(Handelsdefizit, trade gap) Differenz zwischen Importen und Exporten eines Landes, d.h. Ausdruck für ein Defizit der Handelsbilanz. Das Konzept der Handelslücke spielt eine Rolle in der entwicklungspolitischen Diskussion. In der offenen Volkswirtschaft müssen ex post jeweils die Differenzen aus inländischer Investition (I) und inländischer Ersparnis (S) (auch als Sparlücke bezeichnet) sowie aus Importen (M) und Exporten (X) übereinstimmen; es gilt also "Sparlücke" gleich "Handelslücke": In einer Volkswirtschaft kann die heimische Investition folglich die heimische Ersparnis nur insoweit übersteigen, als die Handelsbilanz ein Defizit aufweist. Da die Zahlungsbilanz als Ganzes immer ausgeglichen ist, müssen Handelsbilanzsaldo und Kapitalbil- anzsaldo (mit umgekehrten Vorzeichen) übereinstimmen - von unentgeltlichen Leistungen (Übertragungen) ist dabei zur Vereinfachung abgesehen. Der Saldo der Kapitalbilanz wird ermittelt als Differenz zwischen Kapitalexporten (KE) und -importen (KM): Zusammen mit der ersten Gleichung ergibt sich: Sparlücke und Handelslücke sind ex post also immer gleich hoch und stimmen mit dem jeweiligen Saldo der Kapitalbilanz, dem Netto-Kapitalimport, überein. Aus diesen tautologischen Zusammenhängen heraus wurde nunmehr die Überlegung abgeleitet, Entwicklungsländer könnten die heimische Investition durch Nettokapitalimporte über die unzureichende heimische Ersparnis hinaus steigern und das Wachstum dadurch beschleunigen. Soweit die Sparlücke durch unentgeltliche Leistungen des Auslandes geschlossen wird, entfällt im übrigen die bei der Nettokapitaleinfuhr notwendige Zins- und Tilgungsleistung. Gegen dieses Konzept zur Begründung der Entwicklungshilfe wurde eine ganze Reihe von Einwänden vorgebracht. In erster Linie wurde darauf verwiesen, dass ein Land durch Inflation die heimische (freiwillige) Ersparnisbildung drastisch beeinträchtigen und damit einen "Entwicklungshilfebedarf" quasi künstlich erzeugen kann. Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn der Zusammenhang zwischen Handels- und Sparlücke von den entsprechenden Institutionen als eine Art Automatik für Entwicklungshilfeleistungen angesehen wird. Entwicklungsländer, die sich um eine Förderung der heimischen Ersparnis und eine Politik der Geldwertstabilität bemühen, würden dabei diskriminiert. Im Sinne einer entwicklungspolitischen Doktrin würde dieses Konzept damit falsche Signale für die Wirtschaftspolitik in den Entwicklungsländern setzen. Literatur: Hemmer, H.-R., Wirtschaftsprobleme der Entwicklungsländer, 2. Aufl., München 1988.
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