1. In seinem - Erwartungs-ValenzModell der Motivation modelliert Victor H. Vroom menschliches Verhalten grundsätzlich als Entscheidungsverhalten. Das Individuum hat sich jeweils zwischen mehreren Handlungsalternativen zu entscheiden. Er definiert Motivation dementsprechend “als Prozess, der die Wahl zwischen verschiedenen (freiwilligen) Aktivitäten bestimmt.”
Um die Präferenz für eine Handlungsalternative genau bestimmen zu können, führt Vroom zwei Konzepte ein: Valenz und Instrumentalität.
Valenz bezieht sich ganz allgemein darauf, wie sehr das Individuum eine bestimmte Handlungsalternative bzw. deren Ergebnis (“first level outcome”) schätzt. Die Instrumentalität dagegen zeigt an, welche Eignung das Individuum einem “Ergebnis erster Stufe” zuspricht, ein “Ergebnis zweiter Stufe” (“second level outcome”) herzustellen. Die Instrumentalität kann positiv, neutral oder negativ sein; es gibt Handlungsalternativen, die der Erreichung der Persönlichen Ziele nicht nur nicht förderlich, sondern sogar abträglich sind.
Die Valenz (der “Nutzen”) eines “Ergebnisses erster Stufe” bestimmt sich dann auf dem Hintergrund seiner Instrumentalität, bestimmte Zielzustände herzustellen und dem Wert (Valenz), den das Individuum diesen Zielzuständen (Ergebnisse zweiter Stufe) beimißt. Mathematisch wird die Valenz eines Ergebnisses erster Stufe von Vroom als eine monoton steigende Funktion der algebraischen Summe der Produkte aus den Valenzen aller “second level outcomes” und der kognizierten Instrumentalität, diese zu erreichen, ausgedrückt:
Darin bedeuten:
Vj = Valenz des first level outcome j;
V* = Valenz des second level outcome k k;
ljk = die kognizierte Instrumentalität von first level outcome j zur Erreichung von second level outcome k.
Die zugrundeliegende Mittel-Zweck-Beziehung, die auf dem Gedanken der externen Belohnung aufbaut (extrinsische Motivation), kann nicht die gesamte - Varianz der Valenz einer Handlungsalternative erklären. Manche (first level) outcomes werden als Zwecke für sich gesehen. So sind z.B. manche Individuen bestrebt, eine gute Arbeitsleistung zu erbringen, unabhängig davon, ob sie dafür mit anderen Dingen belohnt werden (d.h. bestimmte “second level outcomes” erreichen). Man spricht dann von intrinsischer Motivation oder “ego involvement”. Die herausragende Arbeitsleistung selbst wird als belohnend empfunden. Galbraith & Cummings haben daher vorgeschlagen, die Vroomsche Valenzbestimmung um die intrinsischen Faktoren so zu erweitern, dass sich die Gesamtvalenz aus der Summe der extrinsischen E k”I und der intrinsischen Faktoren errechnet.
Vo = Valenz, die durch ego involvement bestimmt wird.
Um die Motivation bzw. die treibende Kraft, eine Handlung auszuführen (force to act), bestimmen zu können, postuliert das Vroom-Modell, unter der Annahme subjektiver Rationalität, einen multiplikativen Zusammenhang zwischen subjektiver Wahrscheinlichkeit und Valenz.
Die Motivation, eine Handlung auszuführen, ist demnach eine monoton steigende Funktion der algebraischen Summe der Produkte aus den Va-lenzen aller Handlungsergebnisse (erster Stufe) und der Höhe der kognizierten Wahrscheinlichkeit, dass die Handlungsausführung die vorgestellten Ergebnisse (erster Stufe) tatsächlich bewirken kann:
F = die treibende Kraft (Motivation), eine Handlung i auszuführen (force);
E, = die Höhe der Wahrscheinlichkeit (0 < Eil < 1), dass einer Handlung i das Ergebnis (first level outcome) j folgt;
VV. = alenz des Ergebnisses (first level outcome)
t.
Das Individuum wird sich demnach für jene Alternative entscheiden, die den höchsten positiven (bzw. kleinsten negativen) Motivationswert hat.
