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Keynesianische Theorie

aus der Interpretation der von John M. KEYNES (1883-1946) entwickelten Überlegungen hervorgegangenes Gedankengebäude, das zur Grundlage der modernen Makroökonomik geworden ist. Im Gegensatz zur - Neoklassischen und Neo-neoklassischen Theorie ist die Keynesianische Theorie eine makroökonomisch orientierte Totalanalyse. Außer auf KEYNESschen Gedanken beruht die Keynesianische Theorie auch auf Überlegungen von Ökonomen der Schwedischen Schule, die unabhängig von KEYNES etwa gleichzeitig zu ähnlichen Ansichten kamen wie er. Das gilt auch für einige andere Ökonomen, insbes. Michal KALECKI (1899-1970) und Carl FÖHL (1901-1973). KEYNES ging es darum, eine Erklärung zu finden für die mit der Weltwirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit einhergehende Arbeitslosigkeit und gleichzeitig eine theoretische Begründung für seine wirtschaftspolitischen Vorschläge, die auf eine aktive Fiskalpolitik hinausliefen. Zu diesem Zweck suchte er nachzuweisen, dass das von der Klassischen Theorie und der Neoklassischen Theorie behauptete SAYsche Theorem in einer dezentralisierten Marktwirtschaft nicht gilt. Dazu bediente er sich jedoch nicht der mikroökonomischen Totalanalyse der Lausanner Schule, sondern griff auf die makroökonomischen geldtheoretischen Ansätze zurück, die innerhalb der Cambridge Schule, insbes. von Dennis H. ROBERTSON (1890-1963) und Robert G. HAWTREY (1879-1975) entwickelt worden waren, erweiterte sie jedoch um den von Thomas R. MALTHUS (Klassische Schule) übernommenen Begriff der effektiven Nachfrage und der von ihm selbst zusammen mit Richard F. KAHN (geb. 1905) entwickelten Multiplikatoranalyse. Kern seiner Analyse ist der Nachweis, dass die (im wesentlichen) von der Höhe der Einkommen und dem Zinssatz abhängige gesamtwirtschaftliche Nachfrage bei einem Produktionsniveau gleich dem gesamtwirtschaftlichen Angebot sein kann, das nicht dem bei Vollbeschäftigung möglichen entspricht. KEYNES hob auch hervor, dass die Geldpolitik nicht immer in der Lage ist, über eine Senkung des Zinssatzes einen Multiplikatorprozess auszulösen, der die Beschäftigung erhöht. Verbunden mit der Überlegung, dass auch der Versuch, über eine Senkung des Nominallohnniveaus Vollbeschäftigung herbeizuführen, destabilisierende Tendenzen auslöst bzw. am Widerstand der Gewerkschaften scheitert, ergibt sich daraus die (mögliche) Existenz eines Unterbeschäftigungsgleichgewichtes, das weder automatisch noch mit geldpolitischen Mitteln beseitigt werden kann. Infolgedessen muss nach KEYNES die Fiskalpolitik für eine hinreichend große effektive Nachfrage sorgen, selbst auf die Gefahr hin, dass dadurch das Preisniveau erhöht wird. Denn dadurch würde nur das Reallohnniveau gesenkt und so die Beschäftigung erhöht.
Keynesianische Theorie KEYNES\' Darstellung seiner Gedanken war komplex und nicht immer leicht zu folgen. Daher wurde die weitere Entwicklung stark beeinflußt von den Interpretationen, die John R. HICKS (1904-1989), Alvin H. HANSEN (1887-1975) und andere seinen Gedanken gaben. HICKS sah in KEYNES\' Theorie ein System von vier Märkten (für Konsumgüter, neue Kapitalgüter, Geld und Wertpapiere), die sich in einem interdependenten Gleichgewichtssystem darstellen lassen, welches sich dadurch auszeichnet, dass den Lohnsätzen und (infolge der sog. - Liquiditätspräferenz der Marktteilnehmer) dem Zinssatz Flexibilität mangelt und dass die Zinselastizität insbes. der Investitionen nicht hoch ist. Diese Interpretation (zusammengefaßt in dem HICKSschen IS-LM-Diagramm) wurde eine wesentliche Grundlage der Keynesianischen Theorie. Eine andere wurde die Formalisierung KEYNESscher Überlegungen zur effektiven Nachfrage in der sog. Konsumfunktion durch HANSEN und die Überlegungen zur ex-anteund ex-post-Analyse (Analyse), die innerhalb der Schwedischen Schule entwickelt worden waren. Der weiteren Verbreitung der Keynesianischen Theorie war es förderlich, dass sie sich zwanglos in die Analyse des Wirtschaftskreislaufs integrieren liess und dass die (teilweise unter KEYNES\' Ägide entstandene) Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Daten bereitstellte, die eine Übersetzung der Theorie in ökonometrische Modelle möglich machte. Dasselbe gilt für die Verbindung mit der Input-Output-Analyse, die von Wassily LEON-TIEF (geb. 1906) ursprünglich als empirische Version der WALRASschen Theorie des allgemeinen Gleichgewichts entwickelt worden