Das Vertikale Marketing hat neben der Machtpolitik spezielle vertikale Marketingstrategien zum Inhalt, nämlich (Irrgang, 1989): Selektionsstrategie: Die Selektionsstrategie beinhaltet die Auswahl derBetriebsformen bzw. Unternehmen des Handels, mit denen der Hersteller zusammenzuarbeiten wünscht (Vertriebswegepolitik), den angestrebten Distributionsgrad innerhalb der anvisierten Betriebsformen und die Betreuung (persönliche Kontakte z.B. über den Außendienst, direct mailings etc.) der Absatzmittler im Rahmen des Beziehungsmanagements. Dabei ist neben der einheitlichen auch eine selektive d.h. unterschiedliche Betreuung des Handels möglich. Determinanten der Selektionsstrategie sind insb. das Einkaufsverhalten der Verbraucher (welche Verbraucher-Zielgruppe kauft das interessierende Produkt in den verschiedenen Betriebsformen ein?) und die Stellung (Marktanteile) sowie die Marketing- ebenso wie Einkaufspolitik der Betriebsformen bzw. Unternehmen im Handel. Stimulierungsstrategie Die Stimulierungsstrategie legt Art und Intensität der Anreize des Herstellers fest, die darauf abzielen , dass der Handel i.S. des Herstellers tätig wird. Dabei können monetäre und nicht-monetäre Anreize unterschieden werden. In der Praxis stehen erste- re, insb. in Form von diversen Rabatten, Werbekostenzuschüssen und Sonderkonditionen (Konditionenpolitik) im Vordergrund. Da die Listung eines Produktes durch den Handel und auch die Forcierung des Abverkaufs nicht ausschließlich durch Rabatte bestimmt wird, ist eine Ausweitung der Stimulierung bzw. Motivation über monetäre Anreize hinaus durchaus sinnvoll, zumal damit u.U. einem Preisverfall am Endabnehmermarkt vorgebeugt werden kann. Möglichkeiten hierfür bieten: die vertikale Produktpositionierang. Dem Handel sind hierbei spezifische Produkteigenschaften wie z.B. eine überdurchschnittliche Umschlagsgeschwindigkeit oder eine spezielles Verbraucherimage des Produktes deutlich zu machen. die vertikale Herstellerpositionierung, d.h. die Kommunikation einer besonderen Kompetenz des Herstellers, das Heraussteilen eines leistungsfähigen Vertriebs oder spezieller Serviceleistungen für den Handel. Untersuchungen zeigen, dass auch nicht-monetäre Anreize und die darauf basierende vertikale Präferenzstrategie eine tragfähige Basis für eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel darstellen können.
(3) Kontraktstrategie Im Rahmen der Kontraktstrategie wird festgelegt, ob die Beziehungen zum Handel überhaupt im Rahmen von Vertragen festgeschrieben werden sollen und wie die Vertragsgestaltung dann im einzelnen auszusehen hat. Insbesondere folgende Punkte sind dabei zu regeln: Führerschaft in der Zusammenarbeit Hersteller/Handel (der Initiator - häufig der Hersteller- wird versuchen, seine Führerschaft festzuschreiben; Bereiche und Umfang der festzuschreibenden Leistungen und Gegenleistungen (z.B. abzunehmende Mengen bzw. zu tätigende Umsätze, Unterstützung des Herstellermarketings durch spezifische Aktivitäten des Handels; Intensität der Kooperation (aus der Sicht des Herstellers: möglichst intensive Kooperation bei den Bereichen, die Einfluß haben auf seine Erfolgsfaktoren); Kontrollmöglichkeiten (Akzeptanz auch verdeckter Kontrollen); Fristigkeit der Zusammenarbeit (der Hersteller denkt in der Distribution eher langfristig, der Handel wünscht Flexibilität). Typische Erscheinungsformen der vertikalen Kooperation sind Franchise- und Ver- tragshändler-Systeme. Die Ausgestaltung der vertikalen Kontrakte ist grundsätzlich nicht unproblematisch, da die Vertragsfreiheit durch rechtliche Normen (GWB) deutlich eingeschränkt wird. Daneben beinhaltet die vertikale Marketingstrategie die Festlegung eines Strategiestils. Im vertikalen Marketing werden die Extrempole „völlig friedlicher Stil“ einerseits und „völlig konfliktärer Stil“ andererseits d. R. nicht besetzt. Vielmehr