gesetzliche, nach dem Umlageverfahren finanzierte (Zwangs-)Versicherung zur Absicherung bzw. Verringerung der materiellen Risiken der Pflegebedürftigkeit. Der Einführung zum 1.1. 1995 ging ein zähes politisches Ringen hinsichtlich des Leistungsniveaus und insbesondere der Kompensation des Arbeitgeberanteils voraus.
Betroffene: Mitglieder (auch freiwillige) der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), ihre nichtberufstätigen Ehepartner und Kinder in der sozialen Pflegeversicherung, privat Versicherte und Beamte in einer privaten Pflegeversicherung. Der Grad der Pflegebedürftigkeit wird durch drei Pflegestufen bestimmt, die jeweils unterschiedliche Leistungen nach sich ziehen.
Die Leistungen für häusliche Pflegekräfte in der Pflegestufe I ge- hen bis zu 384 Euro, für Schwerbedürftige (Pflegestufe II) bis zu 921 Euro und für Schwerstpflegebedürftige (Pflegestufe III) bis zu 1432 Euro, wobei in besonderen Härtefällen bis zu 1918 Euro gezahlt werden können. Häusliche Pflegekräfte sind in die Renten- und Unfallversicherung einbezogen.
Bei stationärer Pflege werden Pflegekosten von durchschnittlich 1279 Euro im Monat (maximal 1432 Euro; für besondere Härtefälle bis zu 1688 Euro) erstattet. Kosten für Unterkunft und Verpflegung trägt der Versicherte. (Stand Ende 2000) Finanzierung: Beitragssatz 1,7 % (2000) des monatlichen Bruttoeinkommens höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze der GKV. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen je die Hälfte. Finanzielle Entlastung der Arbeitgeber: Streichung eines Feiertages durch die Länder. Streicht ein Land keinen Feiertag, müssen die Arbeitnehmer den Betrag voll übernehmen. Sozialversicherung
Sozialversicherung
In der Gesundheitswirtschaft:
Zur Absicherung des Pflegerisikos wurde zum 1. Januar 1995 mit dem Sozialgesetzbuch XI die gesetzliche Pflegeversicherung (GPV) als jüngster Zweig der Sozialversicherung eingeführt. Nach dem Grundsatz „Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung“ wurde für GKV-Mitglieder die soziale Pflegeversicherung (SPV) und für PKV-Vollversicherte und Beamte die private Pflegepflichtversicherung (PPV) geschaffen. In der SPV sind danach grundsätzlich alle GKV-Mitglieder versichert. In der PPV sind neben allen privat Krankenversicherten auch eine relativ geringe Anzahl freiwillig in der GKV versicherte Personen erfasst, die sich von der SPV befreien ließen und für den privaten Pflegeversicherungsschutz optiert haben. Versichert sind in der PPV außerdem – auf Grund einer mit der gesamten privaten Krankenversicherung vereinbarten Mitversicherungsgemeinschaft – die Mitglieder der Postbeamtenkrankenkasse und der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten.
Die Pflegeversicherung war von Anfang an nicht als Vollversicherung konzipiert, die die gesamten Kosten einer benötigten Pflege abdecken sollte. Vielmehr sollten die Zahlungen der Standardeckrente und die Leistungen der Pflegeversicherung zusammen ausreichen, um zu verhindern, dass der Pflegebedürftige zum Sozialhilfeempfänger wird.
Die SPV-Beiträge werden wie die GKV-Beiträge in Abhängigkeit vom Arbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze berechnet und paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen. Der Beitragssatz betrug bei der Einführung 1995 zunächst 0,7 Prozent. Zum 01.01.1996 – dem Beginn des Anspruchs auf stationäre Pflege – wurde der Beitragssatz dann auf 1,7 Prozent erhöht. Zur Kompensation der zusätzlichen Erhebung des Arbeitgeberanteils der Pflegeversicherung wurde seinerzeit in allen Ländern bis auf Sachsen der Buß- und Bettag als Feiertag gestrichen. In Sachsen beträgt der Arbeitgeberanteil wegen des nicht gestrichenen Feiertages nur 0,35 Prozent.
Zum 1. Januar 2005 hat die Regierungskoalition die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes umgesetzt, SPV-Mitglieder mit Kindern beitragsmäßig besser als kinderlose Mitglieder zu stellen. Kinderlose SPV-Mitglieder, die über 23 Jahre alt sind und nach dem 31.12.1939 geboren worden sind, müssen einen Sonderbeitrag in Höhe von 0,25 Prozent ihrer beitragspflichtigen Einnahmen zahlen. Arbeitgeber müssen sich daran nicht beteiligen. Die Mehreinnahmen werden auf 700 Millionen Euro pro Jahr geschätzt.
