Im weitesten Sinne und im Rahmen der Verbrauchersozialisation ist sozialer Einfluß Verhalten von Personen und Institutionen (Sozialisatoren), das auf Kenntnisse, Einstellungen und W erte von V erbrauchern derart einwirkt, dass deren Informations-, Kauf- und Spar-, Ge- und Verbrauchs- sowie Entsorgungsverhalten anders verläuft, als es ohne Einflußnahme der Fall gewesen wäre. Sozialer Einfluß ist ein alltägliches Phänomen, dessen Bandbreite sich, wie in Abb. 1 dargestellt, verdeutlichen läßt Die einzelnen Arten der Einflußnahme haben folgende Bedeutung: „Direkter Einfluß“ ist auf den (erkannten) Einsatz von Machtmitteln (soziale Macht) zurückzuführen. -Von „Manipulation“ ist zu sprechen, wenn Verhaltensänderungen aufgrund eines vom Beeinflußten nicht erkannten Einsatzes von Machtmitteln stattfinden. Unter „Antizipation“ kann eine Verhaltensänderung verstanden werden, die aufgrund eines noch nicht erfolgten, jedoch erwarteten Machtmitteleinsatzes erfolgt. Antizipative Verhaltensanpassungen werden aber auch freiwillig vorgenommen, wenn z.B. soziale Aufsteiger erwarten, bald einer anderen sozialen Gruppe oder sozialen Schicht anzugehören und deren spezifische Verhaltensweisen vorwegnehmen. Sind Anpassungsbereitschaft und Harmoniebedürfnis hoch ausgeprägt, kann der einzelne sich den Verhaltensweisen seiner sozialenUmgebung-v.a. auf grund häufiger Interaktion - weitgehend angleichen, so dass „Assimilation“ entsteht. Sozialer Einfluß beruht auf sozialer Macht, d.h. der Fähigkeit einer Person, Personengruppe oder Organisation andere Personen zu einem Verhalten zu bewegen, das von diesen ursprünglich nicht beabsichtigt war, jedoch im Interesse der Machtausübenden ist. Es lassen sich verschiedene Machtmittel unterscheiden: Belohnungs- und Bestrafungsmacht, Expertenmacht (Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten), Kommunikationsmacht (durch Sprache, Mimik, Gesten und einzusetzende Medien) sowie Identifikationsmacht sozialer Vorbilder. Um wirken zu können, muss der „Mächtige“ die Machtmittel nicht notwendig besitzen, es genügt, dass der Machtunterworfene sie in seinem Besitze wähnt. Die wirtschaftlichste Form der Machtausübung ist nicht der tatsächliche, kostenverursachende Einsatz von Machtmitteln, sondern die bereits wirksame Androhung des Einsatzes. Treten bei kollektiven Entscheidungen, insb. in der Familie, soziale Konflikte auf, so werden diese unter Erwachsenen v.a. durch Einsatz von Experten- und Kommunikationsmacht gelöst, zwischen Erwachsenen und Kindern durch Identifikationsmacht. In Industriegesellschaften sinkt die Macht des Mannes in der Familie, wenn die Frau erwerbstätig ist, da ihre Belohnungsmacht durch Einkommen, aber auch ihre Experten- und Kommunikationsmacht durch Berufsausübung und soziale Kontakte gesteigert werden. Verbrauchersozialisation als spezifische Ausprägung sozialer Einflüsse verschiedener Sozialisatoren auf Verbraucher bewirkt, dass insb, Kinder und Jugendliche den Verhaltenserwartungen der Sozialisatoren entsprechen und zu wirkungsvollem Informations-, Kauf- und Spar-, Ge- und Verbrauchs sowie Entsorgungsverhalten befähigt werden. Verbrauchersozialisation vollzieht sich überwiegend im Rahmen informeller alltäglicher sozialer Einflüsse, seltener in formalisierter Form als Verbrauchererziehung. Die