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Liberalismus

Der Liberalismus basiert auf philosophischen Lehren, die die Bedeutung des Individuums und dessen Freiheit hervorheben. Sie gehen teilweise auch auf naturrechtlich geprägte Vorstellungen von der Gleichheit aller Menschen (Art. 1 Grundgesetz) zurück. Es handelt sich um eine Geisteshaltung, die in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zu einem starken individualistischen Imperativ führt. Die Folge für die staatliche Wirtschaftspolitik: Eingriffe in den Wirtschaftsprozess werden weitgehend abgelehnt, vielmehr kommt dem Staat nur die Aufgabe zu, die für den Wirtschaftsprozess erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen und auf deren Einhaltung zu achten. Ansonsten handeln die privaten Wirtschaftssubjekte frei und eigenverantwortlich.

Vgl. Art. Grundgesetz Übersicht

ist ein gesellschaftspolitisches System mit der Leitidee der geistigen, politischen und wirtschaftlichen Freiheit aller. Für die Wirtschaft bedeutet dies Vertrags-, Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit sowie Freihandel. Der Markt wird nur durch die Gesetze des Wettbewerbs gelenkt (vollständige Konkurrenz). Der Wirtschaftsliberalismus verbreitete sich im 19. Jahrhundert von England aus und führte zu einer raschen Entwicklung der Wirtschaft und zu Steigerungen des Sozialprodukts, das jedoch ungleich verteilt war. Nach dem 2. Weltkrieg wurden im Rahmen des Neoliberalismus die Gedanken des klassischen Liberalismus wieder aufgenommen. Durch Konjunkturpolitik, durch Regelung des Wettbewerbs und durch soziale Gesetzgebung versucht man, die Vorteile des Liberalismus unter Ausschaltung seiner Nachteile in der • Sozialen Marktwirtschaft zu realisieren.

In der Wirtschaftssoziologie: Bezeichnung für die Gesamtheit der Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftslehren, die den grösstmöglichen gesellschaftlichen Fortschritt, „das grösste Glück der grössten Zahl“, von der freien, nicht durch staatliche, gesellschaftliche und geistige Bevormundung gehinderten Entfaltung der Anlagen und Fähigkeiten des einzelnen erwarten. Der Liberalismus entwickelte sich im 18. und 19. Jahrhundert als die Ideologie des Bürgertums, die dessen Kampf gegen Feudalismus, Absolutismus und Klerikalismus legitimierte, und wurde insbesondere in der Unabhängigkeitserklärung (1776) und Verfassung der USA, in der französischen Revolution (1789 Erklärung der Menschenrechte) sowie in den Revolutionen von 1830 und 1848 politisch wirksam. Hauptforderungen des Liberalismus sind: Anerkennung und Schutz der individuellen Grundrechte und -freiheiten, Gleichheit vor dem Gesetz, Rechtssicherheit und Schutz vor Willkür (Rechtsstaat), freier Leistungswettbewerb statt ständischer und zünftlerischer Privilegien, Beschränkung der Staatsgewalt u.a. durch Gewaltenteilung, Teilnahme des einzelnen an der politischen Willensbildung im Staate (Demokratie). Auf wirtschaftlichem Gebiet sieht der Liberalismus im „freien Spiel der Kräfte“, d.h. in dem ungehinderten, allein durch das private Eigeninteresse der am Wirtschaftsprozess Beteiligten gesteuerten Wettbewerb die Voraussetzung für Fortschritt, allgemeinen Wohlstand und soziale Gerechtigkeit. Die Tatsache, dass dieses System in seiner Entfaltung die ökonomisch Stärkeren, insbesondere die Eigentümer der Produktionsmittel, einseitig begünstigte, während sich für grosse Teile der Lohnabhängigen die politische Freiheit und Gleichheit als lediglich formaler Anspruch erwies, der aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit und Ungleichheit nicht realisiert werden konnte, wurde zum wichtigsten Ansatzpunkt für die Entwicklung sozialistischer Ideen und Bewegungen. Neuere Versuche, die Lehren des Liberalismus an die Bedingungen der industriell entwickelten Gesellschaft anzupassen (vor allem durch Aufnahme des Gedankens, dass der Staat zum sozialen Ausgleich beizutragen hat), führten zur Entwicklung des sog. Neoliberalismus.

