Zuteilungsnorm der Einkommensverteilungspolitik, nach der jede Wirtschaftseinheit derart entlohnt werden soll, dass ihr Einkommen mit der individuellen Leistung übereinstimmt, die die Wirtschaftseinheit zur Sozialprodukterstellung beiträgt. Dieses Verteilungsprinzip wird als distributive Gerechtigkeit verstanden, solange gleichwertige Leistungen gleich — keine Lohndifferenzierung zwischen den Geschlechtern und Rassen - und ungleiche Leistungen nach ihrer Verhältnismässigkeit entgolten werden. Dem Leistungsprinzip entspricht die Entlohnung nach den Grundsätzen der Grenz- produktivitätstheorie. Die leistungsgerechte Einkommenszuteilung muss mithin über die Märkte der Produktionsfaktoren ohne staatliche Eingriffe erfolgen. Allerdings setzt die volle Verwirklichung des Leistungsprinzips vollständige Konkurrenz auf allen Märkten voraus. Aufgabe der Verteilungspolitik ist es deshalb, diese idealen Rahmenbedingungen soweit wie möglich herzustellen und zu sichern. Von dieser Verteilungsnorm gehen zugleich Anreize auf die privaten Wirtschaftseinheiten aus, möglichst hohe Berufsqualifikation zu erwerben und berufliche Leistungen zu erbringen. Ausreichende Einkommensdifferenzierungen tragen auf diese Weise zur Steigerung der Produktivität des Arbeitsvermöduktes bei, also zu der Gütermenge, die überhaupt verteilt werden kann. Die Einhaltung des Leistungsprinzips wird vom Liberalismus gefordert, weil es die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen am ehesten garantiert und zugleich zum optimalen Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit führt. Aber auch andere wirtschaftspolitische Leitbilder (freiheitlicher Sozialismus, katholische Soziallehre) können nicht ganz auf den ökonomischen Ansporn und damit auf eine leistungsorientierte Einkommensdifferenzierung verzichten. Andererseits ist eine nur an dieser Norm ausgerichtete Verteilung nicht denkbar, weil sie auf die Unterschiede der Menschen in ihren objektiven wirtschaftlichen Leistungsfähigkeiten keine Rücksicht nimmt und deshalb den Anspruch auf ein menschenwürdiges Dasein verletzen kann. Komponenten des Bedarfsprinzips müssen hinzutreten. Das Leistungsprinzip steht in zweifacher Hinsicht im Mittelpunkt einer kritischen Diskussion: Einerseits wird beklagt, dass unsere Leistungsgesellschaft unangemessene oder inhumane Strukturen und Verhaltensweisen fördere; andererseits wird betont, dass gegenwärtig angesichts des Wertewandels ein allgemeiner Leistungsverfall mit abnehmender Arbeitsmotivation einsetze. Soziologen stellen überdies den behaupteten Funktionszusammenhang von Leistungsinitiative, Leistungsnorm, gesellschaftlicher Produktivität und legitimierten Privilegien in Frage, indem sie auf Verteilungsfehler im Hinblick auf leistungsbezogene Schädigungen hinweisen. Psychologen betonen die Schwierigkeiten der einwandfreien Leistungsbeurteilung und Erfolgsmessung angesichts komplexer Arbeitsstrukturen. Literatur: Offe, C., Leistungsprinzip und industrielle Arbeit, Frankfurt a.M. 1975. Werner, Verteilungspolitik, Stuttgart 1979.
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