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Anlagengeschäft

Das Anlagengeschäft ist ein Bereich des Investitionsgütermarketing, der vom Systemgeschäft und vom Produktgeschäft abgegrenzt wird. Dabei handelt es sich neben dem Systemgeschäft und dem Produktgeschäft um eine Form des Investitionsgütermarketing, die nach dem Umfang des Leistungsangebotes der Anbieter unterschieden wird.

Während das Produktgeschäft den Verkauf von einzelnen Aggregaten bzw. Komponenten umfasst, wird beim Anlagengeschäft und Systemgeschäft der Absatz von komplexen Leistungsbündeln organisiert. Das Anlagengeschäft fokussiert im Gegensatz zu den anderen beiden Formen auf einzelne bzw. wenige Kunden, in dem es sich hier um kundenindividuelle Hardware- oder Hardware-/Software-Bündel (i.d.R. großindustrielle Anlagen wie z.B. Raffinerien, Walzwerke usw.) zur Fertigung weiterer Güter und Leistungen handelt. Auf Grund dieser Individualität der Leistung erfolgt beim Anlagengeschäft der Vermarktungs- vor dem Her-stellungsprozess. Zudem ist das Anlagengeschäft im Gegensatz zum Systemgeschäft dadurch gekennzeichnet, dass kein zeitlicher Kaufverbund zu anderen Leistungen besteht .

Als Charakteristika des Anlagengeschäfts lassen sich nach Backhaus (1999, S.451ff.) und Meyer/Kern/Diehl (1998, S. 144ff.) zusammenfassen:

- kundenindividuelle, i.d.R. einmalige Leistungserstellung als Auftragsfertigung (Einzel-)fertigung

- hoher Wert des Projektes mit entsprechender Bedeutung der Auftragsfinanzierung

- langfristige Beschaffungsentschteidungsprozesse und Abwicklungsprozesse mit starker Phasendifferenzierung

- komplexe Hardware-Software-Kombinationen, wobei der Softwarebereich ständig an Bedeutung gewinnt

- endgültige Ausgestaltung des Projektes im Laufe des Interaktionsprozesses mit z.T. hohem Einfluss der Abnehmer

- Zusammenarbeit mehrerer Anbieter in Anbieterkoalitionen

- Einschaltung von Drittparteien

- Stabilität von Marktpartnerbeziehungen sowohl innerhalb der Anbieterkoalition als auch zwischen Anbietern und Nachfragern - Bedeutung von Referenzanlagen (Referenz).

Unter kompletten industriellen Anlagen werden Leistungsan­gebote verstanden, die ein durch die Vermarktungsfähigkeit abgegrenztes, von einem oder mehreren Anbietern in einem geschlos­senen Angebot erstelltes, kundenindividuel­les Hardware- oder Hardware-/Software-Bündel zur Fertigung weiterer Güter darstellen. Die Hard- und Software-Elemente werden zum großen Teil in Einzel- oder Kleinserienfertigung erstellt und überwie­gend beim Kunden zu funktionsfähigen Ein­heiten montiert.

Leistungsangebote, die diese Merkmale aufweisen und somit als Anlage bezeichnet wer­den, sind z. B. Raffinerien, Walzwerke, Energieerzeugungs-, Flugplatzbefeuerungs- und Flugsicherungsanlagen. Aufgrund der hohen Komplexität von Anlagen erstreckt sich der Vermarktungsprozess über einen relativ lan­gen Zeitraum. Es läßt sich zeigen, dass dabei klar unterscheidbare (Teil-) Phasen defi­nierbar sind, in denen unterschiedliche Marketingpro­bleme virulent werden, so dass es sich an­bietet, die Marketingentscheidungen im Anlagengeschäft phasenspezifisch zu be­handeln. I.d.R. unterscheidet man bei der Vermark­tung von Anlagengeschäften die Voranfra­gen-, Angebotserstellung-, Kundenverhandlungs- und Gewährleistungsphase.

Zentrales Marketing-Problem in der Voranfragenphase ist es, durch gezielte Kommuni­kationspolitik eine Stimulierung des Bedarfs nach Industrieanlagen zu erzeugen. Ist dies gelungen, was sich in einer Anfrage doku­mentiert, beginnt beim Anbieter die Angebotserstellungsphase. Zentrales Instrument ist hier die Anfragenanalyse und Anfragenbewertung, im Rahmen derer versucht wird, Informatio­nen zu generieren, die Hinweise liefern, ob ein Projekt weiterverfolgt werden soll oder nicht. Für die Anfragenselektion ist eine Vielzahl von Verfahren entwickelt worden. Gleichzeitig ist darüber zu entscheiden, ob das Projekt allein bearbeitet oder in Form von sog. Anbietergemeinschaften ein An­gebot erstellt werden soll. Neben der Wahl der rechtlichen Form der Anbietergemein­schaft stellt sich insb. das Problem der Wahl der Kooperationspartner.

In der Angebotserstellungsphase ist auch eine Entscheidung über den Angebotspreis zu fällen. Neben der Höhe des Preises (Angebotspreiskalkula­tion) spielen auch Fragen der Preissiche­rung eine Rolle, da das Anlagengeschäft i. d.R. ein mehrperiodiges Geschäft ist, in dem vielfältige Kostensteigerungen relevant werden können. Erfolgt die Vergabe im We­ge einer Submission, so sind die Besonder­heiten der Submissionspreisfindung zu be­achten.

Da das Anlagengeschäft häufig mit interna­tionalen Kunden abgewickelt wird, kommt nicht zuletzt wegen der hohen Wertdimen­sion von Anlagen der auftragsspezifischen Exportfinanzierung (Financial Enginee­ring) zentrale Bedeutung für den Marketingerfolg zu. Nach Angebotsabgabe beginnt die Kundenverhandlungspbase, in der Verhandlungen über technische Leistungsmodifikationen, die Auftragsfinanzierung und damit zusam­menhängend die Zahlungsbedingungen und den effektiven Abschlußpreis relevant wer­den. Das Marketing eines Anlagenlieferanten en­det nicht mit dem Auftragseingang. Vielmehr ist es sinnvoll und wichtig, die Projektab­wicklung so zu steuern, dass die vertraglich vereinbar ten Leistungen so erbracht werden, dass beim Kunden keine Dissonanzen auftre- ten (Nachkauf-Marketing). Da jedes ab­gewickelte Projekt für mögliche Folgeaufträ­ge als Referenzanlage anzusehen ist, bestimmt gerade das Kundenurteil die Er­folgschancen bei Folgeaufträgen (auch) mit anderen Nachfragern.

Siehe auch Investitionsgütermarketing

Literatur:  
* Backhaus, K., Investitionsgütermarketing, 2. Aufl., München.
* Engelhardt, W. H.; Günter, B., Investitionsgüter-Marketing, Stutt­gart u.a.

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