im weitesten Sinne jene Lehre, die die reale Chance zur Verwirklichung menschlicher Freiheit in der Gesellschaft konstatiert und darüber hinaus menschliche Freiheit für den Wert hält, der alle anderen Werte dominiert. Die Geschichte der modernen europäischen Kultur muss stets (auch) als die Geschichte des Kampfes um individuelle Freiheiten in der jeweils historisch gegebenen Konstellation angesehen werden. Am Anfang des Kampfes um individuelle Freiheiten stand die Forderung nach religiöser Toleranz, die Forderung nach Meinungs- bzw. Gedankenfreiheit. Sie begründete eine Besonderheit der holländischen Entwicklung im 17. und 18.Jh. Holland wurde zu einer Oase der Religionsfreiheit. In diesem Land mit dem ausgesprochen städtischen Charakter eines Handels- und Schifffahrtsstaates entfaltete sich dann bald unter Anwendung freiheitlicher Methoden zur Entfesselung wirtschaftlicher Kräfte eine Liberalisierung und Rationalisierung des Handels, des Geld- und Bankenverkehrs und ein landwirtschaftlicher Rationalismus, alles fundiert durch Massnahmen zur Begründung politischer Freiheit: eine frühe Beseitigung des Feudalismus, der Hörigkeit und der inneren Monopole. Freiheit des Marktes und Freiheiten im Staat wurden somit für Holland zu einer Lebenspraxis. Die Auseinandersetzung um die Freiheitsidee beginnt also mit der Forderung nach religiöser Freiheit. Ihr folgt im 17. Jh. mit dem Naturrecht die Forderung nach politischer Freiheit. Deutlich voneinander zu unterscheiden sind der politische Liberalismus und der ökonomische (besser: der wirtschaftspolitische) Liberalismus. Politischer Liberalismus bedeutet Befürwortung einer parlamentarischen Regierung, eines freien Wahlrechts sowie der Verallgemeinerung des Wahlrechts, Forderung nach Pressefreiheit, Trennung zwischen geistlicher und weltlicher Macht, Schwurgerichtsverfahren, Einschränkung der Staatsausgaben und nach einer friedlichen (wenn auch nicht notwendigerweise pazifistischen) Aussenpolitik. Im Vergleich zu Holland greift die wirtschaftliche Liberalisierung in England sehr viel später. Mit der Beseitigung der ständischen Barrieren vollzieht sich dort eine starke Industrialisierung des Landes, wobei Pionierunternehmer in völlig neuartige Beschäftigungsbereiche eindringen. Die englischen Schriftsteller sind es nun, die ihre Zeit über ausformulierte gedankliche Systeme des Liberalismus unterrichten und beeinflussen. Erst im späten 18. Jh. erhebt sich die wirtschaftspolitische Freiheitsforderung des Liberalismus (Klassik). Die Fortschrittsidee ist Basis für die Entfaltung des Liberalismus im Sinne einer Lebenshaltung. Der Glaube an Markt- und Goldmechanismen fundiert das Vertrauen auf die Chance einer freien Ordnung aller Lebens bereiche. Damit säkularisiert sich die liberale Bewegung in Richtung auf Ideensysteme, die die Werte des Geistigen und Politischen nachrangig einstufen. Harmonieglaube und Heilserwartung auf die tendenzielle Herstellung der natürlichen Ordnung des wirtschaftlichen Daseins liessen einen ökonomischen Liberalismus entstehen, der den Gedanken enthielt, das Politische, den Macht- und Gewalteinsatz entbehrlich zu machen. Man glaubte, die Gewähr menschlicher Freiheit, ihre Sicherung, der