Die Gesamtheit der im Laufe der Zeit in einer Organisation entstandenen und zu einem bestimmten Zeitpunkt wirksamen Wertvorstellungen, Verhaltensvorschriften und Einstellungen. Sie ist durch Vision, Leitbilder, Normen, Symbole und Helden gekennzeichnet. Eine Vision ist ein realistisches, glaubwürdiges und attraktives Zukunftsbild (Szenario), das in eine bestimmte Richtung weist, ohne Details exakt und verbindlich vorzugeben. Ein Leitbild ist die konkretisierte Vision in Form von Zielen, Werten und Aktivitäten einer Organisation. Eine Norm ist ein Verhaltensstandard, der zur Orientierung der Organisationsmitglieder in konkreten Situationen dient. Ein Symbol konkretisiert die zu wesentlichen Teilen unsichtbaren Visionen, Leitbilder und Normen und operationalisiert sie dadurch. Ein Held der Organisation ist eine Person, welche die Wertvorstellungen der Organisationskultur beispielhaft verkörpert. »Starke« Organisationskulturen sind ein enorm wichtiger Erfolgsfaktor unternehmerischer Tätigkeit, jedoch sind sie aufgrund ihrer Stärke auch nur mehr schwerlich Änderungen zugänglich, sodass die Anpassungsflexibilität an rapide Umfeldveränderungen leidet.
In der Wirtschaftssoziologie: Unternehmenskultur
In jeder Organisation gibt es einige Wert- und Glaubensvorstellungen darüber, welche Ziele und Verhaltensweisen für ihre Existenz und die ihrer Mitglieder von grundlegender Bedeutung sind. Diese Werte und Verhaltensweisen werden auf vielfältige Weise vermittelt, stabilisiert und weiterentwickelt: Denken und Handeln werden in hohem Masse durch die Sprache geprägt. Sie bildet eine Linse für die Wahrnehmung der Realität. In einer Kneipe wird anders gesprochen als in einer Bank. Auch einzelne Organisationen innerhalb einer Branche zeichnen sich oft durch spezifische Redewendungen und Begriffe aus. Geschichten, Legenden und Mythen tragen ebenfalls zur Vermittlung von Werten und Verhaltensnormen bei. Wird z. B. die Erfahrung "kultiviert", dass der Firmengründer auch nach beträchtlichem Wachstum seines Unternehmens noch jeden Beschwerdebrief selbst gelesen und entsprechende Massnahmen eingeleitet habe, so sagt dies eine ganze Menge über die gewünschte Kunden- und Qualitätsorientierung aus. Eine wichtige Rolle kommt auch Ritualen und Symbolen zu. Die Verteilung eines Preises für Verkaufserfolge oder besondere Qualitätsleistungen, ein Tag der offenen Tür, bei dem die Mitarbeiter Frauen und Kinder in das Unternehmen mitbringen dürfen, oder die Plakatierung von Umsätzen und Börsenkursen an den Wänden der Werkshallen sind Beispiele für Rituale, die bestimmte Mitarbeiter- oder Umweltorientierungen signalisieren. Vor allem werden Werte aber durch das Verhalten von Vorgesetzten vermittelt. Diese stellen Ereignisse in der Arbeitsgruppe, im Unternehmen oder in der Umwelt in einen "höheren Zusammenhang" und geben ihnen dadurch. "Sinn", machen sie für ihre Mitarbeiter verständlich, lassen bestimmte Handlungen vernünftig erscheinen. Die Organisationskultur erfüllt eine Reihe wichtiger Funktionen: Sie schafft ein gemeinsames Bezugssystem, das Wahrnehmungen filtert und Erwartungen beeinflusst, Interpretationen erleichtert und Verständnis erzeugt, Komplexität reduziert sowie Handlungen lenkt und legitimiert. Organisationskulturen verstärken die Einbindung der Organisationsmitglieder, fördern die Identifikation mit dem Unternehmen und erhöhen die Motivation. Eine Identifikation mit den Grundprinzipien der Organisation kann u. U. eine effizientere Koordination herbeiführen als Weisungen von Vorgesetzten, Verfahrensrichtlinien oder Planvorgaben. Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Organisationskultur einen Einfluss auf den Erfolg von Unternehmen hat. Die Entwicklung der Kultur einer Organisation wird bei ihrer Gründung eingeleitet. Die Gründer bringen Wertvorstellungen, Legitimationsmuster — eine Vision — in das Unternehmen ein. Um die ersten Entscheidungen und Handlungen der Gründer spinnen sich Legenden. Der "Geist der Gründung" wird beschworen, eine Tradition wird etabliert. Je ausgeprägter eine Organisationskultur ist, desto mehr Sorgfalt wird auf die Selektion und Sozialisation neuer Mitglieder gelegt. In Broschüren, Einführungsveranstaltungen und Trainingsprogrammen werden nicht nur Sachwissen, sondern auch Werte, kulturspezifische Denkmuster und soziales Verhalten vermittelt. Eine intensive interne Ausbildung und Initiationsrituale sind weitere Mechanismen, mit denen die wertorientierte Einbindung der Mitarbeiter gefördert wird. In einem gewissen Umfang lässt sich die Kultur einer Organisation planvoll gestalten. Die Tradition eines Unternehmens kann gepflegt, Legenden, Rituale und Symbole können als Führungsinstrumente gezielt eingesetzt werden. Allerdings ist die Wirksamkeit solcher Massnahmen nur schwer vorherbestimmbar. Die Änderung von Organisationskulturen, die sich verfestigt haben, ist ein schwieriger, langwieriger Prozess mit ungewissem Ausgang. Literatur: Deal, T. E./Kennedy A. A., Corporate Cultures, Reading, Mass. 1982. Sackmann, S., Organisationskultur: die unsichtbare Einflussgrösse, in: Gruppendynamik, Zeitschrift für Angewandte Sozialwissenschaften, 13. Jg. (1983), S. 393 ff. Ebers, M., Organisationskultur: Ein neues Forschungsprogramm?, Wiesbaden 1985.
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