Der SW ist neben dem Ertragswert diejenige Wertkategorie, auf der die traditionellen Kombinationsverfahren der Unternehmensbewertung beruhen. Der Begriff SW wird nicht einheitlich gebraucht. Die Unterschiede im Begriffsinhalt ergeben sich einerseits aus differenzierenden Abgrenzungen der zu bewertenden Substanz und andererseits aus abweichenden Bewertungen dieser Substanz, je nachdem ob auf Liquidation oder Reproduktion der Unternehmung abgestellt wird. Der SW im Sinne des Wertes der veräußerbaren Substanz der Unternehmung soll angeben, welche Nettoeinnahmen bei einer Liquidation erzielt werden können, wobei bei längerer Liquidationperiode die zu erwartenden Liquidationserlöse abgezinst berücksichtigt werden (Barwert). Der SW als Liquidationswert ist ein von den besonderen Umständen der Veräußerung (Liquidationszeitpunkt, Dringlichkeit der Liquidation, Einzelliquidation oder Liquidation von Vermögenskomplexen usw.) abhängiger Wert und als solcher nur schwerabschätzbar. Insbesondere gilt nicht, daß der Liquidationswert aus der Sicht des Unternehmungsverkäufers gleich demjenigen aus der Sicht eines Käufers sein muß, der die Unternehmung nicht fortführen möchte. Die in bezug auf den SW als Liquidationswert gebräuchliche Aussage, daß er die Wertuntergrenze der Unternehmung bilde, läßt sich nur unter sehr engen Voraussetzungen ableiten. Der SW als Reproduktionswert (Rekonstruktionswert) soll angeben, wieviel Kapital aufgewendet werden müßte, um die zu bewertende Unternehmung im Bewertungszeitpunkt wiederherzustellen. Nach herrschender Meinung wird dabei von denjenigen Vermögensteilen ausgegangen, die 1. als betriebsnotwendig gelten und 2. einzeln bewertbar sind. Als Wertansatz werden die Wieder Be-schaffungspreise des Bewertungsstichtages angenommen. Da zumeist das Inventar der Handelsbilanz als Mengenschema der SW-Ermittlung dient und in ihm nur Teile insbesondere des immateriellen betriebsnotwendigen Vermögens aufgeführt sind, ist der SW als Rekonstruktionswert regelmäßig lediglich ein Teil-Rekonstruktionswert, dem als gedankliches Gebilde der Voll-Rekonstruktionswert gegenübergestellt wird. Der so ermittelte Teil-Rekonstruktionswert nennt den Kapitalbetrag, der erforderlich ist, um die in die Bewertung einbezogene Substanz neuwertig wiederzubeschaffen (SW als Teil-Rekonstruktionsneuwert). Da die abnutzbaren Vermögensteile der zu bewertenden Unternehmung jedoch eine davon abweichende Altersstruktur und eine unterschiedliche Beschaffenheit (Grad der Abnutzung, technologischer Zustand usw.) aufweisen, wird dies durch den Abzug kalkulatorischer Abschreibungen vom Teil-Rekonstruktionswert berücksichtigt. Man nennt den sich ergebenden SW einen Teil-Rekonstruk-tionsaltwert. Dieser gibt das zur Finanzierung einer identischen Reproduktion der in die SW-Ermittlung einbezogenen Vermögensteile insgesamt benötigte Kapital an. Die Art der Finanzierung bleibt dabei noch außer Betracht (SW als Brutto-Teil-Rekonstruktionsaltwert). Um sie bei der SW-Ermittlung zu berücksichtigen, werden zwei Vorgehensweisen vorgeschlagen:
1. Man geht vom tatsächlich vorhandenen Fremdkapital der zu bewertenden Unternehmung aus.
2. Man legt eine als normal erachtete Eigen-/Fremdkapitalrela-tion zugrund e. Durch Abzug der tatsächlichen (herrschende Meinung) oder der bei »normaler Finanzierung« vertretbaren Schulden erhält man den SW als Netto-Teil-Rekon-struktionsaltwert. Der SW als Netto-Teil-Rekonstruktionsaltwert stellt sich mithin als ein auf dem Wege der Einzelbewertung der Vermögensteile ermitteltes fiktives Eigenkapital der bewertenden Unternehmung dar (vgl. Übersicht zur Substanzwertermittlung Substanzwert in der Unternehmensbewertung 1067).
Die Kritik am SW richtet sich gegen diese Wertkategorie, da sie wegen ihres fehlenden Bezugs zur Zielerfüllung und zu anderen Handlungsalternativen von Verkäufer und Käufer nicht zur F und ierung unternehmerischer Kauf oder Verkaufentscheidungen dienen kann. Die Ablehnung der SW als Entscheidungsbasis bedeutet nicht, daß die vorhandene Substanz für die Bewertung einer Unternehmung irrelevant ist. Denn je besser die vorhandene Substanz den unternehmerischen Vorstellungen des jeweiligen Bewertungsinteressenten entspricht, desto günstiger wirkt sich das Vorhandensein von Substanz auf die Höhe und zeitliche Struktur der Zahlungsströme der zu bewertenden Unternehmung aus. Substanz erspart künftig Auszahlungen (z. B. vorhandenes ReserveGrund stück) oder zögert den zeitlichen Anfall von Auszahlungen hinaus (z. B. neue benötigte Maschinen). Auf solchen Substitutionseffekten beruht ihre Bedeutung für die Unternehmungsbewertung. Dieser Bedeutung wird der traditionelle, auf Einzelbewertung abstellende Ansatz der SW-Ermittlung jedoch nicht gerecht.
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