realen Ordnung der Tauschinteressen überlassen zu können. Aus der Glaubenskraft entlassen, übersah der Liberalismus seine eigenen geistigen Vorausset- zungen, wandelte sich zu einem liberalen Formalismus und suchte die Begründung der Freiheitsidee in einer Art Interessen- und Entwicklungsautomatik. Gründlich unterschätzt wurde hinfort die ordnungspolitische Notwendigkeit der verfassungsmässigen Sicherung von Grundrechten und -werten, vor allem das Erfordernis, wirtschaftliche Grundrechte vor wirtschaftlicher Übermacht zu schützen. Das Dogma von der selbsttätigen wirtschaftlichen Entwicklung zu weiterem Fortschritt enthielt oft stillschweigend die Erwartung, alle sozialen Probleme zumindest in der Zukunft gelöst zu sehen. Der geschichtliche Ablauf enthüllte die Illu- sionshaftigkeit einer Einstellung, die in einem bestimmten Wirtschaftsprogramm letzte Lebenserwartungen erfüllt wissen wollte. Unternehmenskonzentration, Verstädterung, Unpersönlichkeit und soziale Härte der Fabrikarbeit, Verlust an Bodenständigkeit konnten als Problemlagen sozialer Existenz ausgeblendet werden. Diese Version von "Liberalismus" entartete zu einer reinen Wirtschaftsideologie. Mit dem Zusammenbruch des Goldstandards und der Weltwirtschaftskrise ergaben sich - rasch von allen antiliberalen Strömungen genutzte - Anhaltspunkte, "Liberalismus" gleichzusetzen mit einer unsozialen individualistisch-kapitalistischen Ordnung, in der höhere Gesamtinteressen rücksichtslos aus egoistischer Wirtschaftssicht negiert wurden (Manchestertum). Der klassische Liberalismus meinte, wenn er von Freiheit der Wirtschaft sprach, die Freiheit des einzelnen zur Leistung. Für ihn ist nur derjenige frei, der in jeder Situation zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen kann. Die Freiheit des Ausweichens in die Alternative bzw. der bewussten Entscheidung für eine Alternative ist ein entscheidender Aspekt liberalen Denkens. Deshalb muss einem Vertragspartner das gewährt werden, was man selbst gewährleistet haben möchte. Jedem Vertragspartner ist jene Freiheit einzuräumen, die man für sich selbst begehrt bzw. vernünftigerweise begehren kann. Einem nur formal argumentierenden Liberalismus (pacta sunt servanda) muss es gleichgültig sein, ob Zwänge zum Abschluss eines Vertrages auferlegt werden können oder nicht. Eine nur an Vertragstreue gebundene, formal juristisch gesehene Freiheit lässt selbst Kartellismus als ein "echtes Kind des Liberalismus" erscheinen. Wenn "im Namen der Freiheit die Freiheit des Kollektivs, die die Freiheit des Einzelnen durch Macht erwirbt", zulässig bleibt, folgt auf die Automatismusvergötzung die Vergötzung der Wirtschaftsmacht (Adolf Lampe). Wirtschaftsfreiheit kann nicht nur formal gesichert werden; diesen Grundsatz, der für den Neoliberalismus konstitutiv wird, hatte die Laissez faire- Variante des Liberalismus bezüglich der Gestaltung der wirtschaftlichen Freiheit übersehen. Literatur: Boelcke, W. A., Liberalismus, in: HdWW, Bd. 5, Stuttgart, New York 1980, S. 32 ff. Müller-Armack, A., Religion und Wirtschaft, Stuttgart 1959. Rüstow, A., Das Versagen des Wirtschaftsliberalismus, 2. Aufl., Bad Godesberg 1950.

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