war. Die geldtheoretischen Überlegungen von KEYNES, die den Begriff der Liquidität und der - Liquiditätspräferenz in den Mittelpunkt stellten, wurden von Franco MODIGLIANI (geb. 1918) und insbes. von Don PATINKIN (geb. 1922) ausgebaut und später von James TOBIN (geb. 1918) durch die Berücksichtigung auch anderer finanzieller Aktiva zur Portfolio-Selection-Theorie weiterentwickelt. Im Gegensatz zu dieser, auf dem der Neo-neoklassischen Theorie eigenen Prinzip der Wahlhandlungen aufbauenden Theorie steht die v.a. von Milton FRIED-MAN (geb. 1912) entwickelte, auf die Quantitätstheorie zurückgreifende Theorie des Monetarismus. Der Versuch, auch Inflationsprozesse in der Keynesianischen Theorie zu berücksichtigen, führte zwar zu einer illustrativen Darstellung des - Zielkonfliktes zwischen Vollbeschäftigung und Preisstabilität in der sog. - PHILLIPS-Kurve, aber auch zu der Erkenntnis, dass die Theorie ihre Grenzen hat. So wurde kritisiert, dass · das Preisniveau nicht explizit berücksichtigt ist; · das (effektive) Angebot gegenüber der effektiven Nachfrage vernachlässigt wird; · Verteilungsfragen nicht berücksichtigt werden; · der Aggregationsgrad der Theorie so hoch ist, dass mikroökonomische Theorien des individuellen Handelns nicht mit ihr vereinbar sind; · die makroökonomischen Annahmen der herkömmlichen und insbes. neueren mikroökonomischen Theorien widersprechen. Besonders den beiden letzten Kritikpunkten sucht eine auf Robert CLOWER (geb. 1926) und Axel LEUONHUFVUD (geb. 1933) zurückgehende alternative Interpretation der KEYNESschen Theorie als Ungleichgewichtstheorie abzuhelfen. Grundlage dieser Interpretation ist eine Theorie des - Rationalverhaltens bei beschränkter und nicht kostenlos erhältlicher Information, in der wirtschaftliches Handeln an - Erwartungen ausgerichtet ist, die an der Vergangenheit orientiert sind. Infolgedessen wird es bei unvorhergesehenen Veränderungen in einem System von Märkten nicht sofort zu Preisänderungen kommen: Zuerst werden Mengen bei konstanten Preisen angepaßt; zu Preisänderungen kommt es erst, wenn eine Veränderung als dauerhaft angesehen wird. Das hat zur Folge, dass wirtschaftliche Entscheidungen außer an Preisen auch an Mengen bzw. Einkommen ausgerichtet werden, und dass das Preissystem zumindest zeitweilig »falsche« Signale gibt. Eine Entscheidung der Haushalte, mehr zu sparen, signalisiert nicht einen Anreiz zu erhöhter Kapitalgüterproduktion (täte sie es, so gälte das SAYsche Theorem!), sondern einen Ausfall an effektiver Nachfrage nach Konsumgütern. Das löst einen Multiplikaturprozess aus, in dessen Verlauf Produktion, Beschäftigung und Einkommen reduziert werden, und der erst zum Stillstand kommt, wenn Preisänderungen anstelle von Mengenänderungen treten. In dieser Interpretation wird die Existenz eines Unterbeschäftigungsgleichgewichts weniger durch inflexible Lohn- und Zinssätze als durch inflexible Erwartungen begründet. Andere Interpretationen versuchen, Gedanken der modernen mikroökonomisch orientierten Geldtheorie aufzunehmen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass eine auf Ungleichgewichten basierende mikroökonomische Fundierung der Makroökonomie versucht wird (Neo-neoklassische Theorie). In eine andere Richtung zielt eine Interpretation, die neben KEYNESschem Gedankengut Überlegungen von Michal KALECKI aufnimmt (Neo-Keynesianische Theorie). Die Keynesianische Theorie ist ihrerseits Grundlage geworden für die Entwicklung der neueren Konjunkturtheorie und der neueren Wachstumstheorie. So haben Roy F. HARROD (1900-1978), Paul A. SAMUELSON (geb. 1915) und John R. HICKS ihre Konjunkturerklärungen auf einer Kombination des KEYNESschen Multiplikatorprinzips mit dem (auf John B. CLARK, 1847-1938, zurückgehenden) - Akzeleratorprinzip aufgebaut. Dieselben Gedanken sind v.a. von HARROD für die Wachstumstheorie fruchtbar gemacht worden. Für die - Wirtschaftspolitik gemischt-wirtschaftlicher Marktwirtschaften ist die Keynesianische Theorie grundlegend; ohne sie ist der wohlfahrtsstaatliche Interventionismus der Gegenwart nicht denkbar. Das gilt insbes. für die Stabilitätspolitik, in der die - Geldpolitik gleichberechtigt neben die - Fiskalpolitik gestellt wurde. Insbes. Vertreter des sog. Monetarismus haben weitergehend vorgeschlagen, der Geldpolitik einen noch größeren Stellenwert einzuräumen. Literatur: Weintraub, S. (1977). Leijonhufvud, A. (1973). Klein, L.R. (1968)

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