Im Direktvertrieb werden Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens direkt ohne eine Zwischenhandelsstufe an den Endkunden verkauft. Der Direktvertrieb stellt einen relativ neuen Vertriebsweg dar. Insbesondere beim Vertrieb von Versicherungsprodukten hat sich der Direktvertrieb einen festen Platz erworben. Der Direktvertrieb wird zumeist von eigenen Direktversicherungsunternehmen betrieben. Merkmal ist, dass überwiegend keine Außendienstmitarbeiter zwischengeschaltet sind, sondern der Kundenkontakt telefonisch oder per Internet abgewickelt wird. Die Werbung für diese Versicherungsprodukte ist in den Medien zumeist recht allgemeinen ausgelegt, was dazu führt, dass kaum eine Möglichkeit besteht den individuellen Versicherungsbedarf des einzelnen Kunden festzustellen. Daher ist der Direktvertrieb von Versicherungsprodukten vor allen Dingen bei Kunden geeignet, die ihren Versicherungsbedarf bereits festgestellt haben.
Besonders geeignet ist der Direktvertrieb für genormte, leicht verständliche Versicherungsprodukte zur Deckung von Standardrisiken.
Für Versicherungsunternehmen bietet der Direktvertrieb den Vorteil, große Mengen zu niedrigen Preisen, aber auch zu geringen Kosten, absetzen zu können. Erfahrungsgemäß liegen die Stornoquoten niedrig. Eine persönliche Geschäftsbeziehung des Versicherungsmaklers zum Endkunden besteht nicht.
Der Direktvertrieb stellt ein anderes Anforderungsprofil an den Versicherungsnehmer: bei ihm muss ein eigenständiges erkennen des Risikos stattgefunden haben, um das daraus entstandene starke Bedürfnis nach einer Versicherungsdeckung zu befriedigen. Weiterhin muss sich der Versicherungsnehmer selbst aktiv in die Abwicklung des Versicherungsverhältnisses einbringen, insbesondere im Falle einer Schadensregulierung. Ein Service am Standort des Kunden wird von den meisten Direktversicherern in aller Regel nicht angeboten.
Hauptmotivation für den Kunden ein Versicherungs Produkt im Direktvertrieb zu erwerben ist das attraktive Preis-Leistungs-Verhältnis. Als Zielgruppe gelten besonders preisbewusste, aufgeklärte Versicherungsnehmer; in der Regel verfügen diese über ein gutes Bildungsniveau und gehören erfahrungsgemäß der jüngeren Generation an.
Im Verlauf der letzten zehn Jahre waren Direktversicherungen nach der Deregulierung der Versicherungsaufsicht mit ihrem preisgünstigen Angeboten überdurchschnittlich erfolgreich. Insgesamt liegt der Anteil des Direktvertriebs bei allen Versicherungsprodukten innerhalb des einstelligen Prozentbereichs.
Der Direktvertrieb bietet einem Unternehmen eine Reihe von Vorteilen. a) Loyalität: Der Hauptgrund für den Vertrieb über eine eigene Organisation liegt in der absoluten Loyalität der Vertriebsmitarbeiter, die sich ausschließlich für den eigenen Hersteller und seine Produkte einsetzen können und müssen. Auf diese Weise können die Marketingstrategien des Herstellers konsequent umgesetzt werden.
b) Kundenkontakt: Ein weiteres wichtiges Argument für einen Direktvertrieb ist die Tatsache, dass die Kenntnis über bestehende und potenzielle Kunden im Unternehmen organisiert ist und Dritten nicht zugänglich wird. Unter der Voraussetzung, dass diese Kenntnisse über entsprechende Informationssysteme unternehmensweit verfügbar sind, lassen sich erhebliche Vorteile in der Bearbeitung des Marktes gewinnen. Auf diese Weise (und vor allem durch langfristige Kontakte zu allen Stufen der Buying Center der Kunden) kann eine starke Kundenbindung erzeugt werden, die auch wertvolle Impulse für die Produktentwicklung geben kann. Ein Engagement bereits in der Vor-Investitionsphase eines Kunden kann einem Anbieter mit einem sehr kundennah operierenden Direktvertrieb erhebliche Vorteile sichern, insbesondere wenn es bereits in dieser Phase gelingt, Alleinstellungsmerkmale der eigenen Produkte dem Kunden als wichtige Eigenschaften für die geplante Beschaffung deutlich zu machen.
