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Psychophysik

Gebiet der Psychologie, dessen Gegenstand die Beziehungen zwischen der Intensität physischer Reize (Ton, Druck etc.) und der Intensität der Empfindung sind. Zu den Ergebnissen der Psychophysik gehören das Webersche und das Fechnersche Gesetz, die auf Bemühungen, Schwellenwerte in der Unterscheidung von Reizintensitäten zu bestimmen, zurückgehen.

Die Psychophysik ist ein Teilgebiet der experimentellen Wahr­nehmungspsychologie (Wahrnehmung). Der Begriff weist bereits auf die Grundaufga­be dieses Forschungsgebietes hin: Psycho­physik setzt sich aus „Physik“ und „Psycho­logie“ zusammen und untersucht i. e. S. funktionelle Beziehungen zwischen Physi­schem und Psychischem, bspw. zwischen der physikalischen Intensität eines Tones und seiner empfundenen Lautstärke. Im wei­teren Sinne werden in der Psychophysik auch komplexere Vorgänge der Wahrneh­mung untersucht, z.B. Urteile, Produktprä­ferenzen, Einstellungen u. a. m.

Die Psychophysik leistet v.a. Beiträge zum Problem der psychologischen Messung, trägt aber auch zur Entwicklung von psychologischen Verhaltensmodellen bei (Käuferverhalten). Für das Marketing sind die Untersuchungen zur Quantifizie­rung (Skalierung) psychologischer Größen wichtig. Psychophysik ist aber auch zur Er­klärung ökonomischen Verhaltens herange­zogen worden, bspw. wurden Geschmacks­veränderungen psychophysisch erklärt, die Preiswahrnehmung untersucht und psy­chophysisch verankerte Kostenfunktionen entwickelt. Die meisten psychophysischen Erklärungen im ökonomischen Bereich sind aber problematisch, weil die psychophysi­schen Gesetze hier auf Variablen bezogen werden, für die sie nicht ohne weiteres gültig sind. Dies soll näher erläutert werden. Die Anfänge der Psychophysik gehen auf Bemühungen von Fechner zurück, Wahr­nehmungsunterschiede zu messen. Aus Erfahrung ist bekannt, dass die Wahr­nehmbarkeit von Reizunterschieden vom Ausgangsreiz abhängt. Wenn es z.B. darauf ankommt, zwei Gewichte eben merklich zu unterscheiden, müssen zwei etwa 1 kg schwere Gewichte - in absoluten Werten be­trachtet - einen größeren Gewichtsunter­schied aufweisen als zwei etwa 10g schwere Gewichte. Empirische Untersuchungen zei­gen, dass der eben merkliche Unterschied zwischen zwei Reizen in einem annähernd konstanten Verhältnis zur Größe des Be­zugsreizes steht.

Fechner hat diesen Zusammenhang „ Weber- sches Gesetz “ genannt. Damit wird jedoch ei­ne Präzision und Allgemeinheit ausgedrückt, die nicht gegeben ist. Gute Ergebnisse sind nur mit physikalischen Reizen erzielt wor­den (Gewichte, Helligkeit, Lautstärke usw.). Aber auch hierfür ist das Webersche Gesetz nur für mittlere Reizintensitäten ausreichend genau. Auch die Übertragung auf ökonomische Zu­sammenhänge ist problematisch. Beispiels­weise ist einerseits eine Beziehung zwischen dem Weberschen Gesetz und der Wahrneh­mung von Preisgünstigkeit feststellbar: Wie beim Weberschen Gesetz kommt es nicht so sehr auf die absoluten Preisunterschiede an, sondern auf die relativen. Andererseits muss auf deutliche inhaltliche Abweichungen hin­gewiesen werden: Beim Weberschen Gesetz geht es um eben merkliche Reizdifferenzen. Diese Wahrnehmungsschwelle gibt es bei der Preis wahrnehmung nicht. Auch kleine Preis­differenzen sind gut wahrnehmbar (Preis­wahrnehmung). Außerdem hängt die Preis­günstigkeit von Faktoren ab, die im Weberschen Gesetz nicht berücksichtigt werden, z.B. von der subjektiven Produkt­bedeutung und zahlreichen situativen Ein­flüssen. Diese Einschränkungen gelten auch für Ab­leitungen aus dem Weberschen Gesetz, z. B. für die von Fechner abgeleitete logarithmi- sche Beziehung (“Weber-Fechnersches Ge­setz“) zwischen Reiz (z.B. Lichtintensität) und Empfindung (Helligkeit). Die empiri­sche Überprüfung dieses Zusammenhanges ergab befriedigende Ergebnisse. Stevens hat mit genaueren Meßmethoden aber gezeigt, dass die Beziehung zwischen physikalischen und psychischen Größen durch Potenzfunk­tionen genauer beschrieben werden kann (“Potenzgesetz “). Das Weber-Fechnersche Gesetz und das Po­tenzgesetz sind zur Erklärung und Prognose herangezogen worden. Mit physikalischen Reizen hat man gute Ergebnisse erzielt. Da­bei ging es nicht nur um Probleme der Grundlagenforschung. Moskowitz hat die psychophysischen Funktionen für verschie­dene Süßstoffe ermittelt. Wenn im Rahmen einer Produktvariation die Süßeum einen be­stimmten Prozentsatz erhöht werden soll, kann aus diesen Funktionen nicht nur unmit­telbar abgelesen werden, wie stark die Süß­stoffkonzentration verändert werden muß; da die Preise der substituierbaren Süßstoffe bekannt sind, kann man auch errechnen, mit welchem Süßstoff das Ziel am kostengün­stigsten zu erreichen ist.

