Bezeichnung des Marxismus-Leninismus für eine Phase des Spätkapitalismus, deren Beginn mit den 70er Jahren des 19. Jh. angesetzt wird. Als kennzeichnend dafür werden einerseits die Konzentration der Produktion in immer grösseren Betrieben und des Kapitals in immer weniger Händen und andererseits die Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital zur "Finanzoligarchie" angesehen. Wladimir I. Lenin deutet die daraus gefolgerte beispiellose Monopolisierung der Wirtschaft als "gigantischen Fortschritt in der Vergesellschaftung der Produktion", d.h. auf dem Weg des unaufhaltsamen Niedergangs des Kapitalismus. Lenin geht dabei von der marxistischen Annahme aus, dass die fallende Tendenz der Profitrate (Mehrwerttheorie) nicht nur eine Quelle der Ausbeutung ist, sondern zugleich die Konzentration des Kapitals beschleunigt, indem unter verschärften Konkurrenzbedingungen die kleinen Kapitalisten immer mehr von den grossen, vor allem in Aktiengesellschaften organisierten Eigentümern "geschluckt" werden. Gleichzeitig entwickelt sich nach Karl Marx in den Aktiengesellschaften eine wachsende Autonomie der angestell- ten Manager, die die Kapitaleigentümer zu funktionslosen, ökonomisch überflüssigen "Geldkapitalisten" degradieren. In dem Masse, in dem "Privatproduktion ohne die Kontrolle des Privateigentums" betrieben wird, büsst es seine Lenkungs- und Kontroll- funktion in der Marktwirtschaft ein. Ihre Wettbewerblichkeit nimmt im Gefolge von Konzentrations- und Dezentralisationsprozessen ab. In dieser Vorhersage sieht Lenin die Realität des "Kapitalismus in seinem heutigen Entwicklungsstand", des sog. Monopolkapitalismus, durch dessen Produktionsweise der politische und rechtliche Rahmen der Gesellschaft im Sinne des Stamokap verändert werde. Lenin versucht, diese Auffassung mit einer Fülle von Einzeltatsachen, u.a. gestützt auf eine Materialsammlung von John A. Hobson, zu begründen. Dabei werden häufig blosse Tendenzen als unbestreitbare Totalerklärungen propagandahaft zurechtgestutzt. Schlüssige Nachweise hierfür werden nicht geliefert. Tatsächlich war in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine zunehmende Abkehr von den kosmopolitischen Idealen der Freihandelsepoche vor allem in den USA, in Russland, in Frankreich und in Deutschland zu beobachten. Im Gefolge dieses geistig-politischen Denkwandels kam es zu antikompetitiven Kartellierungs- und Vermachtungserscheinun- gen. Eine Wiederbelebung wirtschaftspolitischer Vorstellungen des Schutzzolls und des Merkantilismus durch die Vertreter der damals herrschenden Lehre der historischen Schule und des Kathedersözialismus liess hinter den neuen Zollmauern, ungestört von der ausländischen Konkurrenz, Kartelle entstehen. Im Anschluss an das folgenschwere Urteil des Reichsgerichts vom 4.2. 18.97, das die Freiheit zur Kartellbildung mit dem Prinzip der Vertrags- und Gewerbefreiheit für vereinbar erklärte, wurde Deutschland zum klassischen Land der Kartelle. Diese auf eine Wettbewerbspolitik des Laissez Faire hinauslaufende Entwicklung war keineswegs zwangsläufig. Dies zeigen sowohl der damalige Stand der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse über die Ordnungsvorkehrungen, die notwendig sind, um marktwirtschaftliche Monopolisierungstendenzen zu vermeiden, als auch die vergleichsweise erfolgreiche Politik der Wettbewerbsordnung in den USA seit 1890. Die der marxistischen Theorie des Monopolkapitalismus zugrunde liegende Zwangsläufigkeitshypothese ist durch vielfältige Beispiele einer erfolgreichen Sicherung offener wettbewerblicher Märkte widerlegt worden. So kommt es, dass die Häufigkeit der Verwendung des Begriffs Monopolkapitalismus im umgekehrten Verhältnis zu seiner praktischen Bedeutung steht. Wer sorgfältig nach Monopolen sucht, wird in der Wirklichkeit ohnehin nur Staatsmonopole finden. Literatur: Arndt, H., Die Konzentration in der Wirtschaft, 1. und 2. Band, 2. Aufl., Berlin 1971. Kola- kowski, L., Die Hauptströmungen des Marxismus. Entstehung, Entwicklung, Zerfall, 2. Band, 2. Aufl., München, Zürich 1981.
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