c) Qualität des Vertriebs: Der Anbieter hat nur mit einem Direktvertrieb die Chance, beim Kunden als alleinig kompetenter Anbieter seiner Produkte aufzutreten (»One face to the customer«). In den letzten Jahren ist darüber hinaus im Rahmen des Total Quality Managements auch der Qualität des Vertriebs eine immer größere Bedeutung zugewachsen. Nur durch einen Direktvertrieb kann der Hersteller die Qualität seiner Vertriebsorganisation tatsächlich beeinflussen, die Qualitätsbeurteilung aus Sicht der Kunden messen und entsprechende Korrekturmaßnahmen (vor allem Schulung der Vertriebsmitarbeiter) veranlassen.
d) Durchsetzbarkeit von Marketing- und Vertriebsstrategien: Ein Direktvertrieb kann außerordentlich genau in Richtung auf bestimmte strategische Produkte gesteuert werden, da alle Mitarbeiter in der Organisation des Herstellers sind und demnach auf geänderte Marketingziele sehr schnell reagieren können und müssen.
e) Flexibilität bei Preisen und Rabatten: Aus kontrahierungspolitischer Sicht hat der Anbieter mit einem Direktvertrieb alle Parameter in seiner Hand; er kann über Preise und Rabatte jederzeit mit schneller Wirkung auf den Markt reagieren, kann flexibles Vertragsmanagement betreiben und auch im Finanzierungsbereich die gebotenen Schritte unternehmen. Er bestimmt allein das Preisniveau seiner Produkte am Markt und muss keine Margenanteile an Dritte abgeben.
f) After-Sales-Geschäft: Neben der Realisierung des reinen Produktgeschäfts sollte ein Direktvertreib auch in der Lage sein, das After-Sales-Geschäft im Hause des Anbieters zu etablieren. Da dieses Geschäft häufig den größeren Teil der Deckungsbeiträge ausmacht, ist dies von besonderer Bedeutung. Beispielsweise ist es auf dem Markt der Luftfahrtelektronik (»Avionics«) üblich, dass die Hersteller die Erstausrüstungen fast zu Selbstkosten verkaufen und erst aus dem späteren Ersatz- und Servicegeschäft ihren Gewinn erzielen.
Diesen Vorteilen steht allerdings auch eine Reihe von erheblichen Nachteilen gegenüber:
a) Kosten und Kapazität: Ein Direktvertrieb verursacht erhebliche Kosten; neben Reise- und Telefonkosten sind dies vor allem Personalkosten. Neben der Höhe der Kosten ist deren Struktur problematisch, sie sind im Wesentlichen fixe Kosten, die eine kostenmäßige Anpassung an Marktschwankungen nahezu unmöglich machen. Neben die kostenmäßige Inflexibilität tritt beim Direktvertrieb auch eine kapazitätsmäßige Unbeweglichkeit. Insbesondere bei stark wachsenden Geschäftsmöglichkeiten wird es einem qualifizierten Direktvertrieb schwer fallen, schnell zu wachsen, da der Aufbau von geeigneten Vertriebsmitarbeitern erhebliche Zeit in Anspruch nimmt. Neben der rein fachlichen Qualifikation, die möglicherweise kurzfristig am Personalmarkt beschafft werden kann, ist auf jeden Fall eine Anpassung an die Unternehmenskultur erforderlich, die nicht innerhalb weniger Monate erreichbar ist.
b) Enge des Sortiments: Neben diesen kosten- und kapazitätsmäßigen Nachteilen ist die Enge des angebotenen Sortiments häufig ein entscheidender Nachteil. In vielen Branchen lässt sich die Lösung eines Kundenproblems meist nicht mit Produkten eines einzigen Anbieters realisieren (zumindest nicht aus Sicht des Kunden). Um in diesem Fall dennoch als kompetenter Partner des Kunden auftreten zu können, ist ein Direktvertrieb gezwungen, in komplizierte Generalunternehmerschaften, Koalitionen oder sonstige Vertragskonstruktionen einzusteigen.
c) Fehlende Neutralität: Zudem hat jeder Direktvertrieb aus Kundensicht immer den Image-Nachteil der Parteilichkeit. Von Vertriebsmitarbeitern eines Herstellers kann kein Kunde einen neutralen Rat, z.B. über Wettbewerberprodukte, erwarten. In der Versicherungsbranche ziehen z.B. Kunden den Abschluss über einen Versicherungsmakler vor, da dieser sie bei der Auswahl der geeigneten Versicherung vermeintlich besser berät als eine einzelne Versicherung.