Der Beitrag in der privaten Pflegeversicherung wird – im Gegensatz zur SPV – grundsätzlich nach dem Kapitaldeckungsverfahren (siehe Kapitaldeckung) kalkuliert, auch wenn für die Kappungen der Beiträge auf den Höchstbeitrag der SPV und die beitragsfreie Versicherung von Kindern Umlagekomponenten eingeführt worden sind. Die Beitragsberechnung erfolgt geschlechtsneutral nach dem Risikoäquivalenzprinzip. Durch die bereits genannten Beitragskappungen werden Härten vermieden.
Da die Leistungspflicht für ambulante Pflege erst zum 1.4.1995 und für stationäre Pflege erst zum 1.1.1996, die Beitragspflicht aber bereits zum 1.1.1995 bestand, konnte in der ansonsten umlagefinanzierten SPV eine Rücklage angespart werden. Sie erreichte 1998 mit 4,99 Mrd. Euro ihren höchsten Stand. Seit 1999 sind die Ausgaben der SPV höher als die Einnahmen. Ende 2004 betrug die Rücklage der SPV nach Angaben des BMGS 3,4 Mrd. EUR, was etwa 2,3 Monatsausgaben entspricht.
Die PPV ist prinzipiell kapitalgedeckt, das heißt, dass in der PPV Alterungsrückstellungen gebildet werden. Jedoch werden in der PPV zeitlich begrenzt über eine Umlage zu Lasten jüngerer Versicherter Alterungsrückstellungen für ältere Jahrgänge nachfinanziert. Nach dem „Dritten Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung“, den das BMGS im Dezember 2004 vorgelegt hat, wurden in der PPV seit Beginn der Pflegeversicherung 1995 insgesamt rund 12,3 Mrd. Euro an Rückstellungen angesammelt (Abb. 1, Tab. 1).
Zahl der Versicherten in der gesetzlichen Pflegeversicherung:
Soziale Pflegeversicherung
rd. 70,36 Millionen (Stand: 01.04.2004)
Private Pflege-Pflichtversicherung
rd. 8,92 Millionen (Stand: 31.12.2003)
Abb. 1: Zahlen und Fakten zu Versicherten und Leistungsenmpfängern der Pflegeversicherung
Quelle: 3. Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung; BMGS, Dezember 2004
Tab. 1: Leistungen der Gesetzlichen Pflegeversicherung im Überblick
Quelle: BMGS
Pflegestufe des
Pflegebedürftigen
I
erheblich
II
schwer
III
schwerst
III
in besonderen Härtefällen
Häusliche Pflege:
Pflegesachleistungen bis € monatlich
384
921
1.432
1.918
Pflegegeld € monatlich
205
410
665
Pflegevertretung:
– durch nahe Angehörige
2051
4101
6651
– durch sonstige Personen
Aufwendungen bis zu 4 Wochen im Kalenderjahr in €
1.432
1.432
1.432
Kurzzeitpflege:
Aufwendungen bis € im Jahr
1.432
1.432
1.432
Teilstationäre Tages- und Nachtpflege:
Aufwendungen bis € im Jahr
384
921
1.432
Ergänzende Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allg. Betreuungsbedarf:
Leistungsbetrag bis € jährlich
460
460
460
Vollstationäre Pflege:
Aufwendungen bis monatlich € (pauschal)
1.023
1.279
1.432
1.688
Pflege in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe:
Aufwendungen in Höhe von:
10 % des Heimentgeltes,
höchstens 256 € monatlich
1
Auf Nachweis werden den ehrenamtlichen Pflegepersonen notwendige Aufwendungen (Verdienstausfall, Fahrtkosten usw.) bis zum Gesamtbetrag von 1.432 € erstattet.
Die Wartezeiten und Leistungen in der SPV und PPV sind grundsätzlich gleich. Sachleistungen in der SPV werden in der PPV allerdings grundsätzlich auf dem Wege der Kostenerstattung gewährt.
