Bei kardinaler Messung werden Nutzen und Nutzenunterschiede in Quantitäten gemessen; dagegen wird bei ordinaler Messung lediglich eine Rangordnung des Nutzens vorgenommen. Die ältere Nutzentheorie (Carl Menger, William St. Jevons, Léon Walras) geht von einer kardinalen Messbarkeit aus, d.h. jeder Gütermenge wird ein genaues Nutzenquantum zugeordnet. Aufgrund der Kritik vor allem des englischen Nationalökonomen Francis Y. Edgeworth (1845-1926) und des Italieners Vilfredo Pareto (1848-1923) wurde das Konzept der ordinalen Nutzenmessung entwickelt. Die Rangordnung des Nutzens wird hierbei mit Hilfe von Nutzenindizes angegeben (Nutzenfunktion). Hieraus haben sich zwei Richtungen der Nutzentheorie entwickelt: die introspektive und die behaviori- stische. Den Erklärungsansatz der introspektiven Richtung bildet das Indifferenzprinzip. Die behavioristische Richtung stellt auf das beobachtbare Verhalten der Wirtschaftssubjekte ab (bekundete Präferenzen). Die Nutzenmessung ist Voraussetzung für einen Nutzenvergleich.
Versuch, den von einem Individuum in einer bestimmten Situation subjektiv empfundenen Nutzen (im Sinne von Freude oder Befriedigung) empirisch zu ermitteln und auf einer reellwertigen Skala abzubilden. Das Problem der Nutzenmessung hat somit einen empirischen und einen theoretischen Aspekt. Die Utilitaristen um Jeremy BENTHAM (1748-1832) waren von der objektiven und kardinalen Meßbarkeit des Nutzens überzeugt und empfahlen eine Messung in Geldeinheiten. Der Glaube an die quantitative Meßbarkeit des Nutzens erlaubte es BENTHAM, auch Vorschläge für die gesellschaftliche Bewertung ökonomischer Projekte ganz im Sinne moderner Kosten-Nutzen-Analysen zu machen: Er empfahl, zunächst für jedes Individuum die Differenz aus Freude und Leid, die ihm aus einem solchen Projekt entsteht, zu ermitteln und dann diese individuellen Nettonutzen einfach zu addieren. Ist die Summe positiv, so ist das jeweilige Projekt gesellschaftlich vorteilhaft, ist sie negativ, dann ist das Projekt abzulehnen. Auch die Vertreter der Grenznutzenschule um Carl MENGER (1840-1921), Friedrich von WIESER (1851-1926), William St. JEVONS (1835-1922), Leon WALRAS (1837-1910) und ihre Nachfolger waren von der kardinalen Meßbarkeit des Nutzens überzeugt und postulierten für jedes Individuum die Existenz einer kardinalen Nutzenfunktion. Obwohl eine solche kardinale Nutzenfunktion, zumindest in ihrer theoretisch weiterentwickelten Form, nur bis auf eine positiv-lineare Transformation bestimmt ist, kann sie die Intensität von Nutzenänderungen messen und interpersonell vergleichen, so dass man auch auf der Basis kardinaler individueller Nutzenfunktionen zu eindeutigen Entscheidungen über die gesellschaftliche Vorteilhaftigkeit ökonomischer Projekte kommen kann.
