Gesamtheit der einzelnen Steuern eines Staates inklusive ihrer gegenseitigen Beziehungen und der angewendeten Besteuerungsprinzipien.
(engl. tax system) Unter dem Begriff Steuersystem werden die in einem Staat erhobenen Einzelsteuern (Steuern) verstanden, die zur Erreichung des verfolgten Zweckes aufeinander abgestimmt sein müssen. Die Basis für das derzeit in der Bundesrepublik Deutschland vorzufindende Steuersystem wurde durch die Erzbergische Steuerreform bereits in den Jahren 1919/20 gelegt. Teilreformen in den Jahren 1925 und 1934, die Umsatzsteuerreform (s Umsatzsteuer) im Jahr 1967 sowie die Körperschaftsteuerreform (Körperschaftsteuer) im Jahre 1977 veränderten dieses Steuersystem. 1999 trat das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 in Kraft, wonach die steuerliche Bemessungsgrundlage erheblich verbreitert und gewachsene Bilanzierungsregeln gestrichen wurden. Ab 2001 wurde das Steuersenkungsgesetz eingeführt, wonach u. a. das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren durch das Halbeinkünfteverfahren ersetzt wurde. Das deutsche Steuersystem unterscheidet zwischen Gemeinschaftssteuern (Aufkommen steht mehreren Gebietskörperschaften zu; z. B. 4 Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer), den Bundessteuern (z. B. s Zölle, Versicherungsteuer), den Ländersteuern (z. B. Erbschaftsteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Biersteuer) und den Gemeindesteuern (z. B. Grundsteuer, Zweitwohnsteuer; an der i Gewerbesteuer werden der Bund und die Länder per Umlage beteiligt).
Als St. bezeichnet man die Gesamtheit der in einem Lande geltenden Einzelsteuern. Diese müssen so aufeinander abgestimmt sein, daß die mit der Besteuerung verfolgten Ziele erreicht werden. Das Steuersystem der Bundesrepublik Deutschland basiert auf dem durch die Erzbergersche Steuerreform in den Jahren 1919/ 1920 geschaffenen Steuersystem, das zwar durch Teilreformen in den Jahren 1925 und 1934 verbessert wurde, aber abgesehen von der im Jahre 1967 erfolgten Reform der Umsatzsteuer, die einen Übergang von einem Allphasen-Bruttoumsatzsteuer-system zu einem Allphasen-Nettoum-satzsteuersystem gebracht hat, und der im Jahre 1976 erfolgten Reform der Körperschaftsteuer seit mehr als 60 Jahren nicht mehr Grund legend, d. h. durch eine umfassende, in allen Bereichen aufeinander abgestimmte Reform verändert worden ist. Es entspricht trotz einer Anzahl größerer oder kleinerer Reformgesetze, die nach dem 2. Weltkrieg erlassen wurden, und trotz vieler in kurzen Abständen vollzogener Änderungen von Einzelregelungen nicht mehr in vollem Umfang den Anforderungen, die die heutige Wirtschafts und Gesellschaftsordnung an ein m odernes Steuersystem stellt. Von den fast 50 Einzelsteuern des deutschen Steuersystems, deren Aufkommen im Jahre 1981 r und 370 Mrd. betrug, entfallen auf die drei größten Steuern (Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer) etwa 75% des Gesamtsteueraufkommens, nur weitere 14 Steuern haben ein Aufkommen von 1 Mrd. und mehr. Die fiskalische Bedeutung der übrigen Steuern, insbesondere der kleinen örtlichen Verbrauch und Aufwandsteuern, ist relativ gering. Sie werden deshalb häufig als Bagatellsteuern bezeichnet. Nicht alle Steuern sind vom betrieblichen Standpunkt aus von Bedeutung. Die Besteuerung des Betriebes knüpft an eine Anzahl von ökonomischen Größen und Tatbestände an, die als Bemessungsgrundlagen einzelner Steuern dienen. Die wichtigsten dieser ökonomischen Größen sind der Ertrag, das Vermögen und der Umsatz des Betriebes. Bei der Verwendung dieser drei Begriffe muß allerdings beachtet werden, daß steuer-rechtlicher und ökonomischer Begriffsinhalt sich nicht immer decken, sondern daß das Steuerrecht diese Begriffe für seinen spezifischen Zweck, eine möglichst einfach praktizierbare Steuerbemessung durchführen zu können, entsprechend interpretiert. Die laufende Besteuerung der Betriebe basiert auf den genannten drei Größen: Teile des Ertrages sind in Form des Steuerbilanzgewinns Bemessungsgrundlage für die Einkommen und Körperschaftsteuer, in Form des Gewerbeertrages Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer. Das Vermögen dient als Betriebsvermögen der Vermögensteuer, als Gewerbekapital der Gewerbekapitalsteuer und soweit es Grund vermögen ist der Grundsteuer als Bemessungsgrundlage.
