Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit in der Bilanz. Hervorgehend aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung und Bewertung sollen die Wertansätze in dem Jahresabschluss richtig und vollständig sein. Eine absolute Wahrheit kann es aber nicht geben, da handels- und steuerrechtliche Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte dem entgegenstehen, sodass von einer relativen Wahrheit auszugehen ist. Wahr oder unwahr ist ein Bilanzansatz deshalb nur unter Beachtung der Zwecksetzung der jeweiligen Bilanz.
Siehe auch: Grundsatz der Bilanzwahrheit
Bilanzwahrheit ist einerseits ein moralisches Postulat (der Bilanzierende und sein Abschlußprüfer sollen darauf achten, daß der Jahresabschluß einen offenen und nicht irreführenden Einblick in die Vermögens und Ertragslage gibt), andererseits die Forderung nach Richtigkeit< des Jahresabschlusses gemäß den entsprechenden Gesetzen und den » Grund sätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB), zu denen der Grund satz der Wahrheit bzw. Richtigkeit gehört. Der Grund satz der Richtigkeit als Übereinstimmung von Aussage und Realität in Hinblick auf die bei der Abbildung realer Sachverhalte geltenden Normen, bedeutet für die Buchführung, daß sie auf richtigen Grund aufzeichnungen aufgebaut ist. Für den Jahresabschluß impliziert das Postulat, daß er (1) aus richtigen Aufzeichnungen abgeleitet ist, (2) die einzelnen Posten den zugrund e hegenden wirtschaftlichen Tatbeständen entsprechend bezeichnet sind, (3) die Wertansätze nach den übrigen GoB ermittelt sind, (4) alle Geschäftsvorfälle vollständig aufgeführt werden und (5) die Zusammenstellung aller Posten zu einem richtigen Ausweis des Jahreserfolges i. S. der GoB führt. Einen konkreten Inhalt erhält der Grund satz der R. allerdings erst durch die zum Normensystem von Buchführung und Abschluß gehörenden Einzelnormen. Neben die »sachbezogene« Richtigkeit ist das »personenbezogene« Postulat der Willkürfreiheit, als Übereinstimmung von Aussage und innerer Überzeugung des Aussagenden, zu setzen. Bei der Bewertung bestimmter Bilanzgegenstände müssen Überlegungen bezüglich zukünftiger wirtschaftlicher Sachverhalte angestellt werden, wobei die Ungewißheit zukünftiger Ereignisse mit Hilfe von Wahrscheinlichkeiten quantifiziert wird. Diese Wahrscheinlichkeiten beruhen häufig auf der persönlichen Erfahrung des Bilanzierenden, so daß auch der Wertansatz in der Bilanz nicht unerheblich von subjektiven Urteilen des Abschlußerstellers über die Zukunft abhängt. Willkürfreiheit ist ein » Grund satz ordnungsmäßiger Buchführung. Sie impliziert, daß der AbschlußersteUer nur solche Wertansätze wählt, die aus realitätsnahen und von ihm für zutreffend gehaltenen Hypothesen abgeleitet sind, so daß er die Wertansätze als eine korrekte Aussage über die zugrund e liegenden Sachverhalte ansieht. In den Fällen, in denen das Gesetz dem Bilanzierenden Bewertungsspielräume gewährt, bedeutet W. . von alternativen Bilanzierungsweisen diejenige zu wählen, die die Realität bestmöglich wiedergibt.
Grundsatz ordnungsmässiger Buchführung, der auf die materielle (inhaltliche) Ordnungsmässigkeit eines Jahresabschlusses abzielt und sich sowohl auf den Bilanzansatz (Bilanzierung dem Grunde nach) als auch auf die Bewertung (Bilanzierung der Höhe nach) von einzelnen Abschlusspositionen bezieht. Zum Wahrheitsgrundsatz gehört darüber hinaus die Forderung nach Vollständigkeit, die besagt, dass grundsätzlich alle Vermögens- und Schuldposten sowie sämtliche Erträge und Aufwendungen zu erfassen sind (Vollständigkeitsgrundsatz, § 246 Abs. 1 HGB). Ferner verbietet das Vollständigkeitsprinzip die Aufnahme fiktiver Posten und orientiert die Bilanzierungspflicht primär an der wirtschaftlichen Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes und weniger an dessen rechtlichem Eigentum. Hinsichtlich der Bewertung von Bilanzpositionen lässt sich allerdings keine objektive Wahrheit im Sinne absoluter Richtigkeit erreichen, da eindeutige Bewertungsmassstäbe fehlen. Erreichbar ist vielmehr nur eine subjektive Wahrheit im Rahmen zulässiger Bewertungsspielräume (Wahrhaftigkeit, Zweckmässigkeit, Willkürfreiheit). Bei bewusster Missachtung des Wahrheitsgrundsatzes liegt Bilanzfälschung vor (Bilanzdelikt); sie ist strafbar (§331 HGB) und führt zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses (§256 Abs. 1 und 5 AktG).
Durch die Einhaltung der gesetzlichen Bewertungsvorschriften in den §§ 240,241,252-256 HGB sowie § 6 EStG und für Kapitalgesellschaften in den §§ 279-283 HGB wird dem Grundsatz der Bilanzwahrheit Rechnung getragen.
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