Die beschriebene Beziehung zwischen mate­riellen Produktbestandteilen und wahrge­nommenen Produktmerkmalen ist verallge­meinert worden. Wenn in diesen Funktionen die Mengen mit den Preisen multipliziert werden, erhält munpsychophysisch veranker­te Kostenfunktionen. Die Arbeit mit diesen Funktionen mag theoretisch interessant sein, die praktische Bedeutung ist jedoch gering, da diese Funktionen keine empirische Gül­tigkeit beanspruchen können. Die psycho­physischen Gesetze gelten nicht soallgemein. Entsprechendes gilt für andere Verallgemei­nerungen. Dies soll an einem Beispiel aus der Werbung erläutert werden. Aus vielen Un­tersuchungen geht hervor: Eine Verdopp­lung der Werbefläche führt nicht zu einer Verdopplung der Aufmerksamkeit oder Be­kanntheit. Diese Beziehung läßt sich angenä­hert durch eine Exponentialfunktion be­schreiben. Man spricht (ziemlich anmaßend) von einem Quadratwurzelgesetz, das als psychophysisches Potenzgesetz interpre­tiert wird. Diese psychophysische Begründung zur Wirkung der Änzeigengröße ist nicht halt­bar. Psychophysische Gesetze haben sich bewährt, wenn es um die quantitative Schät­zung einer wahrgenommenen physikali­schen Größe geht. In Untersuchungen zum Quadratwurzelgesetz wird jedoch die Erin­nerung an eine qualitative Größe (Anzeigen, an die man sich aufgrund inhaltlicher Ele­mente erinnert) gemessen. Diese beiden Va­riablen sind nicht vergleichbar. Die quantita­tive Schätzung wird im wesentlichen von der zu beurteilenden quantitativen Variable be­einflußt (z. B. Gewicht, Länge, Fläche), wäh­rend die Erinnerung im wesentlichen durch qualitative Variablen (z.B. Neuigkeit, Wi­dersprüchlichkeit, Komplexität) beeinflußt wird. Dieses Beispiel verdeutlicht ein anderes Problem der Psychophysik. Es wird ver­sucht, Wahrnehmungsverhalten auf eine ein­fache Reiz-Reaktions-Formel zu bringen. In Versuchssituationen gelingt das annähernd, sonst nicht. In realen Situationen wirken zahlreiche Einflußgrößen auf die Wahrneh­mung ein: Erfahrungen, die vorhergehende Wahrnehmung, situative Faktoren u.a.m.. Wahrnehmung vollzieht sich in einem Be­zugssystem. Der Apotheker beurteilt daher Gewichte anders als der Maurer. Dies gilt für die Wahrnehmung physikalischer Reize und in noch stärkerem Maße für die Wahrneh­mung qualitativer Reize wie Präferenzen, Nutzen, aber auch Preise und Kosten.

Es ist versucht worden, das Bezugssystem bei psychophysischen Experimenten einzu­beziehen. Am bekanntesten ist die von Hel- son entwickelte Adaptationsniveautheorie. Nach dieser Theorie werden Reize wie Laut­stärken und Gewichte nicht isoliert beurteilt, d. h. sie werden nicht wie bei dem Fechner- Wcberschen Gesetz auf einen festen Bezugs­punkt bezogen, sondern relativ beurteilt, d. h. auf einen variablen Bezugspunkt bezo­gen, der Adaptationsniveau genannt wird. Das Adaptationsniveau wird durch Kontext­reize bestimmt, insb. durch vorherige Erfah­rungen mit ähnlichen Reizen. Wer vorher schwere Gewichte tragen mußte, hat ein hö­heres Adaptationsniveau als Personen, die vorher mit leichten Gewichten zu tun hatten. Entsprechend fallen die Gewichtsbeurtei­lungen anders aus. Die Adaptationsniveautheorie ist besser ge­eignet, Wahrnehmungsurteile zu erklären, als die klassischen psychophysischen Geset­ze. Auch die Übertragung auf ökonomische Zusammenhänge gelingt besser. Verände­rungen von Preisgünstigkeitsurteilen im Sin­ne der Adaptationsniveautheorie konnten empirisch nachgewiesen werden. Allerdings ist zu beachten, dass diese Theorie auch nur einen Teil der Faktoren erfaßt, die die Preisgünstigkeitsurteile beeinflussen.

Siehe: Psychophysiologie

Literatur:  Behrens, G., Das Wahrnehmungsver- halten der Konsumenten, Frankfurt 1982. Sams, V., Wahrnehmung und Urteil, Göttingen 1971. Stevens, S. S., Psychophysics, New York 1975.

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