfristige Finanzanlagen refinanziert werden, ohne die Liquidität zu gefährden. Diese — im Widerspruch zur Goldenen Bankenregel stehende — Theorie erlaubt somit dem Kreditinstitut eine positive Fristentransformation.
Problematisch ist jedoch, daß weder die absolute noch die relative Höhe des Bodensatzes konstant ist und Kreditinstitute durch Fehlprognosen der Bodensatzhöhen (bei mangelnden Refinanzierungsmöglichkeiten) in Liquiditätsprobleme geraten können.
Die Bodensatztheorie wird auch in den Liquiditätsgrundsätzen II und III berücksichtigt, in denen Teile der formell kurzfristigen Einlagen als mittel- oder sogar langfristig angesehen werden.
Auf A. Wagner zurückgehend (1857). Betrachtet Abhebungen der Einleger von ihren Bankkonten als voneinander unabhängige Zufallsvariablen. Wagner erkannte, dass formelle und materielle Fristen der Bankeinlagen i. d. R. auseinander fallen, d. h. dass die zu einem bestimmten Zeitpunkt (bzw. täglich) fälligen Einlagen erfahrungsgem. nicht alle gleichzeitig von den Gläubigern gekündigt werden (Prolongationsprinzip), und dass Abhebungen z. T. durch Einzahlungen kompensiert werden (Substitutionsprinzip). Dadurch bildet sich insoweit aus kurzfristigen Einlagen ein langfristiger »Bodensatz«, der auch längerfristig Ertrag bringend angelegt werden kann (Fristentransformation), während der »Nichtboden-satz« durch Zahlungsmittelbestände abzudecken ist. Da die Bestimmung der Höhe des Bodensatzes unklar bleibt, handelt es sich offenkundig bei dieser Regel nicht um eine selbstständige, operationale geschäftspolitische Anweisung zur Sicherung der Liquidität. Wagner ist es aber gelungen, die Auffassung O. Hübners von der strengen Liquiditätsvorsorgebedürftigkeit durch eine modifizierte Betrachtungsweise der Wirklichkeit anzunähern. Die Erweiterung der Liquiditätstheorie um Bodensatzüberlegungen hat bis heute gewisse Gültigkeit behalten.
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