Bezeichnung für die scheinbar widersprüchliche Tatsache, dass eine hohe Sparneigung sich in kurzer Frist negativ auf das Volkseinkommen auswirkt, während langfristig durch eine hohe Sparquote die Wachstumschancen verbessert werden. Der Widerspruch löst sich auf, wenn man berücksichtigt, dass Wachstumstheorie und Theorie der effektiven Nachfrage von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen. Die Wachstumstheorie als Gleichgewichtstheorie zeigt, dass das Volkseinkommen durch eine höhere Sparquote langfristig zunimmt. Dem gegenüber kann die Theorie der effektiven Nachfrage als Ungleichgewichtstheorie erklären, weshalb sich eine hohe Sparneigung über den Einkommenseffekt kurzfristig negativ auf die Einkommensentwicklung auswirkt. Wäre auf allen Märkten stets ein temporäres Gleichgewicht realisiert, würde die Anpassung auf dem Gütermarkt über Preise und Zinsen also so rasch erfolgen, dass stets Vollbeschäftigung herrscht, dann könnte eine Erhöhung der Sparneigung das Volkseinkommen nicht beeinflussen.
scheinbar widersinnige und widersprüchliche Aussage zur volkswirtschaftlichen Rolle des Sparens.
1. »Je niedriger die Sparneigung ist, um so mehr wird gespart«: Gleichgewicht erfordert Übereinstimmung der Investitionsund Sparpläne (im Modell einer geschlossenen - Volkswirtschaft). Geht man von einkommensinduzierten - Investitionen und Ersparnissen aus, gelangt man bei konstanten Preisen zu einem um so höheren Gleichgewichtseinkommen, und damit auch zu um so höherer Gleichgewichtsinvestition und -ersparnis, je niedriger ceteris paribus die Sparquote ist. Das gilt sowohl für eine Änderung der marginalen Sparquote (Drehung der Sparfunktion S\'(Y) als auch für eine Änderung der durchschnittlichen Sparquote bei gegebenem Einkommen (Verschiebung der Sparfunktion S"(Y). Vgl. Abb.
2. »Eine Volkswirtschaft ist um so ärmer, je höher die Sparneigung ist«: Schlußfolgerung aus dem oben dargestellten Zusammenhang mit Bezugnahme auf den Einkommenseffekt des Sparverhaltens.
3. »Sparen wirkt kurzfristig kontraktiv, langfristig expansiv«: Als Konsumverzicht wirkt Sparen für sich betrachtet konjunkturdämpfend (und hat möglicherweise auch negative Auswirkung auf Investi- tionshöhe und Investitionsneigung mit entsprechenden Langzeitwirkungen). Unter Wachstumsgesichtspunkten wirkt Sparen stimulierend, weil es Produktivkräfte für die Sachvermögensbildung freihält. Die unterschiedliche Beurteilung des Sparens beruht auf verschiedenen theoretischen Ausgangspunkten: In keynesianischen Modellen der Beschäftigungstheorie wird die dauerhafte Freisetzung von Arbeitskräften durch Sparen aufgrund einer fatalen Datenkonstellation für möglich gehalten (Unterbeschäftigungsgleichgewicht). Modelle des gleichgewichtigen Wachstums, v.a. solche vom Typ des SOLOW-Modells, unterstellen dagegen eine problemlose Nutzung der durch Sparen freigesetzten Produktivkräfte zur Sachkapitalbildung. Literatur: Rittenbruch, K. (1993). Richter, R., Schlieper, U., Friedmann, W. (1981)
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