Die Leistungen der Pflegeversicherung sind seit ihrer Einführung nicht dynamisiert worden. Daher unterliegen diese Leistungen einer schleichenden Entwertung. Reformbedarf in der Sozialen Pflegeversicherung gibt es allerdings nicht nur in der Frage der Leistungsdynamisierung und der Finanzierung. Vielmehr gibt es eine bereits länger anhaltende Diskussion über pflegefachliche wie medizinische Reformerfordernisse, über die eindeutige Abgrenzung oder bessere Abstimmung der Pflegeleistungen mit Leistungen anderer sozialer Sicherungssysteme wie z. B. der Rehabilitation sowie um eine Stärkung der Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen. Einigkeit besteht dabei vor allem über eine Reform der ungenügenden Versicherungsleistungen für Demenzkranke.
Aktuell wird über eine grundlegende Reform der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Pflegeversicherung diskutiert. Dabei stehen sich insbesondere zwei Modelle gegenüber: Das eine Modell sieht die Einführung einer Bürgerversicherung in der Pflege vor. Danach würden alle diejenigen, die sich bisher in der Privaten Pflegeversicherung versichern konnten, in die Soziale Pflegeversicherung übernommen. Außerdem soll in diesem Modell die Einkommensbasis für die Beitragsbemessung auf weitere Einkommensarten ausgedehnt werden, insbesondere auf Kapitaleinkommen.
Das zweite Modell sieht die – schrittweise – Einführung einer Kapitaldeckung für die gesamte Gesetzliche Pflegeversicherung sowie die Abkoppelung der Beitragsbemessung vom Lohn vor. Mit der Kapitaldeckung würde ein wesentliches Element der PPV für die gesamte GPV übernommen werden.
Sowohl im Bereich der ambulanten Pflege, die meist von den Familienangehörigen erbracht wird, als auch bei der stationären Pflege, ergibt sich heute ein akuter Handlungsbedarf (Pflegenotstand). Die Familien sind finanziell und auch psychisch und physisch erheblich belastet, wenn sie Pflegeleistungen erbringen, die stationäre Pflege belastet im grossen Umfang die -Sozialhilfe. Bei einem durchschnittlichen Rentenniveau von 1.600 DM bis 1.700 DM und den Kosten in einem Pflegeheim, die heute schon zwischen 3.000 und 4.000 DM liegen, klafft eine Lücke, die von der Sozialhilfe geschlossen werden muss, wenn nicht Unterhaltsverpflichtete diese Kosten übernehmen können. Das bedeutet, dass immer mehr alte Menschen mit durchschnittlichen Verdiensten im Alter, wenn sie ein Pflegefall werden, zum Sozialhilfeempfänger werden. Diese von vielen als Degradierung empfundene Situation soll durch die Einführung einer Pflegeversicherung gesteuert werden. Es werden zwei Modelle diskutiert: · Nach dem ersten Modell soll das Pflegerisiko durch eine privat abzuschliessende Pflegeversicherung abgedeckt werden. Dieses Modell orientiert sich an dem Modell privater Krankenversicherung; entsprechend müssten die Beiträge nach dem versicherungstechnischen Äquivalenzprinzip kalkuliert werden. Die Beitragshöhe wäre demnach risikoabhängig. Der Abschluss einer solchen privaten Pflegeversicherung kann entweder durch die Einführung eines Versicherungszwanges (Vorschlag des Landes Baden-Württemberg) oder durch ein steuerliches Anreizsystem (FDP-Vorschlag) erreicht werden. · Nach dem zweiten Modell (das vom Bundesarbeitsminister, Teilen der CDU und der SPD befürwortet wird) soll das Pflegerisiko gemäss einer sozialversicherungsrechtlichen Regelung abgedeckt werden. Dabei könnte entweder ein eigener Sozialversicherungszweig Pflegeversicherung gebildet werden, oder aber das Pflegerisiko wird im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung abgedeckt. Bei dieser Lösung müsste über eine Gestaltung des Krankenversicherungsbeitrages das Beitragsaufkommen erhöht werden, um die neue Versicherungsleistung zu finanzieren. Allerdings würden bei diesem Lösungsvorschlag alle nicht gesetzlich Krankenversicherten keine Absicherung ihres Pflegerisikos erhalten (z. B. Beamte). Entweder müsste dann dieser Personenkreis eine eigenständige Pflegeversicherung erhalten, oder sie wären gezwungen, sich privat gegen das Pflegerisiko abzusichern. Neben diesen Abgrenzungsproblemen des versicherten Personenkreises ist auch der Mobilisierungseffekt (die Verlagerung der zu Hause versorgten Pflegebedürftigen in die stationäre Pflege) und die damit verbundene Vergrösserung der zu versorgen-. den Pflegefälle in den Pflegeheimen noch nicht ausreichend diskutiert und in den Vorschlägen berücksichtigt.
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