Die erste Schuldnerberatungsstelle Deutschlands wurde 1977 in Ludwigshafen eröffnet. Etliche staatliche Institutionen und freie Träger bieten mittlerweile eine Schuldner- und Insolvenzberatung für Menschen in finanziellen Notlagen an. Dazu zählen oftmals die Sozial- und Jugendämter der Städte und Gemeinden, es kann aber auch eine spezielle Stelle in einem Landratsamt sein, die eine solche qualifizierte Beratung anbietet. Die Sozialwerke der Kirchen bieten Schuldnerberatungen, also die Diakonie und die Caritas, viele Verbraucherverbände und weitere Träger der freien Wohlfahrtspflege wie Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Deutscher Familien-Verband (DFV), der Arbeitslosenverband (ALV) und viele andere, oftmals dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) angehörende gemeinnützige Vereine und Verbände. Die deutschen Schuldner- und Insolvenzberatungseinrichtungen haben sich in jedem Bundesland zu einer Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (LAG-SB) zusammengeschlossen, die wiederum der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung (BAG-SB) angehören. Bei allen diesen Institutionen kann der Hilfesuchende erfragen, wo sich in seiner Nähe eine Möglichkeit zur Schuldner- und Insolvenzberatung bietet.
Das wichtigste Prinzip der Schuldner- und Insolvenzberatung ist die Freiwilligkeit. Niemand kann zum Besuch einer Schuldnerberatung zwangsverpflichtet werden, und eine solche Verpflichtung machte auch keine Sinn: Geholfen kann nur Verschuldeten werden, die bereit sind, sich aus der Schuldenfalle zu befreien.
Die Mitarbeiter von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen verstehen ihre Tätigkeit als Teil der Sozialarbeit. Ist die Verschuldungs- mit einer Drogenproblematik gekoppelt, so werden die Schuldenberater in der Regel versuchen, beide Probleme in den Griff zu kriegen, und zwar auch dann, wenn die Sucht keine Ursache des Schuldenproblems ist. (Oft genug ist sie das natürlich, aber sie kann auch die Folge der als ausweglos empfundenen Lage des Schuldners sein.) Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen bieten Beratung und fachkundige Hilfe. Sie übernehmen jedoch weder die Schulden noch Verfahrenskosten, beispielsweise für ein Verbraucherinsolvenzverfahren.
Am Anfang einer jeden Schuldnerberatung steht das Erstgespräch, bei dem sozusagen die Diagnose des Schuldners gestellt wird. Um seine finanzielle Lage in allen Einzelheiten analysieren und geeignete Maßnahmen für eine spätere Schuldenregulierung ergreifen zu können, muß der Überschuldete alle Karten auf den Tisch legen. Jeder Gläubiger ist zu berücksichtigen. Eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg einer Schuldnerberatungsstelle ist der Wille des Schuldners, aus seiner schwierigen Lage herauszukommen. Ohne seine Mitwirkung läuft gar nichts.
Um Überschuldung auf Dauer wirksam zu entgehen, gibt es im Grunde nur zwei wirksame Möglichkeiten: die Ausgaben zu senken und die Einnahmen zu erhöhen (oder beides natürlich). So schlicht das klingt, erweist es sich in der Praxis als äußerst schwierig. Ein mit dem Schuldnerberater gemeinsam entwickelter Haushaltsplan kann helfen, die erforderliche Haushaltsdisziplin zu erlernen und zu praktizieren.
Auch eine Überprüfung, ob der Schuldner nicht Anspruch auf staatliche Unterstützung hat, gehört zu den vielen Schritten einer Schuldner- und Insolvenzberatung. Zu solchen staatlichen Unterstützungen können zum Beispiel Sozialhilfe zählen, Wohngeld oder andere Leistungen. Mitunter geraten gerade Alleinerziehende in eine Situation hoher Überschuldung, weil sie keine Unterhaltsansprüche geltend machen, und zwar weder für sich noch für ihre Kinder. Auch hier wäre also von einer Schuldnerberatung zu prüfen, inwieweit Unterhaltsansprüche (Unterhaltspflichten) vorhanden sind und wie sie geltend gemacht werden können. Bei Kindern einer bestimmten Altersgruppe käme auch ein Unterhaltsvorschuß zur Verbesserung der Einnahmensituation in Frage.
Untersuchungen von Sozialwissenschaftlern weisen immer wieder auf einen Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Verschuldung hin. Bei jedem Schuldner, der eine Beratungsstelle aufsucht, wird der Schuldenberater prüfen, ob in dessen Situation nicht ein Anspruch auf staatliche Unterstützung besteht. Besteht ein solcher Anspruch, ist der Klient aber nicht in der Lage, die entsprechenden Formulare auszufüllen (das kommt nicht selten vor), zählt es zu den Aufgaben der Schuldnerberatung, auch hierbei zu helfen.
Ein Schuldner kann eine Schuldnerberatungsstelle ermächtigen, für ihn ein Schuldenregulierungsverfahren durchzuführen. In einem ersten Schritt wird der Schuldenberater die Kreditverträge auf sittenwidrige Vereinbarungen prüfen. Sittenwidrige Kreditverträge sind nichtig. Die Nichtigkeit kann auch gerichtlich festgestellt werden.
Vom Schuldner bevollmächtigt, wird die Schuldnerberatungsstelle nach Prüfung aller Unterlagen ein Schuldenregulierungsverfahren in Gang setzen. Für das Verbraucherinsolvenzverfahren nach neuem Recht ist das Schuldenregulierungsverfahren Voraussetzung für die Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens. Das heißt, der Berater wird sich mit den Gläubigern an einen Tisch setzen und Varianten vorschlagen, wie der Schuldner seine Schulden bedienen kann. Dafür gibt es ein Spektrum an Möglichkeiten. Es beginnt bei der Ratenzahlung (z. B. für Miet- und Energieschulden), reicht über die Reduzierung von Raten und Zinsen und Zinsstillstandsvereinbarungen sowie Umschuldungen bis zum völligen Erlaß der Schulden. Letzteres, sicher der Traum aller Schuldner, ist logischerweise sehr schwer durchsetzbar. Der Schuldenerlaß wird von Gläubigern nur dann akzeptiert, wenn nachgewiesen werden kann, daß es aufgrund auch der perspektivischen Einkommensituation des Schuldners nicht zu erwarten ist, daß er jemals auch nur einen Pfennig zahlen kann. Unter dieser Voraussetzung ist der Schuldenerlaß für die Gläubiger sogar von Vorteil. Sie können ihn als Verlust steuerlich geltend machen und ersparen sich auf Jahre und Jahrzehnte Verwaltungskosten.
Eine spezifische Form der Beratung eines Schuldners stellt die Insolvenzberatung dar. Eine solche Form der Hilfe wird in Fällen notwendig, da ein Schuldner insolvent, also zahlungsunfähig ist.
Ein wichtiges Feld der Schuldner- und Insolvenzberatung ist die Öffentlichkeitsarbeit. Neben der Information über Schulden und den Umgang mit Schulden und einer kritischen öffentlichen Auseinandersetzung mit rechtlichen Tatbeständen und Gesetzen nehmen die Schulden- und Insolvenzberatung auch Funktionen des Verbraucherschutzes wahr, indem sie beispielsweise vor unseriösen Kreditvergabepraktiken warnen.
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