umfaßt erstens eine Methode der Identifikation der Armen und zweitens ein Armutsmaß, welches das Ausmass der Armut in einer Volkswirtschaft in einem einzigen Indikator zusammenfaßt. Die Identifikation der Armen erfolgt durch die Festlegung einer Armutsschwelle (poverty line) n, die jenes Einkommensniveau (verschiedentlich auch Nutzenniveau) kennzeichnet, unterhalb dessen ein Wirtschaftssubjekt als arm klassifiziert wird. Die Festlegung der Armutsschwelle kann entweder einem absoluten Armutskonzept (z.B. minimale Unterhaltskosten), einem relativen Armutskonzept (definitorische Erklärung der untersten x% der Einkommensempfänger oder aller Einkommensempfänger mit weniger als dem halben Medianeinkommen als arm) oder einem gemischten Armutskonzept folgen. Letzteres wurde besonders von Amartya K. SEN und Peter TOWNSEND propagiert und definiert die Armutsschwelle als jenes Einkommen, welches den Wirtschaftssubjekten die Teilnahme an den üblichen Aktivitäten der Gesellschaft, in der sie leben, erlaubt. Praktisch kann diese Armutsschwelle durch demoskopische Befragungen ermittelt werden.
Historisch begann die Armutsmessung mit ad hoc spezifizierten Armutsmaßen, wie die head-count ratio und die poverty-gap ratio. Die head-count ratio mißt Armut einfach durch den relativen Anteil der Armen an der Bevölkerung. Bezeichne p die Anzahl der Armen und n die Bevölkerungszahl, beträgt die head-count ratio Schon frühzeitig wurde von der amerikanischen Social Security Administration dagegen eingewandt, dass H lediglich das Ausmaß, nicht aber die Intensität der Armut messe. Als Armutsmass wurde zunächst die aggregierte Armutslücke (aggregate poverty gap) als Summe der Differenzen zwischen Armutsschwelle und Einkommen der Armen entwickelt. Mit dem Betrag normiert, der zur Eliminierung der Armut gerade ausreichen würde, erhält man die poverty-gap ratio (y1 bezeichnet die in aufsteigender Reihenfolge geordneten Einkommen, bezeichnet das Durchschnittseinkommen der Armen):
Dieses Mass ist insensitiv bezüglich der Verteilung der Einkommen innerhalb der Annen, solange unverändert bleibt. Ebenso ist es hinsichtlich des Ausmaßes der Armut insensitiv: Gibt es nur ein armes Wirtschaftssubjekt, dessen Einkommen n/2 beträgt, ist I ebenso gross wie für eine Volkswirtschaft, in der drei Viertel der Wirtschaftssubjekte arm sind und deren Durchschnittseinkommen = irI2 ist. SEN leitete mit dem von ihm vorgeschlagenen Armutsmass die wissenschaftliche Armutsmessung ein, die axiomatisch begründet ist (P bezeichnet das Armutsmaß, y den Vektor der Einkommen):
Dieses Mass kann auch in folgender Form ausgedrückt werden:
wobei G den Gini-Koeffizienten der Einkommensverteilung der Armen bezeichnet und H und I durch
(1) und
(2) definiert sind. Die Formel
(3) zeigt, dass das SENsche Armutsmass eine ordinale Gewichtung der Armutslücken dergestalt vornimmt, dass dem »ärmsten« der Armen das höchste Gewicht (p) und dem »reichsten« der Armen das geringste Gewicht gemäss
(1) zukommt. Das SENsche Armutsmass genügt dem Monotonieaxiom (wenn ein Armer mehr Einkommen erhält, sinkt das Armutsmaß) und dem Transferaxiom (wenn ein »reicherer« Armer Einkommen an einen »ärmeren« Armen abgibt, sinkt das Armutsmaß). Probleme der Armutsmessung sind u.a. darin zu sehen, dass die Wirtschaftssubjekte heterogen sind, was entweder unterschiedliche Armutsschwellen oder die Umrechnung der Einkommen nach Äquivalenzskalen erfordert. Ferner kann das Armutsphänomen auch in Kategorien zum Ausdruck kommen, die über das Einkommen hinaus auch noch die Berücksichtigung anderer Dimensionen verlangen. Dies überfordert jedoch die ökonomische Armutsmessung. Literatur: Seidl, Ch. (1988). Foster, J.E. (1984). Sen, A.K. (1976)
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