kristallisieren sich Stile heraus, die im Bereich „kooperativ“ bzw. „aggressiv“ einzuordnen sind. Ein kooperativer Stil äußert sich insb. indem Bemühen, Konflikte soweit wie möglich zu reduzieren, ein aggressiver Stil in dem Versuch des Herstellers, den Handel zu dominieren (Marketingführerschaft). Die Strategie der Konfliktreduzierung beinhaltet z. B. die Information des Handels über (geplante) Aktivitäten des Herstellers und/oder die (zumindest teilweise vorgenommene) Abstimmung der Herstellerpolitik auf die Erfordernisse des Handeis. In der Praxis zeigt sich, dass die Strategie der Konfliktreduzierung von den Herstellern nicht nachhaltig genutzt wird. Immer wieder weist der Handel auf vermeidbare Reibungsverluste hin. Literatur. Irrgang, W., Strategien im vertikalen Marketing. Handelsorientierte Konzeptionen der Industrie, München 1989. Vertikales Marketing Der Handel stellt eine Seite des „magischen Dreiecks“ in der marktorientierten Unternehmensführung der Industrie dar: Bei der Festlegung einer Konzeption ist er nebenden (potentiellen) Kunden bzw. Endverbrauchern und den Mitbewerbern zu berücksichtigen (Marketing). Der Handel wirkt auf das Marketing der Industrie in doppelter Weise: quantitativ - er hat einen Einfluß auf die an den Endverbraucher abverkauften Men§en qualitativ - er bestimmt, ob und in welchem Maße das EndverbraucherMarketingdes Herstellers auch im Handel umgesetzt wird. Der Einfluß wird um so stärker, je größer die Nachfragemacht der Handelsbetriebe ausfällt. Aufgrund starker Konzentrationsprozesse in vielen Handelsmärkten ist diese in den 80 er Jahren stark gestiegen, so dass auch das Interesse am vertikalen Marketing gewachsen ist. Entsprechend bemüht sich die Industrie, auf die nachgelagerten Handelsstufen Einfluß zu nehmen. Der Handel wird damit zum Gegenstand einer spezifischen Konzeption der Industrie - des vertikalen Marketing. In der Praxis ist dafür auch die - leicht mißverständliche - Bezeichnung „Handelsmarketing“ gebräuchlich. Als strategische Kernbereiche des vertikalen Marketings sind folgende Ebenen anzusehen, aus denen sich dann die jeweilige Operationalisierungergibt: Die Ziele im vertikalen Marketing haben festzulegen, wie die Funktionsaufteilung zwischen Hersteller und Handel gehandhabt werden soll (Marketingführerschaft), welchen Anteil an der gesamten Distributions- bzw. Vertriebsspanne der Hersteller realisieren möchte. Die Strategien beinhalten Machtstrategien - je größer die Marktmacht eines Herstellerunternehmens, desto größer auch das Gestaltungspotential im vertikalen Marketing, das vertikale Marketing (i. e. S.) - hier geht es darum, die „richtigen“ Absatzmittler auszuwählen (Selektiwertrieb), diese Absatzmittler zu motivieren, i.S. des Herstellers tätig zu werden („Stimulierungsstrategie“), die Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel ggf. festzuschreiben („Kontraktstrategie“). Der Strategie-Stil (Konfliktreduzierung bzw. Dominanz) kann als Leitmotiv der Zusammenarbeit angesehen werden. Im Rahmen der Operationalisierungd.es vertikalen Marketing sind z. B. festzulegen: Angebotsprogramm gegenüber dem Handel, Service, Dienstleistungen, die dem Handel gewährt werden, Logistik, Lieferbereitschaft, Lagerhal- tung, Spannen- und Rabattpolitik, Kommunikation gegenüber dem Handel, d.h. z.B. persönliche Kommunikation (durch Mitglieder der Geschäftsführung, durch die verschiednen Chargen des Außen- und Innendienstes) oder parallel dazu mediale Kommunikation (sales folder, Anzeigen in Fachzeitschriften etc.) sowie Händler-Promotions, die in den Handelsunternehmen anzusprechenden Entscheidungsträger (Beschaffungscontrolling). In der Vergangenheit hat sich die Praxis des vertikalen Marketing sehr intensiv auf die Rabatt- und Konditionenpolitik konzentriert. Erst in letzter Zeit mehren sich die Stimmen, die versuchen, andere Aspekte