Der Vertrieb von Versicherungsleistungen ist ein besonders bedeutsamer Bestandteil des Versicherungsmarketing. Er erfolgt über Vertriebswege mit Primär-, Sekundär- und T ertiärkommunikation. Hauptmerkmal des Vertriebswegs mit Primärkommunikation ist der persönliche Verkauf, der stationär oder mobil durch Aufsuchen des Kunden erfolgt. Eigene Beratungs- und Verkaufsbüros von Versicherungen sind die Ausnahme. Lediglich der klassische, das Industrieversi- cherungsgeschäft betreibende Versicherungsmakler unterhält stationäre Versicherungsbüros. Der stationäre Vertrieb von VersicherungenüberfremdeOrganisationen erfolgt vorwiegend über Kreditinstitute und in der Anfangsphase über Warenhäuser mit Filialen. Während der Vertriebsschiene Warenhaus bislang noch absolut untergeordnete Bedeutung zukommt, werden über Kreditinstitute ca. 10% der Versicherungen abgesetzt (davon über Bausparkassen 7%). Der Hauptvertriebsweg der Versicherungen ist der Außendienst in Form von Einfirmenvertretern, Mehrfirmenvertretern und Versicherungsmaklern, Außendienste versicherungsabhängiger Bausparkassen sowie Sonderorganisationen. Der Versicherungsvertrieb stützt sich derzeit (1990) auf ca. hauptberufliche und ca. 250.000 nebenberufliche Außendienstmitarbeiter. Der Einfirmenvertreter ist gem. § 84 i. V. m. § 92 HGB rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Handelsvertreter, dennoch durcheinen vertraglichen Konkurrenzausschluß einem einzigen Versicherungsunternehmen verpflichtet. Uber diese Einfirmenvertreter werden ca. 70% aller Versicherungen verkauft. Mehrfirmenvertreter sind durch keinen Konkurrenzausschluß gebunden und haben so die Möglichkeit, für mehrere Versicherungsgesellschaften zu vermitteln. Versicherungsmakler hingegen gehen keine dauerhaften Agenturvereinbarungen mit Versicherungen ein und wählen bei einer Vermittlung von Fall zu Fall zwischen den am Markt tätigen Gesellschaften neu aus. Anfang 1990 sind in der Bundesrepublik rd. 700 Versicherungsmakler tätig. Ihre Marktanteile beim Vertrieb sind nicht bedeutend, haben jedoch steigende Tendenz. Vertreter aller deutschen Bausparkassen vermitteln Versicherungsleistungen, wobei die Akquisitionstätigkeit entweder aufgrund zentraler Abkommen oder auf Einzelabsprachen beruht. Die Nutzung dieses Vertriebswegs ist u. a. deshalb so verbreitet, weil Versi- cherungsunternehmen bei 11 der 19 privaten Bausparkassen Hauptanteilseigner sind. Der Umfang der vermittelten Verträge beläuft sich auf etwa 7% der Gesamtabschlüsse. Der Absatz von Versicherungen über Vertriebswege mit Sekundärkommunikation (Direkt-Vertrieb) erfolgt im einstufigen (One-step-Approach) oder zweistufigen (Two-step-Approach) Verfahren und ist durch die Verwendung technischer Hilfsmittel in Form von Schrift und/oder Bild gekennzeichnet. Beim einstufigen Verfahren kommt der Versicherungsabschluß zustande, indem der Kunde ein ihm übermitteltes, vollständig ausgearbeitetes Versicherungsangebot akzeptiert. Dies erfordert äußerst einfach gestaltete, wenig erklärungsbedürftige Produkte, wie z.B. die Urlaubskrankenversicherung oder die Risikoversicherung für bestimmte Altersgruppen mit einheitlicher und niedriger Versicherungssumme ohne Risikoprüfung durch den Versicherer. Beim zwei- oder mehrstufigen Verfahren wird nach einer ersten allgemeinen Information mit Rückkoppelung in einer zweiten Kontaktaufnahme ein