Die Wettbewerbspolitik regelt unter einer weitgehenden Beibehaltung einer freien Marktwirtschaft alle staatlichen Maßnahmen zur indirekten Steuerung des Wirtschaftsgeschehens, so insbesondere zur Vermeidung wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen seitens der Unternehmen (Kartelle) und seitens des Staates. Basierend auf dem neoklassischen Konzept der Wettbewerbsfreiheit, das im deutschen Sprachraum insbesondere von Hoppmann unter Rückgriff auf Gedanken der klassischen und neoliberalen Markttheorie seit Mitte der sechziger Jahre entwickelt wurde, beschäftigt sie sich mit Überlegungen über Möglichkeiten, »den normierten Wettbewerb in realen Marktprozessen herzustellen und zu sichern« (Clapham, 1981, S. 131). Ihre praktische Relevanz kommt dadurch zum Ausdruck, dass auch in marktwirtschaftlich orientierten Ländern nicht im gleichen Maße wie in Deutschland eine bewusste Wettbewerbspolitik mit rechtlichen Regeln (GWB) vorliegt, was sich in zweifacher und ganz entgegengesetzter Weise bemerkbar macht (Dülfer, 1997, S. 471t):
- »Auf der einen Seite wird in solchen Ländern infolge des Mangels an Information und Ausbildung über Nützlichkeit und Erfordernisse einer funktionierenden Wettbewerbsstruktur auch von den Beteiligten Wettbewerb nicht als etwas Positives, sondern als etwas aus der Sicht der Unternehmung Ärgerliches aufgefasst. Typischerweise benutzt man den älteren Ausdruck >Konkurrenz«, der diesen negativen Touch beinhaltet. Die Auseinandersetzung am Markt nimmt von daher gelegentlich Formen an, die nach bundesdeutscher Auffassung als unlauterer Wettbewerb oder auf jeden Fall als Verstoß gegen das GWB verstanden werden würden. [...] - Auf der anderen Seite bestehen in vielen Ländern legale Möglichkeiten der Kartellbildung, die für die internationalisierende Unternehmung günstig sein können. Da ihre Wettbewerber aus anderen Stammländern häufig schon aus ihrer heimatlichen Erfahrung heraus von solchen Möglichkeiten durchaus ungehinderten Gebrauch machen, wird es der internationalisierenden Unternehmung nicht möglich sein, ihrerseits aus besserer gesamtwirtschaftlicher Einsicht auf gleiche Maßnahmen zu verzichten«.
In der Europäischen Union wurden die Grundsätze der Wettbewerbspolitik im Zuge der europäischen Binnenmarktintegration (Europäischer Binnenmarkt) in Artikel 85 EG-Vertrag (Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen) sowie in Artikel 86 (Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung) festgeschrieben. Verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken (Bundesanzeiger, 1997, S. 233ff.). Auf europäischer Ebene ist Trägerin der Wettbewerbsaufsicht die Kommission der EU, der eine Entscheidungsbefugnis gegenüber den Unternehmen (einschließlich einer Bußgeldkompetenz im Falle von Verstößen) sowie eine Genehmigungsbefugnis gegenüber Staaten zusteht.
staatliches Handeln, das auf Sicherung und Förderung eines unbeschränkten Leistungswettbewerbs abzielt. Wettbewerbspolitik soll zum Wettbewerbsvorstoss ermuntern und befähigen und den Wettbewerb vor Beschränkungen schützen. Dem Schutz des Wettbewerbs vor —Wettbewerbsbeschränkungen dient in der Bundesrepublik Deutschland vor allem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Nach mehrfacher Novellierung bietet es mittlerweise aussichtsreiche Möglichkeiten zur Begrenzung des —Konzentrationsgrades, zur Vermeidung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensabstimmung und zur Sicherung des freien Marktzugangs. Das GWB soll den Prozess marktwirtschaftlichen Wettbewerbs gegen privatwirtschaftlich organisierte Beschränkungen schützen. Es versagt dort, wo es nicht Unternehmen oder ihre Verbände, sondern die Träger der staatlichen Wirtschaftspolitik selbst sind, die Wettbewerbsbeschränkungen begründen. Anzahl und Gewicht derartiger staatlich geschaffener Wettbewerbsbeschränkungen sind ohne Zweifel erheblich. So besteht in der Bundesrepublik Deutschland eine Vielzahl von Ausnahmebereichen, in denen die Vorschriften des GWB nur mit weitgehenden Einschränkungen gelten (Versicherungswirtschaft, Kreditwesen) oder in denen das Wettbewerbsprinzip durch staatliche Regulationen ersetzt wurde, um die hier andernfalls vermeintlich drohende —ruinöse Konkurrenz zu vermeiden (Agrarwesen, Verkehr), um den Missbrauch "natürlicher Monopole" durch