Die von Kenneth Arrow formulierte Erkenntnis, dass es in der sozialen Realität kein rationales Verfahren zur Aggregierung divergierender Präferenzordnungen gibt, das nicht einzelnen oder einzelnen Gruppen der Gesellschaft Opfer abverlangt, weil es in vielen Fällen mit der Durchschnittsbetrachtung der gesellschaftlichen Verhältnisse nicht getan ist.
Das Arrow-Paradoxon beschäftigt sich mit der Widersprüchlichkeit von Mehrheitsentscheidungen. Kenneth J. Arrow weist nach, daß die Widersprüchlichkeit von Mehrheitsentscheidungen nicht an der Abstimmungsregel liegt. Es sei vielmehr logisch nicht möglich, daß ein Entscheidungsgremium, unabhängig davon, welche Abstimmungsregel es auch anwendet, eine gemeinsame Zielfunktion findet, wenn zwei oder mehr Personen über drei oder mehr Alternativen entscheiden.
Theorem des Nationalökonomen Kenneth J. Arrow, wonach Abstimmungsverfahren nicht jenen Anforderungen genügen, die an eine konsistente Aggregation individueller Präferenzen zu stellen sind. Die von Arrow zum Unmöglichkeitstheorem verallgemeinerte Hypothese geht zurück auf Marie Jean de Condorcet und wird daher auch als Condor- cet- oder Abstimmungs-Paradoxon bezeichnet. Die Schwierigkeit, individuelle Präferenzen mittels Abstimmungen konsistent zu aggregieren, lässt sich am Beispiel einer einfachen Mehrheitsentscheidung einer aus drei Personen bestehenden sozialen Gruppe zwischen den drei Vorschlägen A, B und C demonstrieren: Unter den angenommenen individuellen Präferenzen führt eine Abstimmung mittels binärer Vergleiche nicht zu eindeutigen Ergebnissen, sondern zu "zyklischen Mehrheiten": Bei der Entscheidung zwischen A und B siegt A, bei der zwischen B und C die Alternative B; in der Abstimmung zwischen A und C gewinnt jedoch nicht, wie zu vermuten wäre, der Vorschlag A, sondern C. Eine eindeutige Entscheidung ist somit nicht möglich. Wird der Abstimmungsprozess vorzeitig abgebrochen, scheidet also die in der ersten Abstimmung zwischen zwei Vorschlägen unterlegene Alternative aus, ist das Abstimmungsergebnis von der Reihenfolge der Abstimmung abhängig. Würde zuerst über A und B abgestimmt, scheidet B aus und C gewinnt; beginnt die Abstimmung jedoch mit der Entscheidung zwischen A und C (B und C), wird A (C) eliminiert und B (A) siegt. Willkürliche Abstimmungsergebnisse sind somit nicht ausgeschlossen. Literatur: Frey, B. S., Wohlfahrtsökonomie III: Wahlverfahren, in: HdWW, Bd. 9, Stuttgart u. a. 1982, S. 494ff.
zeigt die Unmöglichkeit der Aggregation individueller - Präferenzen zu einer widerspruchsfreien sozialen Wohlfahrtsfunktion, die genauer präzisierten »Minimalbedingungen kollektiver Rationalität« genügt.
