(AID) auf der Varianzanalyse beruhendes und v.a. für Zwecke der Marktsegmentierung eingesetztes Verfahren der Multivariaten- analyse zur deglomerativen Zerlegung (Segmentierung) von Gesamtheiten nach Maßgabe der bedeutsamsten Merkmale. In der Marktforschung werden üblicherweise einzelne soziodemographische Variablen zur Erklärung von Einstellungs- oder Verhaltensdiskrepanzen herangezogen. Die Selektion der interessierenden Variablen erfolgt zumeist vor dem Hintergrund impliziter Hypothesen über den Zusammenhang etwa von Kaufentscheidungen und Deskriptoren von Konsumenten. Bisweilen reicht die statistische Erklärungskraft einzelner Indikatoren hierzu nicht aus, weil einzelne Prädiktoren im Verbund mit anderen kompensatorisch wirken können. Damit ist das prinzipielle Problem von statistischen Menr-Variablen-Modellen angesprochen. Der regressionsanalytische Ansatz gibt Auskunft über Einflußstärke und -richtung etwa aller verfügbaren soziodemo- graphischen Merkmale (multiple simultane Regression) bzw. derjenigen Merkmale, die einen (zusätzlichen) Beitrag zur „Erklärung“ (signifikante F-Werte) des in Frage stehenden Kriteriums leisten (multiple iterative Regression). Die lineare Regressionsmethode weist zwei gravierende Nachteile auf. Erstens wird ein lineares Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kriterium und den Prädiktoren unterstellt. Dies führt bei nichtlinearen Abhängigkeiten dazu, dass dem Prädiktor keine oder nur eine zu geringe Erklärungskraft zugewiesen wird. Zweitens werden - wie beim multiplen Korrelationskoeffizienten - nur saldierte Wirkungen berücksichtigt, wodurch namentlich in der Einstellungsforschung bedeutsame Wechselwirkungen verschleiert werden können, wenn ein Prädiktor einmal positiv und einmal negativ mit dem Kriterium kovariiert. Ein weiterer wesentlicher Nachteil dieser Methode ist darin zu sehen, dass sowohl das Kriterium als auch die Prädiktoren zumindest intervallskaliert sein sollten. Allerdings besteht die Möglichkeit, ordinalskalierte Prädiktoren in mehrere di- chotome Kunstvariablen (Dummies) aufzuspalten, wobei man jedoch einen durch die Verringerung des Skalenniveaus bewirkten Informationsverlust in Kauf nehmen muß. Da die Regressionsanalyse nur bei genügend hohem Erklärungsgrad für die Varianz des Kriteriums geeignet ist, aufgrund von beobachtbaren situativen Merkmalen aussagekräftige Prognosen etwa über eine positive oder negative Einstellung von Verbrauchern gegenüber einem Produkt oder einem sonstigen Meinungsgegenstand zu erstellen, erscheint diese Analysemethode für Fragestellungen, die von einer Vielzahl von Verbrauchervariablen beeinflußt sein können, wenig geeignet. Als Alternative zur hypothesengesteuerten Segmentierung von Stichproben bietet sich die „Rückwärtssegmentierung“ an. Der zentrale Gedanke dieser eher als theoriebildend zu bezeichnenden heuristischen Vorgehensweise besteht darin, dass im Hinblick auf die Ausprägung etwa von Einstellungswerten gegenüber einem Meinungsgegenstand homogene Gruppen auf ihre sozialstatistischen Deskriptoren hin untersucht werden. Diese Methode führte jedoch zu Deskriptorenlisten, deren Elemente unverbunden nebeneinanderstünden. Zur Lösung dieses Problems eignet sich ein von Sonquist, Baker & Morgan (1973) entwickeltes Verfahren namens Automatic In- teraction Detector (AID). Wie der Name andeutet, besteht das Ziel dieses auf der Zerlegung der Varianz der abhängigen Variablen basierenden Verfahrens darin, Interaktionen zwischen den Prädiktoren aufzudecken bzw. diese für die Erklärung der Varianz der abhängigen Variablen zu nutzen. Während die zu erklärende Variable zumindest Intervallskalenniveau besitzen muß, können die Prädiktoren ein beliebiges Skalenniveau aufweisen, da letztere lediglich zu Gruppierungszwecken herangezogen werden. Die Essenz dieses Verfahrens besteht darin, dass, ausgehend vom Gesamtsample, jede mögliche Gruppierungfür alle unabhängigen Variablen auf ihr Ausmaß an Varianzreduktion bei der abhängigen Variablen hin überprüft wird. Dabei werden immer nur zwei Gruppen für jeden Prädiktor gebildet. In die Deskriptorenliste wird jeweils jener Prädiktor aufgenommen, der den größten Anteil an noch verbliebener Varianz zu erklären vermag. Die aufgrund dieses Entscheidungskriteriums gebildeten, nicht überlappenden zwei Kontrastgruppen sind, nunmehr jede für sich, Ausgangspunkt für den nächsten Teilungsschritt, der dann zu vier Gruppen führt, die ihrerseits wiederum in acht Gruppen aufgespalten werden usw.
