Im jugoslawischen Modell der Arbeiterselbstverwaltung als einer laboristischen Verfassung leitet sich das Recht zur Verwaltung und Kontrolle der Unternehmen allein aus der aktiven Mitarbeit im Unternehmen ab. Im Gegensatz zur kapitalistischen Unternehmensverfassung kommt hier dem Kapitaleigentum grundsätzlich keine legitimatorische Kraft zu. Zielvorstellung ist, einen Prozess der Aufhebung der Entfremdung des Menschen einzuleiten und damit einen ersten Schritt zur Beseitigung des Lohnarbeitsverhältnisses und zur Überwindung des Gegensatzes zwischen körperlicher und geistiger Arbeit zu ermöglichen. Die entscheidende Grundlage dafür wird in der Kontrolle der Werktätigen über die Produktionsmittel sowie deren Entscheidungskompetenz über die Verteilung des Mehrwerts gesehen. Seit dem Inkrafttreten der jugoslawischen Verfassung von 1974 ist nicht mehr das Unternehmen die Basisorganisation des Wirtschaftens, sondern die Grundorganisation der Vereinten Arbeit (GOVA). Diese stellt einen organisatorisch und technologisch abgegrenzten Teilbereich des Unternehmens dar, hat eigene Selbstverwaltungsorgane, kann den Status einer juristischen Person besitzen, und es kann für sie eine Gewinn- und Verlustrechnung erstellt werden. Der Zusammenschluss mehrerer GOVAs zu einem Unternehmen kommt somit der bundesdeutschen Konzernverfassung nahe. In seiner formalen Organisation ruht das jugoslawische Unternehmen auf zwei Hierarchien. Die Organe der Arbeiterselbstverwaltung bilden die Legislative und das Management die Exekutive. Dabei stehen die Direktoren (Geschäftsführendes Organ) an der Spitze der Exekutive und sind zugleich unterstes Organ der Legislative. Arbeitskollektiv, Arbeiterrat und Exekutivorgan sind Bestandteile der formalen Organisation der einzelnen GOVAs wie auch über ein Repräsentativsystem als Organe auf der Ebene des Gesamtunternehmens verankert (vgl. Abb.). Das Arbeitskollektiv als Gesamtheit aller Beschäftigten ist Träger der gesamten Selbstverwaltungsrechte und sozusagen die "Hauptversammlung" der einzelnen GOVA bzw. des Unternehmens. Insbesondere hat es den Arbeiterrat zu wählen, zu dessen wesentlichsten Aufgaben das Erstellen von Planungsrichtlinien, die Festlegung der Geschäftspolitik sowie die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Exekutiv- und des geschäftsführenden Organs gehören. Gleichzeitig besitzt der Arbeiterrat neben seiner Kontrollverpflichtung eine Weisungskompetenz gegenüber den Direktoren und dem Exekutivorgan, das die Beschlüsse des Arbeiterrats zu konkretisieren und durchzuführen hat. Die Direktoren sind im Modell des jugoslawischen Unternehmens der "verlängerte Arm" zur Umsetzung des Willens aller Beschäftigten, wobei für die Koordination der einzelnen GOVAs über Selbstverwaltungsabkommen, Unternehmensstatut und interne Vorschriften ein Handlungsrahmen geschaffen wird.
Literatur: Lemän, G., Das jugoslawische Modell, Frankfurt a.M., Köln 1976. Lilge, H.-G., Arbeiterselbstverwaltung - das Beispiel Jugoslawien, Bern, Stuttgart 1978. Soergel, W, Arbeiterselbstverwaltung oder Managersozialismus?, München 1979.
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