Das Paradoxon läßt sich an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Drei Personen, A, B, C, ordnen die Alternativen x, y, z wie folgt: Daraus ergibt sich eine 2:1-Mehrheit für x gegenüber y, für y gegenüber z und für z gegenüber x. Bei Anwendung des CONDORCET-Kriteriums, das die Alternative am höchsten einstuft, die sich gegenüber allen anderen bei paarweiser Abstimmung durchsetzt, ist das Ergebnis dieses Abstimmungsprozesses widersprüchlich. Kenneth J. ARROW bewies darüber hinaus die Unmöglichkeit einer »vollständigen«, widerspruchsfreien sozialen Wohlfahrtsfunktion auf der Grundlage individueller Präferenzen, wenn man die folgenden Bedingungen voraussetzt: a) Die soziale Wohlfahrtsfunktion muss zumindest drei Alternativen dem Rang nach ordnen können, für die jede denkbare individuelle Rangfolge auch zugelassen sein soll. b) Die soziale Rangordnung (Wohlfahrtsfunktion) hat sich den Änderungen der individuellen Rangfolge anzupassen; sie darf zumindest nicht negativ reagieren. c) Irrelevante Alternativen dürfen die soziale Rangordnung nicht beeinflussen, d.h., wenn eine Alternative hinzukommt bzw. wegfällt, muss die Rangordnung der anderen Alternativen unverändert bleiben. d) Die soziale Rangordnung darf nicht von »außen« aufgezwungen sein, d.h. Vergleichsurteile unabhängig von den (uneingeschränkten) individuellen Rangordnungen fällen. e) Die soziale Rangordnung darf nicht von »innen« (diktatorisch) aufgezwungen sein, d.h., sie darf nicht identisch sein mit der Präferenzordnung eines Individuums. Das ARROW-Paradoxon hat die Vorstellungen von der Unmöglichkeit einer sozialen Wohlfahrtsfunktion und der Entscheidungsunfähigkeit von Demokratien genährt. Dabei wird i.d.R. übersehen, dass es für Mehrheitsentscheidungen in der Führungsspitze von Oligarchien ebenfalls relevant ist. Computer-Simulationen haben gezeigt (Donald T. CAMPBELL, Gordon TULLOCK), dass die Wahrscheinlichkeit widersprüchlicher Rangordnungen auf der Grundlage der ARROWschen Regeln mit der Wählerzahl und insbes. der Zahl der Alternativen zumeist zunimmt und hohe Werte erreicht. Lediglich wenn bestimmte Konstellationen der individuellen Präferenzen vorliegen (»eingipflige« Präferenz-profile), tritt das ARROW-Paradoxon nicht auf, vorausgesetzt, die Wählerzahl ist ungerade (Duncan BLACK, ARROW); bei gerader Wählerzahl wird es umso unwahrscheinlicher, je größer die Wählergruppe ist. Da eingipflige Präferenzprofile in einer Gesellschaft Übereinstimmung über die Rangskala voraussetzen, nach der Alternativen zu ordnen seien, und derartige Übereinkunft nicht generell angenommen werden kann, läßt sich das ARROW-Paradoxon nur durch verminderte Ansprüche an eine soziale Rangordnung (Vollständigkeit bzw. Transitivität) oder durch Modifikation der Bedingungen a bis e vermeiden. Verzicht auf Transitivität würde die soziale Rangordnung von der Abstimmungsfolge abhängig machen (mit den höchsten Gewinnchancen für die zuletzt in die Wahl eingebrachte Alternative) und somit das Abstimmungsergebnis der (zufälligen, manipulierten oder wie immer geregelten) Abstimmungssequenz unterwerfen. Unvollständigkeit der sozialen Rangordnung (Beschränkung auf Ordnung der Alternativen, für die »eingipflige« Präferenzen bestehen, bzw. Modifikation von a) würde insbes. konfliktbeladene Entscheidunesfälle offenlassen. Sieht man von Abstrichen an »citizen\'s sovereignity« oder »non-dictatorship« ab (d bzw. e), womit auch die Frage entfällt, wer bzw. welche Institution die »Lücke« auszufüllen hätte, so bleiben Modifikationen von b und/oder c als Ausweg aus dem ARROWschen Dilemma. Dieser Ausweg ist gangbar, wenn kardinale Nutzenbewertungen (interpersonelle Nutzenvergleiche; -+ Nutzenmessung) eingeführt werden, wie sie z.B. im Rahmen eines Punktwahl-Systems vorstellbar sind. Unabhängig von der Frage, ob die Auswege aus dem von ARROW aufgezeigten Dilemma vollwertige Substitute für seinen Anspruch an eine soziale Wohlfahrtsfunktion darstellen, wird die Relevanz des ARROWschen Ergebnisses für die - Wohlfahrtsökonomik schon deshalb bestritten, weil das ARROW-Konzept auch dann inoperational bliebe, wenn seine Bedingungen sämtlich logisch erfüllbar wären (Edward J. MISHAN). Die Möglichkeit sozialer Wohlfahrtsfunktionen als Grundlage für Empfehlungen und Entscheidungen wird durch die logischen Implikationen des ARROW-Paradoxons keinesfalls negiert (S.K. NATH, Leif JO-HANSEN u.a.). Seine nicht zu leugnende Relevanz für Abstimmungsprozesse braucht jedoch nicht nur Entscheidungsunfähigkeit bzw. Widersprüchlichkeit zu implizieren, sondern kann gerade im Wege zyklischer Mehrheiten eine dauerhafte Mehrheitstyrannei über ein und dieselbe Minderheit verhindern: Ein paradoxes Nebenergebnis des ARROW-Paradoxons. Literatur: Mackscheidt, K. (1973). Arrow, K.J. (1963)
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