Zu diesen Nachteilen kommen ganz konkrete weitere Risiken. Beim Direktvertrieb trägt der Hersteller sowohl das gesamte Lagerrisiko wie auch das gesamte Kreditrisiko. Zur Beherrschung dieser Risiken ist ein erheblicher sachlicher und personeller Aufwand unumgänglich.
Daraus lassen sich folgende Einsatzschwerpunkte für den Direktvertrieb ableiten:
a) Hohe Kundenkonzentration: Die Kunden sind geografisch oder branchenmäßig stark konzentriert, sodass eine effiziente Betreuung möglich ist.
b) Große Umsätze pro Kunde: Die Größenordnung der Geschäfte mit den einzelnen Kunden erreicht eine Dimension, die eine gezielte Betreuung durch einen Direktvertrieb wirtschaftlich macht und auch eine Übernahme der Lager- und Kreditrisiken rechtfertigt.
c) Hoher Beratungsbedarf: Die angebotenen Produkte sind so komplex, dass eine kompetente Beratung von keinem Dritten zu erwarten ist und daher der Direktvertrieb die einzige Möglichkeit für den Anbieter ist, am Markt präsent zu sein.
d) Relativ gleichmäßiges Geschäft: Die Geschäftsentwicklung unterliegt keinen extrem starken Schwankungen, sodass die einem Direktvertrieb immanente Anpassungsinflexibilität kein Nachteil ist; dies schließt nicht aus, dass einige Produktsegmente innerhalb des Angebots eines Herstellers deutlich schneller wachsen können; in diesem Fall sind dann Verschiebungen innerhalb der Vertriebsorganisation durchzuführen.
Absatz einer Ware durch Überspringen einer oder mehrerer Handelsebenen. Anbietern ist die Nutzung fremder Distributionskanäle zu teuer oder zu wenig effizient. Der Direktvertrieb direkt vom Hersteller wird auch Nullstufenkanal genannt. Dieser übernimmt alle Phasen des Wertschöpfungsprozesses, bis sich die Ware beim Verbraucher befindet.
Die üblichen Formen des Direktvertriebs sind
• der Heimdienst, bei dem die Ware direkt bis zur Haustüre des Kunden gebracht wird. Zu solchen Heimdiensten zählt nicht nur der Tiefkühllieferant Eismann. Auch jeder Pizzaservice zählt zu diesem Vertriebssystem. Beispiele von Bäckereien, Heischereien und Brauereien zeigen, dass diese Direktverkaufsform auch für viele andere Branchen geeignet ist.
• das Heimvorführsystem. Hier zählen zu den Ältesten der Kosmetikhersteller Avon, der Hersteller für Küchenzubehör Tupperware sowie der Hersteller für Küchen- und Haushaltsgeräte sowie Bodenbeläge, Vorwerk.
• das Factory Outlet, also der Fabrikverkauf.
Allerdings sind die Grenzen des Direktvertriebs nicht klar zu ziehen, denn unter Umständen zählen auch herstellerabhängige Franchise-Systeme und Sturkturvertriebe zum Direktvertrieb.
Der Direktvertrieb (Direktabsatz) kennzeichnet eine spezielle Absatzwegepolitik der Hersteller. Sie ist dadurch charakterisiert, dass der Handel (Groß- und Einzelhandel) nicht eingeschaltet wird. Der Hersteller steht in unmittelbarer Geschäftsbeziehung mit den Endabnehmern. Endabnehmer sind entweder Konsumenten bzw. private Haushalte oder Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe.
Der Direktvertrieb kann zum einen durch den Einsatz von Außendienstmitarbeitern erfolgen. Der persönliche Verkauf durch den Außendienstmitarbeiter gegenüber privaten Endabnehmern (Direct Sel-ling) ist zugleich eine Maßnahme im Rahmen des Direct Marketing. Direktvertrieb ist auch bei der Einschaltung eigener Verkaufsstellen (Factory Outlet) oder durch Versandhandel möglich. Die modernen In-formations- und Kommunikationstechnologien bzw. Neuen Medien eröffnen z.B. in der Form des E-Commerce neue Möglichkeiten des Direktvertriebs und tragen damit zur Tendenz zur Vertikalisierung bei.