2. Der Begriff der Valenz (valence) bzw. der Ambivalenz stammt aus der von Kurt Lewin aus der Gestalttheorie (gestalt psychology) entwickelten Feldtheorie (field psychology), derzufolge individuelles Verhalten eine Funktion von Persönlichkeits- und Umweltvariablen ist, die in einem mathematisch rekonstruierbaren Lebensraum (life space) lokalisiert werden können. Unter Feld wird dabei das Ergebnis von Kräften verstanden, durch das der sie umgebende Raum eine bestimmte dynamische Beschaffenheit erhält; alles Verhalten und Handeln ist ein Handeln innerhalb eines ganzheitlichen Kraftfelds, in dem persönliche Variablen und Umweltvariablen interagieren. Valenz ist danach die Fähigkeit eines Objekts, ein Individuum durch Auslösung einer bestimmten Bedürfnisdisposition zum Handeln zu aktivieren, indem sie es entweder anzieht (positive Valenz) oder abstößt (negative Valenz) oder teilweise anzieht und teilweise abstößt (Ambivalenz). Ambivalenz bezeichnet mithin doppelwertige, in entgegengensetzte Richtungen weisende, d.h. teils positive (Appetenz), teils negative Komponenten (Aversion) der Einstellung gegenüber einem Einstellungsobjekt.
Der zentrale Begriff der Feldtheorie ist der des Lebensraums, d.h. die Konstellation treibender Kräfte innerhalb des Individuums und seiner Umwelt. Das Verhalten eines Individuums (B) ist danach eine Funktion (f) des Lebensraums (LS), der sowohl die Person (P) wie die Kräfte der Umwelt (E) umfaßt:
B = f(LS).
Dabei besteht der Lebensraum aus verschiedenen Regionen oder Lebenssphären (life spheres) wie z.B. der Familie oder dem Beruf. Der Lebensraum stellt ein Kräftefeld dar, d.h. die Gesamtheit der koexistierenden und interdependenten Faktoren. Verhalten ist diejenige Bewegung innerhalb des Lebensraums, die sich aus den treibenden Kräften ergibt.
Eine positive Valenz bedeutet eine vorbewußte, emotionale Hinstimmung, die auch die spätere rationale Erfassung und Verarbeitung des Wahrnehmungsobjekts färbt, wohingegen eine negative Valenz eine emotionale Barriere aufbaut und bei einer neutralen Valenz anzunehmen ist, dass der Wahrnehmungsgegenstand eine Aktivierung oder Motivierung nicht zu bewirken vermag. Meist ist von Valenz im Sinne von positiver Valenz die Rede. Dabei wird das Wahrnehmungsfeld eines Individuums durch seine konkrete Bedürfnissituation so strukturiert, dass Objekte mit einem dieser Situation entsprechenden Aufforderungscharakter Aufmerksamkeit auf sich ziehen, weil sie für das Individuum als eine Möglichkeit zur Bedürfnisbefriedigung Bedeutung erhalten.
Die Entstehung ambivalenter Wahrnehmungen, Einstellungen oder Beziehungen setzt in der Regel eine starke Affektivität gegenüber dem Objekt voraus, was erklärt, warum ambivalente Bindungen entgegen der vorschnellen Annahme, es möge die Tendenz bestehen, die darin liegende Dissonanz der Einstellungen zu beseitigen, meist relativ dauerhaft sind.
Lewin definierte - Konflikt als eine Situation, in der die auf eine Person einwirkenden Kräfte ungefähr gleich stark in entgegengesetzte Richtungen wirken. Antriebskräfte können folglich drei Formen des Konflikts bewirken:
(1) Appetenzkonflikt (approach-approach conflict): Eine Person steht zwischen zwei positiven Valenzen oder Zielen.
(2) Vermeidungskonflikt (avoidance-avoidance conflict): Eine Person steht zwischen zwei negativen Valenzen.
(3) Appetenz-Aversions-Konflikt (approach-avoidance conflict): Eine Person steht zwischen einer positiven und einer negativen Valenz, die beide dieselbe Richtung im Lebensraum haben.
Die Ansätze der Produktpositionierung gehen
durchweg auf die Feldtheorie zurück. So versucht das psychologische Marktmodell, die Struktur der Meinungsverteilung im sozialen Feld darzustellen und zu erklären. Grundlage dieser Konzeption des Image ist die Vorstellung, dass dieses nicht Ausdruck zweier Realitäten, einer subjektiven und einer objektiven Wirklichkeit ist, sondern dass die objektiven Gegebenheiten im subjektiven Vorstellungsbild enthalten seien.
In Anwendung des feldtheoretischen Ansatzes auf die Marktpsychologie liegt die Wirksamkeit von Marktkommunikation weniger in der Weckung oder Steigerung von Bedürfnissen, sondern in der neuartigen Zusammenschau von Bereichen und Tätigkeiten, die bis dahin nicht als zusammengehörig empfunden wurden. Danach ist die manifeste oder latente “Nische”, die zu finden Ziel der Suche nach neuen Abnehmerkreisen ist, eine Art Windschatten in der Zugluft polarer Meinungsfelder, ein “unbestrichenes” Feld mit besonders flachem Aufforderungsgradienten, das gerade durch die noch unbestimmte Absättigung seiner Bedürfnisvakanzen gekennzeichnet ist.
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