Der Umsatz wird als Nettoumsatz, d. h. als Differenz zwischen Bruttoentgelt und Entgelt für die von anderen Unternehmen bezogenen Vorleistungen, der Umsatzsteuer unterworfen (technisch durch Abzug der in den Vorleistungen enthaltenen Umsatzsteuern Vorsteuern von der auf Basis des Bruttoentgelts berechneten Umsatzsteuerschuld). Der Nettoumsatz (Wertschöpfung) setzt sich aber ebenfalls aus Ertragsgrößen zusammen: die im Betrieb erzielte Wertschöpfung besteht in erster Linie aus den Arbeitslöhnen und dem Bilanzgewinn (Unternehmerlohn, Eigenkapitalzins, Unternehmergewinn). Zur laufenden Steuerbelastung sind auch bestimmte laufend anfallende Verkehr und Verbrauchsteuern zu zählen: Kraftfahrzeugsteuer, Versicherungsteuer, Mineralölsteuer. Neben der laufenden Besteuerung sind für den Betrieb vor allem einmalige Verkehrsteuern auf Rechtsvorgänge von Bedeutung (Gesellschaftsteuer auf Eigenkapitalzuführungen in Kapitalgesellschaften, Wechselsteuer, Grund erwerbsteuer). Die Steuern können nach verschiedenen Kriterien gegliedert werden. Weitverbreitet ist die Einteilung in direkte und indirekte Steuern. Sie hat aber nsbesondere bei der Interpretation von Statistiken zu vielen Mißverständnissen geführt, weil sie selbst wiederum auf verschiedenen Unterscheidungskriterien beruht.
I. Direkte Steuern
(1) Personen-(Subjekt-) steuern(Unmittelbare Erfassung der Leistungsfähigkeit einer natürlichen oderjuristischen Person bzw. Belastungvon Gewinn und Vermögen)
Einkommensteuer
Körperschaftsteuer
Vermögensteuer
Erbschaftsteuer
Kirchensteuer
(2) Sach-(Objekt-, Real-) steuern(Unmittelbare Erfassung der Leistungsfähigkeit Ertragsfähigkeit eines Objekts bzw. Belastung von Ertrag und Vermögen)
Gewerbesteuer
Grundsteuer
II. Indirekte Steuern(Mittelbare Erfassung der Leistungsfähigkeit über Vorgänge des Vermögensverkehrs und der Einkommensverwendung)
(1) Verkehrsteuern
Umsatzsteuer
Kapitalverkehrsteuern
Wechselsteuer
Grund erwerbsteuer
Versicherungsteuer
Kraftfahrzeugsteuer
Rennwett und Lotteriesteuer
(2) Verbrauchsteuern
Mineralölsteuer
Tabaksteuer
Steuern auf Lebensmittel und Getränke
sonstige Verbrauch und Aufwandsteuern
(3) Zölle
Die Statistiken des Bundesfinanzministeriums verwenden entweder die Einteilung in:
Steuertabellen
I. Steuern auf das Einkommen und Vermögen
Steuern auf den Vermögenszuwachs und Vermögensverkehr
Steuern auf die Einkommensverwendung
Zölle oder in:
I. Gemeinschaftssteuern
II. Bundessteuern
Ländersteuern
Gemeindesteuern
Die Verteilung des Steueraufkommens und des Ertrages der Finanzmonopole wird nach Art. 106 GG in der Fassung des Finanzreformgesetzes vom 12.
5. 1969 in folgender Weise vorgenommen:
I. Gemeinsame Steuern von Bund und Ländern (Gemeinschaftssteuern)
Einkommensteuer (veranlagte ESt, Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer)
Körperschaftsteuer
Umsatzsteuer (einschl. Einfuhrumsatzsteuer)
II. Bundessteuern
Zölle
Verbrauchsteuern (soweit sie nicht den Ländern und Gemeinden zufließen)
Kapitalverkehrsteuern
Wechselsteuer
Versicherungsteuer
Lastenausgleichsabgaben
Ergänzungsabgabe zur Einkommen und Körperschaftsteuer
Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften
III. Ländersteuern
Vermögensteuer
Erbschaftsteuer
Kraftfahrzeugsteuer
Verkehrsteuern, soweit sie nicht dem Bund zustehen
Biersteuer
Spielbankenabgabe
IV. Gemeindesteuern
Gewerbesteuer (mit Beteiligung von Bund und Ländern)
Grundsteuer
Örtliche Verbrauch und Aufwandsteuern
Anteil an der Lohn und Einkommensteuer
Für die Beurteilung des Einflusses der Besteuerung auf die unternehmerischen Entscheidungen, insbesondere für die Zwecke der Kosten und Preistheorie, eignet sich besser als die dargestellten steuerrechtlichen und statistischen Systematisierungen eine Einteilung der Steuern nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten in:
(1) Produktionsfaktorsteuern, dassind Steuern, deren Bemessungsgrundlage entweder die Menge oder Der Preis der im Betrieb eingesetztenProduktionsfaktoren ist;
Betriebsleistungssteuern, das sind Steuern, bei denen die Menge oder der Preis der erstellten Leistungen die Grundlage der Steuerbemessung ist (z. B. Umsatzsteuer) und Gewinnsteuern, das sind Steuern, bei denen Bemessungsgrundlage der nach dem Einkommen oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn oder der Gewerbeertrag ist.