Der Direktvertrieb ist für das Investitionsgütermarketing von großer Bedeutung. Der Begriff Endabnehmer ist dort weiter zu fassen; so umfasst er auch die Unternehmen, die zugekaufte Aggregate oder Teile in ein zu erstellendes Investitionsgut integrieren.
Die Vorteile des Direktvertriebs sind in der unmittelbaren Einflussnahme auf die Endabnehmer und der beim Hersteller verbleibenden Handelsspanne zu sehen. Als Nachteile ergeben sich höhere Kosten der Distribution und ein möglicherweise geringerer Distributionsgrad.
In der Markenartikelindustrie im Sinne des Konsumgütermarketing wird der Begriff Direktvertrieb (einstufiger Vertrieb) auch zur Kennzeichnung der Ausschaltung des Großhandels verwendet. Er stellt dann auf die Direktbelieferung des Einzelhandels, so von Verbrauchermärkten, durch die Markenartikelhersteller ab.
Der Direktvertrieb kennzeichnet in klassischer, institutioneller Abgrenzung eine Distributionsform, mit deren Hilfe Waren- und Dienstleistungen ohne die Einschaltung von Absatzmittlern direkt an potentielle Kunden abgesetzt werden sollen (Distributionspolitik). Aus Anbietersicht wichtiges Merkmal dieser sog. direkten Absatzsysteme ist die unmittelbare Geschäftsbeziehung zwischen Anbieter und Nachfrager. Die Begriffsabgrenzung ist aber nicht einheitlich und kann auch andere Merkmale heranziehen (vgl. Abb.).
Mit Hilfe des Direktvertriebs werden Waren- und Dienstleistungen an Dritte durch Aussendienstmitarbeiter vorwiegend im persönlichen Verkauf bzw. im Wege des lele- fonverkaufs abgesetzt (Direktvertrieb im funktionalen Sinne). Der Verkauf ist hauptsächlich anbieterinitiiert und findet mit oder ohne Terminvereinbarung überwiegend in der Wohnung der Zielpersonen (Einzelpersonen oder Gruppen) oder auf der Strasse statt (Strassenhandel, Heimdienst). Wegen des unmittelbaren Kundenkontaktes eignet sich diese Vertriebsform in hohem Masse für präferenzpolitische Aktivitäten. Im Investitionsgütermarketing stellt der Direktvertrieb den Regelfall dar. Die ursprünglich dominierenden Aspekte des Direktvertriebs sind mit zunehmend vergrössertem Wohlstand und verbesserten Angebotsformen des Handels in den Hintergrund gedrängt worden. Früher standen Gesichtspunkte wie die "Versorgung der Bevölkerung" oder die "Einführung von Innovationen" (Staubsauger, Waschmaschinen und Kühlschränke) im Vordergrund der Überlegungen. Heute sind es eher Bequemlichkeitsund Zeitersparnisaspekte. Rechtlich betrachtet handelt es sich beim Direktvertrieb grundsätzlich um eine zulässige Vertriebsform. Allerdings konkurrieren die Grundrechte auf Schutz der Privatsphäre des einzelnen mit dem Recht auf Gewerbefreiheit. Sittenwidrig sind Aktivitäten nach § 6 c UWG (u. a. Schneeballsysteme) sowie die sog. gefühlsbetonte Werbung. Einem eher negativen Gesamtimage in den Medien stehen lt. Befragungen überwiegend positive Erfahrungen von Privatkunden zu bestimmten Direktvertriebsangeboten gegenüber. Nach Angaben des Interessenverbandes kommt dies auch in einer Stornierungsquote von nur 3,9%o, einer Beschwerdequote von 0,23 %o und einem Anteil der Stammkundschaft von 77% zum Ausdruck. Zu den vertrauensbildenden Massnahmen zählt das von der Legislative geschaffene allgemeine Widerrufsrecht innerhalb einer Woche. Interessenvertreter der direkt vertreibenden Unternehmen ist der Arbeitskreis "Gut beraten - zu Hause gekauft", der auch Verhaltensstandards für den Direktvertrieb kodifiziert hat.
Siehe auch Distributionspolitik,
Literatur:
* Engelhardt, W H./Witte, P., Dirketvertrieb im Konsumgüter- und Dienstleistungsbereich, Stuttgart.
* Tietz, B., Struktur und Dynamik des Direktvertriebs, Landsberg a. Lech.
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