staatliche Aufsicht unmöglich zu machen (Energiewesen) oder um keine sozialen Härten entstehen zu lassen (Wohnungswirtschaft). Einer ökonomischen Analyse vermögen die Argumente, die zur Rechtfertigung aller dieser Ausnahmebereiche angeführt werden, durchweg nicht standzuhalten. Aufgabe staatlicher Ordnungspolitik ist es folglich, dem Wettbewerb zunehmend auch in diesen Bereichen Geltung zu verschaffen; denn in einer Marktwirtschaft ist Ordnungspolitik gleichbedeutend mit dem konsequenten Bemühen, Wettbewerbsprozesse zu ermöglichen, zu fördern und zu sichern. Auch dort, wo sie als Sozialpolitik betrieben wird, muss sie auf Lösungen achten, die den Erfordernissen einer Wettbewerbswirtschaft nicht zuwiderlaufen. Marktwirtschaft ist ein System dezentraler Planung. Staatliche Politik, die den Prozess der Unternehmenskonzentration fördert, läuft folglich Gefahr, gegen das Prinzip der Ordnungskonformität wirtschaftspolitischen Handelns zu verstossen. Ungeachtet dieser Bedenken gibt es eine Vielzahl von Belegen dafür, dass die Träger der staatlichen Wirtschaftspolitik, und sei es auch nur durch unbedachte Nebenwirkungen der von ihnen ergriffenen Massnahmen, dem Prozess der Unternehmenskonzentration zusätzliche Impulse verleihen: In Bedrängnis geratene Grossunternehmen werden durch Subventionen gestützt, die die Wettbewerbsposition ihrer kleineren Konkurrenten verschlechtern; Forschungs- und Technologiepolitik fördert erfahrungsgemäss häufig die grösseren Unternehmen einer Branche oder macht die Gewährung von Mitteln davon abhängig, dass zuvor durch Unternehmenszusammenschlüsse grössere Unternehmenseinheiten gebildet werden. Umweltauflagen können Finanzierungserfordernisse begründen, die nur die grossen Betriebe einer Branche zu erfüllen vermögen. Auch das Steuersystem und das Patentrecht sind zumeist nicht so ausgestaltet, dass sie in ihren Wirkungen "konzentrationsneutral" wären. Schliesslich führt vermutlich auch Protektionismus zu einem höheren Konzentrationsgrad, als er bei Freihandel zu erwarten wäre, da Importbeschränkungen den Markteintritt leistungsfähiger ausländischer Anbieter verhindern können, ohne dass der Marktaustritt ineffizienter heimischer Produzenten dauerhaft vermieden werden könnte. Die damit formulierte Forderung nach einer konsequent auf Wettbewerbsförderung gerichteten Ordnungspolitik ist bislang nur höchst unzureichend erfüllt. Eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem deklamatorischen Bejahen einer Wettbewerbsordnung und der tatsächlich betriebenen Politik ist evident. Für Parteien, die sich um die Mehrheit der Wählerstimmen bemühen, ist es erfahrungsgemäss häufig von Vorteil, gegen das Gebot wettbewerbskonformer Politik zu verstossen. Gewährt man unter Anpassungsdruck geratenen Branchen Subventionen und Schutz vor Importkonkurrenz, kann man hoffen, mit diesen Massnahmen wirksam Werbung um Wählerstimmen zu betreiben. Die verschlechterte Faktorallokation, die sich als Folge derartigelPolitik ergibt, wird in ihren wohlstandsmindernden Konsequenzen vielfach nicht durchschaut. Der Verlust an Anpassungsflexibilität und innovatorischer Potenz wird erst bewusst, wenn die gesamtwirtschaftliche Wachstumsdynamik durch die Vielzahl von Verstössen gegen die Gebote der Wettbewerbsordnung nachhaltig Schaden genommen hat. Der dann als notwendig erkannte Abbau von Importrestriktionen, Subventionen und staatlicher Regulierung stösst auf massiven Widerstand. Unternehmensverbände und Gewerkschaften bestehen gleichermassen auf der Wahrung überkommenen Besitzstandes. Freier Leistungswettbewerb ist dort, wo er besteht, somit permanent bedroht, dort, wo er eingeschränkt oder ausser Kraft gesetzt wurde, lassen sich seine Vorteile nur schwer zurückgewinnen. Das deutsche Wettbewerbsrecht bietet beachtliche Möglichkeiten, gegen privatwirtschaftlich organisierte Wettbewerbsbeschränkungen einzuschreiten. Was fehlt, sind Vorkehrungen, die wirksam auch gegen die Wettbewerbsbeschränkungen Abhilfe zu schaffen vermögen, die durch staatliches Handeln geschaffen werden. Literatur: Zohlnhöfer, W, Wettbewerbspolitik in der Demokratie, in: Gutzler, H. u.a. (Hrsg.), Wettbewerb im Wandel, Baden-Baden 1976, S. 27ff. Bartling, H., Leitbilder der Wettbewerbspolitik, München 1980.
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