Die Ordnungspolitik ist der Teilbereich der Wirtschaftspolitik, der die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Aktivitäten umfasst, die sich auf die Wirtschaftsverfassung, den institutionellen Rahmen des Wirtschaftens beziehen. Ziel und Inhalt der Wirtschaftsordnungspolitik ist die Gestaltung von Rahmenbedingungen. Sie beschäftigt sich mit der Gesamtheit der Faktoren, die Aufbau und Ablauf einer Volkswirtschaft beeinflussen.
Die wirtschaftliche Rahmenordnung eines Landes ist der ökonomisch relevante Bereich der Rechtsordnung und regelt die Organisationsprinzipien einer Volkswirtschaft hinsichtlich der ökonomischen Entscheidungsbefugnisse von Individuen, Gruppen und Institutionen. Die inhaltliche Konkretisierung der Ordnungspolitik setzt einen gesellschaftlichen Grundkonsens über die Aufgaben und Kompetenzbereiche der (Wirtschafts-)Politik voraus. Die ordnungspolitische Konzeption in der Bundesrepublik ist weitgehend vom Ordoliberalismus geprägt. Ordnungspolitik in einer Marktwirtschaft ist die auf die Schaffung bzw. Erhaltung eines institutionellen Ordnungsrahmens ausgerichtete Politik, die die Marktkräfte nicht unangemessen beeinträchtigt und die Beachtung der Spielregeln für den freien, aber fairen Wettbewerb der Individuen und Gruppen gewährleistet.
Die Ordnungspolitik formuliert Regeln, nach denen in der arbeitsteiligen Wirtschaft die Aktivitäten koordiniert werden. Arbeitsteiliges Wirtschaften bedarf der Ordnung. Sie wird durch die gewählten Organisationsprinzipien beschrieben. Gemeint ist damit die Gesamtheit der Regeln, die bestimmte Verhaltensweisen begründen oder untersagen, insb. die jeweilige Verteilung der Entscheidungskompetenzen (dezentral in der Marktwirtschaft, in der Hand des Staates zusammengefasst in der Zentralverwaltungswirtschaft) und das entsprechende Koordinationsinstrument. Die Wirtschaftsordnung kann spontan gewachsen sein (wie das Beispiel des Laissez-faire zeigt), aber auch bewusst (wie die Planwirtschaft oder die soziale Marktwirtschaft) durch den Staat gestaltet werden. Sie kann lediglich auf informellen Konventionen beruhen oder mit verbindlichen Rechtsnormen beschrieben werden.
Der klassische Liberalismus sah die Marktwirtschaft der Harmonielehre folgend als gottgewollte, als natürliche, dem menschlichen Charakter (insb. dem Streben nach Eigennutz) entsprechende Ordnung an. Der Markthebel (die "unsichtbare Hand" des Marktes) versprach, das eigennützige Handeln des einzelnen auf das Gemeinwohl auszurichten. Der Staat sollte sich, einem Nachtwächter gleich, dem Wirtschaftsprozess fernhalten und lediglich vor Gesetzesbruch schützen. Die Realität widerlegte jedoch die Theorie. Die Unternehmen waren nicht widerstandslos gewillt, sich den harten Bedingungen der Konkurrenz zu unterwerfen. Sie versuchten Gewinnansprüche gegen die Prinzipien des Wettbewerbs durchzusetzen, durch Kartellabsprachen der preisdämpfenden Konkurrenz zu begegnen, Märkte durch Eintrittsbarrieren gegen Aussenseiter und Neulinge abzuschirmen oder die Löhne durch gleichgerichtetes Verhalten zu drücken. Man vertraute nicht länger darauf, dass sich das Konkurrenzprinzip aus eigener Kraft durchsetzen würde, dass Monopole und Kartelle den Keim des Zerfalls in sich trügen. Die neoliberale Schule fordert den aktiven Staat. Sie weist ihm die Rolle des Ordnungsgebers und des Garanten des Wettbewerbs zu. Konkurrenz stelle sich nicht von selbst ein, sie müsse vom Staat - wenn erforderlich - auch gegen den Willen der Betroffenen durchgesetzt werden. Zudem war nicht zu übersehen, dass bereits die Startgleichheit, unerlässliche Voraussetzung fairen Wettbewerbs, nicht gewährleistet war. Unverkennbar - und mit ethischen Prinzipien unvereinbar - war auch die unzureichende soziale Absicherung, die Bevorzugung der Leistungsstarken, die systematische Benachteiligung der Schwächeren.