Sozialisationsforschung untersucht Lernprozesse, aus denen sich Lerneffekte mit langfristig wirkender Verhaltenssteuerung ergeben, so dass z. B.allgemeineEinstellungen zum Kaufen oder Sparen und nicht Einstellungen zu einzelnen Marken oder Sparformen im Vordergrundstehen. Um das Zustandekommen von Lerneffekten (abhängige Variable) erklären zu können, werden Merkmale der Sozialisatoren, Art der Interaktion und Interaktionssituation, Merkmale des Lernenden (Sozialisand) und Art der Lernprozesse als erklärende, unabhängige Variablen herangezogen (Abb. 2). Interaktionssituationen, in denen der Lernende direkte Erfahrungen mit Produkten sammeln kann, sind wirkungsvoller als solche, in denen nur symbolische Kommunikation, d.h. Vermittlung von Informationen durch Sprache, realitätsnahe Abbildungen oder abstrakte Sinnbilder (Wappen, Pikto- gramme, Marken etc.), stattfindet. Ebenso ist personale Kommunikation effektvoller als mediale. Der Eintritt von Lerneffekten wird auch gestärkt, wenn Sozialisanden freiwillig lernen und den Inhalt des Lernstoffes selbst bestimmen - belehrende Verbrauchererziehung in Schule und Familie ist daher am wenigsten wirksam. Das Einflußpotential der Sozialisatoren ist abhängig vom Ausmaß ihrer sozialen Macht. Wirkungsvollster Lernprozeß ist das Beobachtungslernen. Kognitive Lerntheorien erklären, dass Heranwachsende mit zunehmendem Alter differenzierter und genauer lernen, das Erlernte besser zu konsistenten Urteilen verarbeiten, ihre Aufmerksamkeit von direkt wahrnehmbaren Merkmalen (Farbe, Form) abwenden und abgeleiteten Merkmalen (Funktion, Kosten) zuwenden. Die Zuschreibung und Übernahme sozialer Rollen macht u.a. geschlechtsspezifische Unterschiede im Erlernten und damit im Verb raucherverhalten verständlich. Lerneffekte, die auf den Einfluß von Fernsehen und manchen Jugendzeitschriften zurückgeführt werden, sind Anlaß zu verbraucherpolitischer Kritik (Konsumerismus). Die symbolische Kommunikation der Medien: präsentiert sehr intensiv mächtige und vermögende Personender Oberschicht sowie erfolgreiche Aufsteiger der Mittelschicht als wirksame Vorbilder des Konsums, betont das auf unmittelbaren individuellen Lustgewinn (Hedonismus) ausgerichtete Verhalten und stellt den Besitz von Gütern als Wert an sich dar (Materialismus), hebt den demonstrativen Konsum als Kennzeichen des sozialen Status hervor, fördert soziale Konflikte, wenn Eltern die Konsumwünsche ihrer Kinder nicht erfüllen können und vernachlässigt die externen Effekte, insb. die ökologischen Wirkungen von Herstellung, Verbrauch und Entsorgung der Konsumgüter. Aus ethisch-normativer Sicht ist sozialer Einfluß v. a. bei asymmetrischer Machtverteilung und verdecktem, nicht erkennbaren Machtmitteleinsatz als problematisch anzusehen. So besitzen Eltern ungleich höhere Machtmittel als ihre Kinder, Werbungtreibende höhere als einzelne Verbraucher. Mindesterfordernis ist daher, dass Werbung als solche klar erkennbar vom redaktionellen Umfeld abgesetzt ist und im weiteren Sinne keine irreführende Aussagen enthält.
Literatur: Kroeber-Riel, W., Konsumentenverhalten, 5. Aufl., München 1992. Kuhlmann, E., Ver- braucherpolitik,München 1990.Roth, R., Die Sozialisation des Konsumenten, Frankfurt/M. 1983.
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