Formelmäßig stellt sich die Splitentscheidung wie folgt dar:
ZGVj = Zwischengruppenvarianz des Prädiktors j
IGVji = Innergruppenvarianz der Gruppierungskonstellation 1 für den Prädiktor j
IGVj2 = Innergruppenvarianz der Gruppierungskonstellation 2 für den Prädiktor;
GV = gesamte Varianz des Kriteriums
Diese mehrstufigen Teilungen führen zu einem baumförmigen Gebilde von Kontrastgruppen, weshalb die AID-Methode auch als “Tree-Analysis“ bezeichnet wird. Sie gilt als beendet, wenn - die durch einen weiteren Split zusätzlich erklärte Varianz einen vorgegebenen Prozentsatz unterschreitet, oder - eine oder beide der zu bildenden Untergruppen eine vorgegebene Minimalgröße unterschreiten, oder - sämtliche Merkmalsausprägungen bei der Definition von Untergruppen bereits verwandtwurden. Die beiden erstgenannten Abbruchkriterien sind nicht unproblematisch. Wird die geforderte Varianzerklärung hoch angesetzt, so besteht die Gefahr eines frühen Abbruchs des Algorithmus, der nach Überwindung eines lokalen Minimums durchaus noch zur Erklärung beträchtlicher Varianzanteile führen könnte. Kleine Gruppen hingegen bergen die Gefahr in sich, dass ein „Ausreißer“ u. U. den Mittelwert des Kriteriums für diese Gruppe verzerrt. Da für die AID-Methode kein Signifikanztest der Ergebnisse existiert, müßte eine Güteprüfung im Hinblick auf die Stabilität bzw. Zufälligkeit der Befunde mit Hilfe der Split- half-Methode erfolgen: Eine Hälfte des Sample wird dem Algorithmus unterzogen, und für die andere Hälfte wird die ermittelte Prä- diktorenkonstellation zur Berechnung des jeweiligen numerischen Werts des Kriteriums herangezogen. Mit Hilfe von T-Tests können die Mittelwerte der ersten Hälfte der Stichprobe mit denjenigen der zweiten Hälfte des Sample überprüft werden. Aufgrund der immer stärkeren Aufteilung des Sample werden die Gruppen auf den nachgeordneten Ebenen des Analysebaums rasch sehr klein, so dass diese Methode große Stichproben voraussetzt. Wird von Sonquist et al. eine Größe der Analyseeinheit von 10 Probanden gefordert, so erhöht sich angesichts der geschilderten Split-half-Methode die insgesamt als notwendig erachtete Stichprobengröße auf 2. 000, um relativ gesicherte Aussagen über den Effekt des Zusammenwirkens von unabhängigen Variablen auf das Kriterium machen zu können. Die sukzessive Analysetechnik und die Möglichkeit, identische bzw. ähnliche Ausprägungen von Kriterien auf unterschiedliche objektive Hintergründe zu projizieren, verleihen der AID-Methode hohe Problemadäquanz. Dennoch fand sie in der Marktforschung bislang wenig Anwendung, vermutlich deshalb, weil - der Anspruch an die Stichprobengröße sehr hoch ist und - es sich um ein heuristisches Verfahren handelt, das das Vorgehen eines hypothesenlosen Forschers nachahmt, der sämtliche Datenkonstellationen auf einen Effekt auf die interessierende Variable hm abprüft. Darüber hinaus erfordert die Methode vom Anwender erhebliche Datenaufbereitungsarbeiten, insb. dann, wenn die Prädiktoren in Dummies auf gespalten werden müssen. Aufgrund der für das Programm und die Daten erforderlichen Kernspeicherkapazität dürfte nach wie vor der Einsatz der AID-Methode auf Großrechenanlagen beschränkt sein, denn der Algorithmus erfordert, dass ständig sämtliche Daten aller Befragten, die für die erste bzw. alle weiteren Gruppenbildungen in Frage kommen, speicherresident sind und für Splitentscheidungen sämtliche Zwischenergebnisse aller möglichen Deskriptorenkombinationenvorliegen.
Siehe auchAID-Technik
Literatur: Finck, G., Versorgungszufriedenheit. Ein Beitrag zur empfängerorientierten Versor- ungsforschung, Berlin 1990. Sonquist,]. A.; Baer, ; Morgan,]. N., Searching for Structure, Ann Arbor 1973.
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