Ordnungsrelevant ist auch die Entscheidung über Umfang und Intensität der Ablaufpolitik. Eine steigende Dosierung prozesspolitischer Instrumente drängt die Marktsignale in den Hintergrund. Fiskalpolitische Variationen beginnen dann die privaten Dispositionen zu dominieren. Das Gebot der Marktkonformität fordert, dass möglichst solche Instrumente eingesetzt werden, die den Marktmechanismus nicht angreifen. Dessen Reagibilität auf (Preis-) Informationen soll erhalten bleiben. Der Kern der Ordnungspolitik ist die Wettbewerbspolitik; ihre Aufgabe ist es, die Märkte funktionsfähig zu halten. Sie will dieses Ziel erreichen, indem sie gegen Marktmacht vorgeht, d.h. ihren Aufbau unterbindet, vorhandene Macht durch Entflechtung auflöst oder ersatzweise einer Missbrauchsaufsichtunter wirft. Die Märkte funktionsfähig zu halten, galt lange Zeit als alleinige Aufgabe der Wettbewerbspolitik. Auch heute ist die Wettbewerbspolitik unverzichtbar. Man erkennt aber mehr und mehr ihren passiven Charakter. Sie verbietet oder kontrolliert marktwidrige Initiativen, ergreift selbst aber keine marktbelebenden Aktivitäten. In diese Lücke tritt ergänzend zur Wettbewerbspolitik die Strukturpolitik. Sie kann Märkte öffnen, indem sie Handelsbarrieren senkt oder für Neulinge durch Subventionen überwindbar macht, indem sie angeschlagenen Unternehmen Hilfe zur Selbsthilfe leistet und versucht, überlebensfähige im Markt zu halten. Als ordnungsergänzend sind nicht zuletzt auch sozialpolitisch motivierte Korrekturen am marktwirtschaftlichen Verteilungsprozess zu verstehen. Sie gleichen einen als untragbar empfundenen Mangel der einseitig leistungsorientierten Marktverteilung aus, gewähren soziale Sicherheit und helfen damit, die Benachteiligten mit der Marktwirtschaft zu versöhnen.
Die Aufgabenbereiche der Ordnungspolitik sind
1. die Erstellung von Regeln zur Festlegung und Bewertung von Zielen der staatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik,
2. die Festlegung der Eigentumsverfassung (Eigentum) und der Geldordnung,
3. die Organisation des Wirtschaftsablaufs und
4. die Bestimmung des ordnungskonformen, d. h. die freie Preisbildung möglichst nicht behindernden wirtschafts- und sozialpolitischen Instrumentariums.
Teilbereich der Wirtschaftspolitik, der sich mit den Rahmenbedingungen befasst, z.B. mit der Gestaltung der Eigentumsverteilung oder den Konkurrenzbedingungen.
Auf der Basis von Entscheidungen
• zum Koordinationsmechanismus (dezentral über den Markt oder zentral verwaltet),
• zur Eigentumsordnung (privates oder gesellschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln, vgl.Art. 14 Grundgesetz),
• zum Rechtssystem (z.B. Grundsätze der staatlichen Finanzpolitik im Grundgesetz, Geldwesen, Wettbewerbsrecht zur Durchsetzung marktwirtschaftlichen Verhaltens, Tarifrecht, Steuerrecht, Bilanzierungsvorschriften oder die Regelung der betrieblichen Mitbestimmung von Arbeitnehmern),
• zur Schaffung von Institutionen (vor allem der Entscheidungsträger der Wirtschaftspolitik) und der Festlegung ihrer Befugnisse regelt die Ordnungspolitik die Beziehungen zwischen den privaten Wirtschaftssubjekten und die Aufgabenteilung zwischen Staat und privaten Wirtschaftssubjekten.
Ausgangspunkt für den Einsatz ordnungspolitischer Instrumente ist die real vorhandene Wirtschaftsordnung. Wegen der bereits von Walter Eucken (1891 - 1950) geforderten Konstanz der Wirtschaftspolitik ist für ordnungspolitische Instrumente charakteristisch, dass sie nicht häufig eingesetzt werden: Es kommt relativ selten zu völlig neuen Gesetzen (z.B. die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung 1995) oder neuen Institutionen (z.B. Eisenbahnbundesamt 1994, Regulierungsbehörde 1996). Das Augenmerk der Ordnungspolitik liegt heute vielmehr auf der Änderung bestehender Vorschriften, wobei im politischen Bereich sehr oft von „Reformen“ gesprochen wird (Steuerreform, Rentenreformm, Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, Reform der Finanzverfassung, mHochschulreform etc.).
Sie betreffen rechtliche und institutionelle Grundlagen. Ein wichtiges Instrument ist die Deregulierung. Als Instrument kommt auch die Privatisierung öffentlicher Unternehmen in Betracht, die in den letzten Jahren nicht nur in Deutschland forciert betrieben wurde.
Siehe auch Grundgesetz, Regulierung, staatliche,
Literatur: Streit, M. E., Theorie der Wirtschaftspolitik, 4. Aufl., Düsseldorf 1991.
Teichmann, Wirtschaftspolitik, 3. Aufl., München 1989.
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