Roy Harrods "An Essay in Dynamic Theory" (1939) bildet neben Evsey Domars "Capital Expansion, Rate of Growth, and Employ- ment" (1946) den Ausgangspunkt der keyne- sianischen Wachstumstheorie. In seinem Wachstumsmodell untersucht Harrod die Bedingungen für die Existenz und die Stabilität des Wachstumsgleichgewichts unter der Annahme, der Konsum jeder Periode sei proportional zum Volkseinkommen der Vorperiode, und die Investition sei proportional zur Veränderung des Volkseinkommens gegenüber der Vorperiode. Eine Erhöhung des Volkseinkommens löst eine positive, eine Senkung des Volkseinkommens eine negative Nettoinvestition aus (Akzelerationsprinzip). Das Wachstumsgleichgewicht impliziert, dass die faktische Wachstumsrate des Volkseinkommens mit jener übereinstimmt, die die Vollbeschäftigung des wachsenden Kapitalstocks gewährleistet und derart die Unternehmungen veranlasst, die Nettoinvestition und damit den Kapitalstock mit eben dieser Rate wachsen zu lassen. Die Vollbeschäftigung der Arbeitskräfte ist damit nicht gesichert. Unter den Annahmen des Harrod-Modells wäre es Zufall, wenn die faktische Wachstumsrate des Volkseinkommens die Vollbeschäftigung nicht nur des Produktionsfaktors Kapital, sondern auch des Produktionsfaktors Arbeit im Wachstums- prozess erhalten würde. Aber auch dann, wenn eine Gleichgewichtskonstellation existiert, handelt es sich bei dem im Harrod-Mo- dell beschriebenen System um "Wachstum auf Messers Schneide". Eine zufällige Abweichung der faktischen von den Gleichgewichtswerten löst Konsum- und Investitionsreaktionen aus, die vom Gleichgewichtspfad weg- und nicht zu ihm hinführen. Das beschriebene System ist instabil. Das Harrod-Modell drückt derart den für die keynesianische Wachstumstheorie charakteristischen Stabilitätspessimismus aus. Literatur: Rose, K., Grundlagen der Wachstumstheorie, 6. Aufl., Göttingen 1991.
von Roy F. HARROD (1939) entwickeltes Wachstumsmodell, das die kurzfristige Keynesianische Theorie erweitert, um langfristige Fragen analysieren zu können. HARROD hat seine Überlegungen in mehreren Arbeiten entwickelt, die einen gewissen Interpretationsspielraum lassen. Formalisiert läßt sich das Modell wie folgt darstellen: I=S gibt die Bedingung für kurzfristiges - Gleichgewicht einer geschlossenen Volkswirtschaft wieder, das bei Übereinstimmung von geplanten Investitionen (I) und geplanter Ersparnis (S) realisiert wird. S = sY beschreibt die keynesianische Sparfunktion, nach der die Ersparnis gemäss der Sparquote (s) vom Einkommen (Y) abhängt.
zeigt das Akzelerationsprinzip von HARROD: Die (Netto-)Investitionen stellen ein gewünschtes Mehrfaches (Akzelerator v) der Veränderung des Einkommens impliziert die Annahme, dass das Arbeitsvolumen mit der konstanten Rate n wächst. Durch Einsetzen ergibt sich
Die Variable g bezeichnet die befriedigende Wachstumsrate (warranted rate of growth). Nur wenn die tatsächliche Wachstumsrate (w) mit dieser Rate übereinstimmt, ist neben dem Kreislaufgleichgewicht auch die Auslastung des Kapitalstocks garantiert. Die Höhe der befriedigenden Wachstumsrate wird durch das Verhältnis von Sparquote und Akzelerator festgelegt. Unabhängig von der befriedigenden Wachstumsrate wird die Entwicklung des potentiellen Arbeitsvolumens durch die exogen gegebene natürliche Wachstumsrate (n) fixiert. Sie ergibt sich aus Arbeitskräftewachstum und technischem Fortschritt und stellt unter der Annahme einer konstanten - Arbeitsproduktivität die auf Dauer maximal realisierbare Wachstumsrate dar, determiniert also die Obergrenze der Wachstumsmöglichkeiten. Der Umstand, dass natürliche und befriedigende Wachstumsraten im HARROD-Modell unabhängig voneinander festgelegt werden, führt zur langfristigen Instabilität dieses Modells. Liegt nämlich bei Gleichgewichtswachstum (w=g) die befriedigende Wachstumsrate unter der natürlichen (g < n), bleibt zwar der Kapitalstock auf Dauer ausgelastet, die Unterbeschäftigung des Faktors Arbeit nimmt jedoch immer weiter zu. Es kommt zu langfristiger (säkularer) Arbeitslosigkeit, die ohne staatliches Eingreifen nicht abgebaut wird. Das HARROD-Modell ist aber auch bezüglich der kurzfristigen Stabilität pessimistisch: Sinkt die tatsächliche Wachstumsrate aufgrund irgendeiner Störung unter die befriedigende Wachstumsrate ab (w < g), so entstehen Überkapazitäten, weil die Nachfrage weniger wächst als der Kapitalstock und das Produktionspotential. Der Einkommensrückgang führt entsprechend der Akzeleratorhypothese zu einer Verminderung der Investitionen, was über den - Multiplikator den Rückgang des Einkommens noch weiter verstärkt usw. Es kommt zu einem kumulativen Kontraktionsprozeß. Umgekehrt führt eine Konstellation w > g zu einem sich immer weiter aufschaukelnden Boom. Wegen der beschriebenen Instabilität wird von »Wachstum auf des Messers Schneide« gesprochen (knife-edge-Problem). Literatur: Rose, K. (1995)
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