behandelt Erscheinungsformen, Ursachen, Wirkungen und Bekämpfungsmöglichkeiten inflatorischer Prozesse. Da Inflation heute überwiegend als ein gesamtwirtschaftliches monetäres Phänomen begriffen wird, das mit der Entwicklung von Konjunktur, Wachstum und Beschäftigung eng verbunden ist, bildet die moderne Inflationstheorie einen wesentlichen Bestandteil insb. der monetären Makroökonomik. Sie befasst sich - teilweise äusserst kontrovers - mit der Inflationsverursachung, den Inflationswirkungen sowie mit den Möglichkeiten wirksamer Inflationsbekämpfung. Theoretisch umstritten ist vor allem, ob Inflation durch Störungen auf Güter- und Faktormärkten oder durch Störungen auf dem gesamtwirtschaftlichen Geldmarkt ausgelöst und in Gang gehalten wird. Dementsprechend unterscheidet man generell zwischen nichtmonetärer (keynesianischer) und monetärer (neoklassischer) Inflationstheorie. Beide Ansätze werden der ökonomischen Inflationstheorie zugerechnet, von der sich wiederum sozialwissenschaftlich (politologisch, soziologisch) angelegte Erklärungsversuche abheben. (1) Nach keynesianischer Auffassung liegt Inflation dann vor, wenn Güter- und Faktorpreise allgemein steigen und dies im Anstieg eines repräsentativen Preisindex sichtbar wird ( Inflationsmessung). Die Preissteigerungen resultieren entweder nachfrageseitig aus einer (autonomen) Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Ausgaben bei nicht mehr ausdehnungsfähigem realen Angebot ( Nachfragesog) oder angebotsseitig aus einer Erhöhung der Preisforderungen der Anbieter aufgrund gestiegener Kosten oder heraufgesetzter Gewinnziele ( Angebotsdruck), wobei der Angebotsdruck vor allem auf die Auseinandersetzung zwischen den sozialen Gruppen um einen "gerechteren" Anteil am Volkseinkommen zurückgeführt wird ( Verteilungskampf). Der monetäre Sektor spielt dagegen keine aktive Rolle; vielmehr passen sich Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ( Quantitätsgleichung) automatisch an die autonomen Ausgaben- und Kostensteigerungen an, so dass die daraus resultierenden Preiserhöhungen jederzeit durch ein überschüssiges Geldmengenwachstum monetär alimentiert sind. (2) Nach neoklassischer Auffassung, die in der klassischen (naiven) Quantitätstheorie und der neueren, mit dem Namen Milton Friedman verbundenen Neoquantitätstheo- rie eine theoriegeschichtlich lange Tradition hat, entsteht Inflation auf dem gesamtwirtschaftlichen Geldmarkt, wenn das Geldangebot aufgebläht wird und ein überschüssiges Geldmengenwachstum (Inflationspotential) entsteht. Durch Anpassungsreaktionen der Wirtschaftssubjekte auf den Geld- und Gütermärkten ( Inflationsantizipation) kommt es schliesslich zu allgemeinen, anhand geeigneter Preisindizes messbaren Preissteigerungen (Preisinflation), durch die das Inflationspotential zunehmend ausgelastet wird ( inflatorisches Gleichgewicht). Aus dieser Sicht verlieren die keynesianischen Nachfragesog- und Angebotsdruckfaktoren ihre Bedeutung als eigenständige Inflationsursachen; statt dessen wird ihnen die Rolle von Transmissionsgliedern bei der Umsetzung der inflationsverursachenden monetären Impulse in effektive Preissteigerungen zugewiesen. Die Unterscheidung von monetärer und nichtmonetärer Inflationstheorie hat sich gegenwärtig zwar allgemein durchgesetzt, ist aber angesichts der jüngeren, auf eine Synthese der geldwirtschaftlichen, realwirtschaftlichen und politischen Aspekte der Inflationsverursachung zielenden Theoriebildung fragwürdig geworden. Man unterscheidet deshalb auch nach ihrer zeitlichen Entwicklung zwei "Generationen" von Inflationstheorien: eine bis in die Mitte der 60er Jahre reichende "traditionelle" und eine sich daran anschliessende "moderne" bzw. "neue" Theorie. Letztere wird praktisch mit der monetaristischen Inflationstheorie gleichgesetzt, während erstgenannte alle übrigen ökonomischen Ansätze umfasst. (3) Neben der ökonomischen hat sich seit Anfang der 70er Jahre vor allem im deutschsprachigen Raum in Verbindung mit der Neuen Politischen Ökonomie auch eine politische Theorie der Inflation entwickelt. Ihre Vertreter sehen die tiefere Ursache inflatorischer Prozesse jenseits der ökonomischen Zusammenhänge, nämlich in der Struktur und Funktionsweise des politischen Systems repräsentativer Demokratien: Im Wettbewerb um die Wählerstimmen verfolgen die Politiker je nach vermuteter Wählerpräferenz die Ziele Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität mit wechselnder Priorität ( Phillips-Kurve, trade-off), so dass angesichts periodisch stattfindender Wahlen aus dem Wechsel von (expansiver) Vollbeschäftigungspolitik und (kontraktiver) Inflationsbekämpfung komplette Inflationszyklen hervorgehen. Die politische Theorie der Inflation stellt jedoch keinen eigenständigen, die ökonomische Inflationstheorie ersetzenden Erklärungsansatz dar; ihr Verdienst besteht darin, die ökonomisehen Inflationsursachen ihrerseits aus dem politischen System heraus zu erklären und damit einen Schlüssel zum Verständnis zyklischer inflatorischer Prozesse zu liefern. Literatur: Steinmann, G., Inflationstheorie, Paderborn 1979. Frisch, H., Die Neue Inflationstheorie, Göttingen 1980. Pohl, R., Theorie der Inflation, München 1981. Riese, H., Theorie der Inflation, Tübingen 1986.
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