SteuertabelJen
Steuertabellen finden Anwendung bei progressiven Steuertarifen. Don ergibt sich die Steuerschuld nicht wie beim proportionalen Steuersatz durch Multiplikation der zu versteuernden Größe mit dem Steuersatz, sondern durch Anwendung des Tarifs auf die zu versteuernde Größe. Steuertabellen dienen zur Vereinfachung derErrechnung der Steuerschuld, da sich aus ihnen für jede zu versteuernde Größe der anfallende Steuerbetrag ablesen läßt. Für die Einkommensteuer unterscheidet man die Grund tabelle und für zusammen veranlagte Ehegatten die Splittingtabelle. Die für die Ermittlung der Lohnsteuerschuld verwendeten Tabellen berücksichtigen einerseits die im Steuertarif und in besonderen Vorschriften vorgesehenen Steuerfreibeträge, die in unterschiedlicher Höhe je nach Familienstand und nach den persönlichen Verhältnissen gewährt werden, was in den Steuertabellen zu sechs verschiedenen Steuerklassen mit jeweils unterschiedlichen Freibeträgen führt. Die Tabellen berücksichtigen andererseits, daß Zahlungen von Arbeitslöhnen im Monats-, Wochen oder Tagesrhythmus stattfinden. Dementsprechend gibt es Monats-, Wochen und Tageslohnsteuertab eilen (mit jeweils sechs Steuerklassen), in denen die Jahresfreibeträge anteilig berücksichtigt werden.
Gesamtheit der in einem Staat geltenden Steuerregelungen. Betrachtet man das in einem bestimmten Land, zu einem bestimmten Zeitpunkt verwirklichte System, so spricht man von einem historischen Steuersystem (z. B. das heutige Steuersystem der Bundesrepublik Deutschland). Fragt man dagegen, wie die einzelnen Steuern auf die (fiskalischen und nichtfiskalischen) Ziele der Besteuerung und aufeinander abgestimmt werden müssen, dann sucht man nach einem rationalen Steuersystem. Der Entwurf eines rationalen Steuersystems setzt voraus, dass Anforderungen (Steuergrundsätze) formuliert werden, die an ein solches Steuersystem zu stellen sind. So hat z. B. Heinz Haller folgende Forderungen an ein rationales Steuersystem formuliert: · minimale Verwaltungskosten, · minimale Entrichtungskosten, · es soll die Leistungsbereitschaft der Bürger nicht beeinträchtigen, · es darf die optimale Allokation nicht stören, · eine Korrektur der als ungerecht empfundenen Einkommens- und Vermögensverteilung soll möglich sein, · das Steuersystem soll stabilitätspolitisch einsetzbar sein, · Achtung der Privatsphäre der Bürger, · es dürfen bei Beachtung dieser Forderungen keine Zielkonflikte auftreten. Ein rationales Steuersystem sollte daher nach Haller nur folgende Steuern enthalten: als Hauptsteuern eine allgemeine, progressive Einkommensteuer und eine allgemeine Verbrauchsteuer, als Nebensteuern eine Vermögen- und eine Erbschaftsteuer, möglicherweise ergänzt durch einige spezielle Verbrauchsteuern (z. B. auf Mineralöl, Tabak, Branntwein). Das rationale Steuersystem in reiner Form stellt eine optimale Gestaltung der Besteuerung dar (optimale Besteuerung). Die Anforderungen an ein rationales Steuersystem unterliegen einem historischen Wandel, und ihre Gültigkeit kann auch nicht wissenschaftlich bewiesen werden. Deshalb gibt es eine Vielzahl von rationalen Steuersystemen. Literatur: Haller, H., Finanzpolitik, 5. Aufl., Tübingen 1972.
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