Die ordinale Nutzentheorie postuliert für jedes Individuum die Existenz einer Präferenzordnung, die ihrerseits die direkte Nutzenfunktion des Konsumenten determiniert, allerdings nur bis auf eine stetige, streng monoton zunehmende Transformation. Dadurch sind die Intensitäten von Nutzenänderungen nicht mehr eindeutig bestimmbar, und die interpersonelle Vergleichbarkeit von Nutzenänderungen entfällt. Ordinate Nutzenmessung beschränkt sich darauf, für jedes einzelne Individuum festzustellen, ob sich sein Nutzen beim Wechsel von einer Situation zu einer anderen (z.B. infolge eines ökonomischen Projektes) erhöht oder vermindert hat. Als theoretische Nutzenmaße kommen hierfür neben der direkten Nutzenfunktion natürlich sämtliche Funktionen zur Beschreibung der Präferenzordnung eines Konsumenten, also auch die indirekte Nutzenfunktion, die Ausgabenfunktion und die SHEPHARDsche Distanzfunktion in Frage. Einen Versuch, den von einem Konsumenten realisierten Nutzen in Geldeinheiten zu messen (was bei korrekter Interpretation keine Abweichung vom Prinzip der Ordinalität bedeutet), stellt das Konzept des Nutzeinkommens (money-metric utility) nach Paul A. SAMUELSON und Subramanian SWAMY (1974) dar. Eine solche Nutzeinkommensfunktion mißt den in einer bestimmten Situation realisierten Nutzen durch die Ausgaben, die der betrachtete Konsument bei Gültigkeit eines gegebenen Referenzpreisvektors zur Realisierung des jeweiligen Lebensstandards mindestens tätigen muß. Je nachdem, ob dieser Lebensstandard durch die konsumierten Gütermengen oder durch die jeweils gültigen Preise und Einkommen repräsentiert werden, spricht man von der direkten oder der indirekten Nutzeinkommensfunktion. Auf der empirischen Ebene stellt sich bei der Nutzenmessung das Problem, den Nutzen bzw. die von einem Individuum empfundenen Nutzenänderungen indirekt auf Grund beobachtbarer Tatbestände zu ermitteln, da der Nutzen selbst ja nicht unmittelbar beobachtbar ist. Die Möglichkeit, individuelle Nutzenänderungen durch Befragung der Betroffenen zu ermitteln, hat sich wegen der Gefahr strategisch motivierter Falschaussagen der Befragten als wenig vorteilhaft erwiesen. Der klassische Nationalökonom Jean-Baptiste SAY (1767-1832) vertrat die Meinung, der (in Geldeinheiten ausgedrückte) Nutzen pro Einheit eines Gutes sei gleich dem Güterpreis, so dass der vom Konsum eines Gutes ausgehende Gesamtnutzen gleich dem Produkt aus dem Preis des Gutes und der von dem Individuum konsumierten Menge ist. Der französische Ingenieur und Ökonom Jules DUPUIT (1804-1866) glaubte hingegen, dass nicht alle Einheiten eines Gutes denselben Nutzen stiften, sondern dass die erste konsumierte Einheit mehr Nutzen stiftet als die zweite, die zweite mehr als die dritte usw., bis schließlich der von der letzten gekauften Einheit erzeugte Nutzen (in Geldeinheiten ausgedrückt) gerade gleich dem gezahlten Preis pro Einheit des betreffenden Gutes ist. Diese mit dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens korrespondierende Theorie führte DUPUIT dazu, die Nachfragefunktion eines Konsumenten als seine (fallende) Grenznutzenfunktion zu identifizieren. Als unmittelbare Folgerung aus DUPUITs Überlegung ergab sich, dass der Konsument aus dem Konsum aller intramarginalen Gütereinheiten einen Nutzen zieht, der höher ist als der von ihm gezahlte Preis, so dass ihm diese Gütereinheiten einen Nutzenüberschuss erzeugen. Der dem Konsumenten aus dem Konsum eines Gutes entstehende Gesamtnutzen ist gleich der Fläche unterhalb der Grenznutzenfunktion zwischen dem Ursprung und der aktuell konsumierten Gütermenge, während der in Form der