Das am 1.1. 1958 in Kraft getretene und seitdem mehrfach novellierte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterwirft Kartelle in seinem § 1 grundsätzlich dem Verbotsprinzip: Verträge, die Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen zu einem gemeinsamen Zweck schliessen, und Beschlüsse von Vereinigungen von Unternehmen sind danach unwirksam, "soweit sie geeignet sind, die Erzeugung oder die Marktverhältnisse für den Verkehr mit Waren und gewerblichen Leistungen durch Beschränkungen des Wettbewerbs zu beeinflussen" (§ 1 GWB). Die vom Gesetzgeber zur rechtlichen Ausgestaltung des damit ausgesprochenen Kartellverbots gewählten Formulierungen haben schon kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des GWB unterschiedliche Interpretationen erfahren, die z.T. darauf abzielten, die Anwendbarkeit der Vorschrift durch enge Auslegung möglichst zu begrenzen. Von besonderer Bedeutung waren dabei die Kontroverse, ob dem § 1 GWB die Gegenstandstheorie oder die Folgetheorie zugrunde liege, und der Streit über die Frage, ob mit dieser Vorschrift auch das aufeinander abgestimmte Verhalten erfasst werden könne. Für die Rechtsprechung ist die Diskussion um Gegenstands- und Folgetheorie dadurch weitgehend irrelevant geworden, dass sich hier mittlerweile die sog. Zwecktheorie durchgesetzt hat, die auch dann eine Wettbewerbs- beschränkung annimmt, wenn diese zwar nicht Vertragsinhalt ist, wohl aber den gemeinsamen Zweck der Vertragsparteien bildet. Bei Verzicht auf den Abschluss eines Kartellvertrages kann eine horizontale Verhaltensabstimmung auch dadurch erfolgen, dass den Unternehmen einer Branche etwa durch ihren Verband ein entsprechendes Verhalten als für alle vorteilhaft angeraten wird. Das GWB enthält deshalb ein grundsätzliches Empfehlungsverbot (§38 Abs. 11), von dem jedoch Ausnahmen für alle die Fälle eingeräumt werden, von denen der Gesetzgeber vermutete, dass Empfehlungen hier geeignet seien, den Wettbewerb zu fördern. Die Strenge, mit der § 1 GWB Kartellverträge für unwirksam erklärt, wird nicht nur dadurch abgeschwächt, dass die im Gesetz enthaltenen Umgehungsverbote vielfach aufgelockert werden; auch vom Kartellverbot selbst gibt es eine Vielzahl von Ausnahmen ( Kartellrecht). Die zahlreichen Ausnahmen, die das Kartellverbot des § 1 GWB in den §§ 2-8 dieses Gesetzes erfährt, schränken seine Gültigkeit stark ein. Nur für reine Preiskartelle von Grossunternehmen besteht nicht die Möglichkeit, durch eine dieser Ausnahmeregeln legitimiert zu werden. Wettbewerbstheoretisch lassen sich gegen alle Kartellarten, die das GWB zulässt oder deren Genehmigung es möglich macht, Bedenken erheben. Der grundlegende Einwand ist dabei stets der gleiche: Jedes Kartell bindet seine Mitglieder an eine ex ante festgelegte einheitliche Lösung. Es steht damit im Gegensatz zum Verfahren des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs, durch das möglichst viele und möglichst unterschiedliche Alternativen am Markt auf ihre Brauchbarkeit überprüft werden sollen, um die besten Lösungen zu entdecken. Besonders offenkundig wird die grundsätzliche Antinomie einer Koordinierung des Anbieterverhaltens durch Kartellbildung oder Kooperation und der Abstimmung der einzelnen Produktionspläne durch die Verbindung von Leistungswettbewerb und Marktpreisbildung im Falle der Rationalisierungskartelle. Diese sollen Kostenersparnisse erbringen, die Leistungsfähigkeit der beteiligten Unternehmen steigern und dadurch zu einem besseren Marktergebnis führen. Hier wird also durch kollektives Handeln genau das angestrebt, was im Konzept der Marktwirtschaft als wesentliche gesamtwirtschaftliche Funktion eines wirksamen Wettbewerbs gilt. Die wettbewerbliche Lösung scheint dabei dem Verfahren der Kartellierung bei vordergründiger Betrachtung unterlegen zu sein, weil sie unter Inkaufnahme von Faktorverschwendung durch Parallelanstrengungen erst am Ende eines Prozesses von "trial and error" jene Lösungen erreicht, die das Kartell möglicherweise schneller und zu geringeren Koordinierungskosten für alle durchsetzen kann. Eine derartige Vermutung ist jedoch nur zutreffend, wenn die jeweils beste Lösung bereits im vorhinein bekannt ist, so dass sie nur noch im Kartellvertrag konkretisiert und von allen Unternehmen angewendet werden muss. Auch muss diese Lösung ihre Attraktivität im Zeitablauf bewahren. Sie darf also nicht durch sich ändernde Konsumentenpräferenzen, durch Verschiebung der Faktorpreis-Re- lationen oder durch das Wirksamwerden von technischem Fortschritt obsolet werden. In der Realität sind alle diese Voraussetzungen erfahrungsgemäss zumeist nicht gegeben. Für das EG-Wettbewerbsrecht formuliert Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag ein Kartellverbot und untersagt formlos aufeinander abgestimmtes Verhalten. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist, dass derartige Wettbewerbsbeschränkungen geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Art. 85 Abs. 3 EWG-Vertrag bietet die Möglichkeit, Ausnahmen vom Kartellverbot des Art. 85 Abs. 1 zuzulassen. Diese Vorschrift zielt vornehmlich darauf ab, Kooperation kleiner und mittlerer Betriebe nicht zu behindern, die erforderlich ist, um auch mittelständischen Unternehmen den Eintritt in die Märkte anderer Partnerstaaten zu ermöglichen. Literatur: Emmerich, V., Kartellrecht, 6. Aufl., München 1991. Rittner, E, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Stuttgart 1989.
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