in den Mittelpunkt zu stellen, wie z.B. das Bemühen um eine möglichst große gemeinsame Wertschöpfung („Wertschöpfungspartner- schäften“) oder eine „Koalition zwischen Hersteller und Handel“, die dann - unausgesprochen - zu Lasten des Verbrauchers ginge, um für beide Seiten (insb. im Lebensmittelbereich) wieder auskömmliche Margen zu erwirtschaften (vertikale Kooperation). Hierbei wird jedoch übersehen bzw. untergewichtet, dass Hersteller und Handel zwar z. T. gemeinsame Interessen haben, zwischen beiden Stufen jedoch gleichzeitig ein Wettbewerb um die Aufteilung der Funktionen und der Vertriebsspanne herrscht. Dieser Konflikt ist grundsätzlicher Natur, d. h. „systemimmanent“ -er wird i. d. R. das Verhältnis Hersteller/Handel dominieren. Schließlich ist die Durchsetzung einer insgesamt höheren Vertriebsspanne abhängig von der Preiselastizität für die einzelnen Produkte. Bei zahlreichen Produkten existiert jedoch ein stark ausgeprägtes Preisbewusstsein der Verbraucher, was hohen Wettbewerbsdruck auf der Handelsstufe erzeugt. Systemimmanent und wettbewerbspolitisch funktional sind alle Interessengegensätze auf Grund des Strebens beider Stufen nach Gewinn bzw. nach einem möglichst hohen Anteil an der Vertriebsspanne eines Produktes und nach Unabhängigkeit bzw. nach selbständiger Festlegung der Unternehmenspolitik: Der Hersteller möchte dabei meistens - möglichst ohne spürbare Einengung durch konträre Handelswünsche - seine Produkte durch den Handel „durchsteuern“, möchte das Verbrauchermarketing möglichst „im Griff behalten“. Der Handel dagegen wehrt sich gegen Aktivitäten des Herstellers, die sein spezifisches Handelsmarketing begrenzen (Marketingführerschaft). Die Hersteller versuchen ferner, möglichst hohe Markteintrittsbarrieren für konkurrierende Anbieter aufzubauen bzw. zu erhalten. Der Handel wünscht dagegen niedrige Eintrittsbarrieren, um ggf. vom Wettbewerb der Hersteller untereinander zu profitieren. Konflikte zwischen Hersteller und Handel sind somit nicht auflösbar, es stellt sich lediglich die Frage, wie sie gehandhabt werden sollen. Dabei herrschen insb. Unstimmigkeiten darüber, wer von beiden welche Funktionen (im Endverbraucher-Marketing, in der Warenwirtschaft oder in der Informationswirtschaft) für welchen Anteil an der Vertriebsspanne durchführen soll. Durch den zunehmenden Wettbewerb sowohl zwischen Industrieunternehmen als auch zwischen Handelsunternehmen ist man allgemein bemüht, strategische Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Wettbewerbsorientierte Strategien haben aber zwangsläufig auch einen Einfluß auf die Beziehungen zur vor- bzw. nachgelagerten Stufe, d.h. auch Auswirkungen auf den vertikalen Wettbewerb. Die Übernahme von Funktionen beinhaltet aber nicht nur Gestaltungsmöglichkeiten, sie ist zwangsläufig auch mit Kosten verbunden. Der Funktionsverteilungskonflikt und der Konflikt um die Verteilung der Vertriebsspanne gehen somit Hand in Hand. Zu einem Verteilungskampf kommt es insb. dann, wenn ein Unternehmen den Status quo der Funktions- und Spannenverteilung verläßt und dadurch das labile Gleichgewicht zwischen Hersteller und Handel stört. Für die Zukunft hat das vertikale Marketing von einem grundsätzlichen vertikalen Wettbewerb auszugehen. In dieser Situation sollten deshalb langfristige strategische Überlegungen nicht von operationalen Aspekten im Verhältnis Hersteller/Handel (wie z.B. von der Taktik der Rabattverhandlungen) überlagertwerden.
Literatur: Becker, ]., Marketing-Konzeption. Grundlagen des strategischen Marketing-Managements, 4. Aufl., München 1992. Diller, H., Key- Account-Management als vertikales Marketing- Konzept, in: MARKETING-ZFP, 11 Jg. (1989), S.213-223. Irrgang, W., Strategien im vertikalen Marketing. Handelsorientierte Konzeptionen der Industrie, München 1989.
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