entsprechenden Güterausgaben entstehende Nutzenverlust gleich dem Produkt aus dem (für alle konsumierten Gütereinheiten gleichen) Kaufpreis und der konsumierten Menge ist. Der sich als Differenz dieser beiden Flächen ergebende Nutzenüberschuss wird häufig als DUPUITsche - Konsumentenrente bezeichnet. Ändert sich infolge einer Steuererhebung oder ähnlichem der Preis eines Gutes, so kann die daraus resultierende Nutzenänderung durch die Änderung dieser DUPUITschen Konsumentenrente gemessen werden. Das Konzept des DUPUITschen Nutzenmaßes wurde später von Alfred MARSHALL (1842-1924) aufgegriffen, der erkannte, dass dieses Mass in seiner ursprünglichen Version nur unter sehr speziellen Annahmen und für den Fall isolierter Preisänderungen gültig ist. MARSHALL verallgemeinerte das Konzept der Nachfragefunktion und erweiterte die Gültigkeit des Konsumentenrenten-Maßes auf den Fall multipler Preisänderungen. Dieses als MARSHALL-Mass oder MARSHALLsche Konsumentenrente (consumer\'s surplus) in die Literatur eingegangene Nutzenmass läßt sich für den Fall einer Änderung des für den betrachteten Konsumenten relevanten Preisvektors von p° auf pk als Integral über die sog. MARSHALLschen Nachfragefunktionen zwischen neuen und alten Preisen darstellen. Unter der Voraussetzung, dass der Grenznutzen des Einkommens in bezug auf Preisänderungen konstant ist und dass das Pauscheinkommen I des betrachteten Konsumenten sich nicht ändert (oder durch entsprechende Normierung der Preise als konstant in die Berechnung des MARSHALL-Maßes eingeht), ist dieses Integral gleich der durch diese Preisänderungen verursachten Nutzenänderung. Bezeichnet man die indirekte Nutzenfunktion des betrachteten Konsumenten mit v(p,I) und den Vektor seiner MARSHALL-Nachfragefunktionen mit x(p,I), so kann das MARSHALL-Mass MA°k für die Änderung des Preisvektors von p° zu pk unter den genannten Voraussetzungen durch dargestellt werden. Die Pfadunabhängigkeit dieses Integrals und damit die Eindeutigkeit des MARSHALL-Maßes ist allerdings nur für den Fall gewährleistet, dass der betrachtete Konsument eine homothetische Präferenzordnung besitzt (Homothetie). Eine leicht veränderte Version des MARSHALL-Maßes ist für den Fall einer quasilinearen Präferenzordnung gültig. Obwohl das MARSHALL-Mass somit nur in diesen ökonomisch eher unplausiblen Sonderfällen theoretisch einwandfrei anwendbar ist, besitzt es im Rahmen der praktischen Nutzenmessung bis heute ein hohes Mass an Popularität. Auch die von John R. HICKS (1904-1991) in die Literatur eingeführten Maße für Nutzenänderungen, die sog. äquivalente Variation (equivalent variation) und die kompensierende Einkommensvariation (compensating variation), lassen sich auf der Basis der empirisch beobachtbaren MARSHALL-Nachfragefunktionen berechnen, wie z.B. Yrjö O. VARTIA (1983) zeigte. Die äquivalente Variation mißt dem einen Konsumenten infolge einer Preiserhöhung entstehenden Nutzenverlust durch den Pauschbetrag, den der Konsument maximal zu zahlen bereit wäre, um diese Preiserhöhung zu verhindern. Die HICKSsche kompensierende Variation mißt den durch eine solche Preiserhöhung verursachten Nutzenverlust durch den Geldbetrag, den man dem Konsumenten nach erfolgter Preiserhöhung mindestens geben müßte, damit er sich nicht schlechter fühlt als vor der Preiserhöhung. Die Gültigkeit beider HICKS-Maße ist unabhängig von der konkreten Form der Präferenzordnung, so dass sie wegen ihrer größeren Allgemeinheit dem MARSHALL-Ma l3 vorzuziehen sind. Literatur: Ahlheim, M., Rose, M. (1989). Johansson, P.-0. (1987). McKenzie, G.W. (1983)
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