Hypothesenrahmen für die Erklärung der Höhe und der Entwicklung des Lohnes, insb. des Lohnsatzes je Arbeitsstunde, aber auch der Lohnsumme und der Lohnstruktur. Die Annahmen in den unterschiedlichen lohntheoretischen Ansätzen spiegeln stets die als wichtig angesehenen sozialen, institutionellen und ordnungspolitischen Gegebenheiten wider. Das Vertrauen auf das freie Spiel der Marktkräfte weist bei der älteren klassischen Schule (David Ricardo) dem Lohn die Funktion des Ausgleiches zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage auf dem Arbeitsmarkt zu. Die Lohnhöhe bestimmt sich längerfristig nach den Kosten für die Erhaltung der Arbeitskraft und der arbeitenden Bevölkerung. Das Existenzminimum gibt damit als Untergrenze den "natürlichen Preis" der Arbeit an. Um diesen Preis kann zwar der Marktpreis schwanken, jedoch führen die durch die unterschiedliche Lohnsituation ausgelösten Bevölkerungsbewegungen zu einer entsprechenden Änderung des Arbeitsangebots und bewirken damit eine Bindung des Lohnes an die genannte Untergrenze (ehernes Lohngesetz). In etwas anderer Argumentation gelangt die Lohnfondstheorie (John Stuart Mill) zu einem ähnlichen Ergebnis. Die klassische Lohntheorie stiess im Laufe der Zeit auf vielfältige Kritik. Besonders scharf abgelehnt wurden die Annahmen und die Folgerungen von seiten der Sozialisten. Zu anderen Ergebnissen gelangte die Grenzproduktivitätstheorie. Sie leitete ausgehend von Vollbeschäftigung und vollständigem Wettbewerb sowie dem Gewinnmaximierungsverhalten der Unternehmer die Nachfrage nach Arbeit aus den Produktionsbedingungen der Unternehmer her (abnehmender Grenzertrag des Faktors Arbeit führt zu einer inversen Abhängigkeit der Arbeitsnachfrage vom Lohnsatz). Bei gegebenem Arbeitsangebot, das von den individuellen Nutzenabwägungen hinsichtlich der Konsummöglichkeiten einerseits, vermehrter Freizeit andererseits bestimmt wird, ergeben sich der Arbeitsmarktausgleich sowie der Gleichgewichtslohn aufgrund des freien Spiels der Marktkräfte. Vollbeschäftigung ist hier in dem Sinne gewährleistet, dass jeder, der zum herrschenden Lohnsatz seine Arbeitskraft anbieten will, auch Arbeit findet. Über die Lohnhöhe selbst lässt sich zunächst nur feststellen, dass sich der Lohnsatz in Höhe des Grenzprodukts der Arbeit einstellt. Für die Bildung der Effektivlöhne, die aufgrund individueller Arbeitsverträge u.U. stark von den Tariflöhnen ab weichen, kann man die skizzierten ökonomischen Zusammenhänge vielfach zur Erklärung heranziehen. In mikroökonomisch orientierten Weiterentwicklungen der Grenzproduktivitätstheorie wird der Einfluss unvollständiger Information, unterschiedlicher Risikoneigung und Ausbildungsinvestitionen auf Lohnniveau, -Struktur und -flexibilität berücksichtigt. In makroökonomischer Sicht greift die neoklassische Wachstumstheorie die Grenzprodukti- vitätsorientierung auf und leitet die Lohnentwicklung aus den Angebotsbedingungen und den Prozesseigenschaften des Wachstumsgleichgewichtes ab. Eine derartige Marktbestimmtheit des Lohnes lehnt die Segmentationstheorie ab (Effizienzlohn, Insider-Outsider-Theorie), bei der die institutionellen Bedingungen, vor allem Hierarchien und Mobilitätsbarrieren, die Marktkräfte relativieren. Da auf den Arbeitsmärkten infolge natürlicher Konstellationen und/oder infolge von Zusammenschlüssen Monopolstellungen zu beobachten sind, hat man bereits zeitig versucht, die Ergebnisse der Monopoltheorie auf die Lohnbildung anzuwenden. Dabei rückte insb. auch die Theorie des bilateralen Monopols in den Vordergrund, bei der die Lohnhöhe nur innerhalb relativ weiter Grenzen ökonomisch bestimmt werden kann und das konkrete Ergebnis aus Verhandlungen, der relativen Machtstellung und dem taktischen Geschick der Arbeitsmarktparteien resultiert. Für die Beantwortung der Frage nach den Determinanten der Lohnbildung im Fall der Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden wurden die Ansätze der Bargaining-Theorie entwickelt. Die Frage, ob "Macht oder ökonomisches Gesetz" (Eugen v. Böhm-Bawerk) dominierenden Einfluss auf das Lohnergebnis habe, muss vom Blickwinkel der gegenseitigen Interdependenz von Marktsituation und Verhandlungsstärke aus gesehen werden. Stets sind die Entwicklung der Effektivlöhne (als Markiergebnis) und diejenige der Tariflöhne (als "Macht"ergebnis) miteinander verknüpft, weil die in dem einen Bereich realisierten Ergebnisse jeweils die Abläufe und Ergebnisse in dem anderen beeinflussen; darüber hinaus haben beide Bereiche eine Anzahl gemeinsamer Bestimmungsgründe. Deshalb ist für eine realitätsnahe Lohntheorie zu fordern, dass anstelle der isolierten Analyse immer auf die Verknüpfungen der marktlichen und der ver- bandlichen Wirkungszusammenhänge geachtet wird. Je nach wirtschaftlicher (und politischer) Situation müssen dann eventuelle Gewichtsverschiebungen in den Einflussfaktoren zusätzlich in Rechnung gestellt werden. In der jüngeren Zeit wird durch Rezeption von Gedanken der Neuen Politischen Ökonomie versucht, politische Determinanten der Lohnentwicklung aus der parteilich-ideologischen Konstellation von Gewerkschaften und Regierung sowie aus der Rücksichtnahme auf den Wahlzyklus abzuleiten. Empirische Untersuchungen zeigen, dass derartige Tatbestände als zusätzliche Bestimmungsgründe neben die bereits skizzierten Determinanten treten und einen eigenständigen Erklärungsbeitrag für die Lohnentwicklung bieten können. Für die Kalküle der Nachfrager und der Anbieter von Arbeitskraft ist stets (auch) die Relation von Lohnhöhe zu Preisniveau, d.h. der Reallohn relevant. Neben der eigenständigen Bildung der Nominallöhne ist somit auch die Bestimmung des Preisniveaus näher zu untersuchen. Damit sind theoretische Aussagen über den Reallohn unter modernen Bedingungen nur auf der Basis eines komplexen volkswirtschaftlichen Gesamtmodells möglich. Literatur: Bartmann, H., Verteilungstheorie, München 1981. Külp, B., Lohntheorie, in: HdWW, Bd. 5, Stuttgart u.a. 1980, S. 73ff. Rothschild, K. W, Lohntheorie, Berlin, Frankfurt a.M. 1963.
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