konkretes Versicherungsangebot unterbreitet. Diese Verfahrensweise ermöglicht im Gegensatz zum einstufigen Verfahren eine flexiblere Angebotsgestaltung. Versicherungen nutzen beide Methoden beim Absatz über Anzeigen, persönliche Anschreiben und Versandhauskataloge zur erstmaligen Ansprache. Da in allen Fällen der Kunde auf dem Postweg antwortet, kann man hier von einem „ insuranc- ing by mail“ sprechen. Der Marktanteil über diesen Vertriebsweg laßt sich cUl*2Clt tYHt Cä. 2% beziffern. Bei Vertriebswegen mit Tertiärkommunikation erfolgt der Informationsaustausch zwischen dem Versicherer und dem Kunden mit Hilfe elektronischer Übertragungssysteme, z. B. Bildschirmtext. Bislang sind über dieses Medium keine Abschlüsse möglich. Von den Versicherungen sind lediglich allgemeine Produkt- und Unternehmensinformationen abrufbar. Direktvertrieb gelingt nur bei Kunden mit hoher Initiativkraft zum Versicherungsabschluß oder im Falle der gesetzlichen oder faktischen Versicherungspflicht. Ferner muss beim Kunden die Fähigkeit zu rationalem Verhalten in Versicherungsangelegenheiten hinzukommen. Das Geschäftspotential für Direkt-Vertrieb ist bis heute nicht genau bekannt. Man muss es in dreifacher Abgrenzung schätzen: nach Versicherungszweigen, nach Kundengruppen und nach regionalen Aspekten. Als potentielle Direktvertriebs- kunden gelten v. a. Beamte, leitende Angestellte sowie die junge rationalistische Generation. Nach Versicherungszweigen ist v. a. das Potential in der Kraftverkehrsversicherung hoch. Regionale Unterschiede bestehen im Hinblick auf Mentalitätsverschiedenheiten und in der Abgrenzung von ländlicher und städtischer Kundschaft. Eine Gegenüberstellung der Vertriebskosten von Vertriebswegen mit Primär- und Sekundärkommunikation ergibt, dass der Vertrieb über die Primärkommunikation die dreifa- chen Kosten verursacht wie der Direktvertrieb. Diese Kostenunterschiede führen für den Versicherungsnehmer zu erkennbaren Preisunterschieden. Schließlich ist der One-stop-Vertrieb zu nennen, der auf der Vorstellung beruht, dass der Kunde Versicherungsschutz und andere Dienstleistungen oder Sachgüter kauft, die aus einem gemeinsamen Anlaß miteinander verbunden sind. Dabei verkaufen entweder Versicherer außer Versicherungsschutz auch andere Güter, oder der Lieferant andere Güter und Versicherungsschutz. Beispiele hierfür sind der gleichzeitige Absatz von Krediten und Versicherungsschutz (etwa für Gebäude, Wohnungen, Autos), Verkauf von Reisen mit Devisengeschäften und Versicherungsschutz. Die Prognose für den One-stop-Vertrieb ist schwierig, weil das dazu erforderliche Kundenverhalten bislang kaum untersucht ist. Dabei ist entscheidend, ob der Kunde solche Produktbündel tatsächlich als Einheit sieht, oder ob er die Einzelgüter als getrennte Gegenstände empfindet. Die größte Bedeutung hat derzeit der Verbund von Bank-, Bausparund Versicherungsgeschäften aus bestimmten Anlässen. Literatur. Farny, D., Absatz- und Serviceverfahren für Versicherungsschutz - heute und morgen, in: Die Versicherungsrundschau, 40. Jg. (1985), S.40-55. Farny, D., Entwicklung bei den Vertriebsverfahren von Versicherungen, in: DBW, 46. Jg. (1986), S.421 - 437. Stracke, G.; Pobl, M., Financial Services in Deutschland (IV): Marktstrategien der Versicherer, in: Die Bank, 28. Jg. (1988), S. 191-211.
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