(Societas Europea) Die Idee einer Europäischen Aktiengesellschaft reicht bis 1959 zurück. Nach diversen Denkschriften, Vorentwürfen, Berichten und Revisionen erlangte insb. der geänderte Vorschlag einer Verord nung über das Statut für Europäische Aktiengesellschaften von 1975 Bedeutung. Das Statut umfasst mit seinen über 400 Artikeln ein vollständiges modernes Aktienrecht inkl. eines konzernrechtlichen Abschnittes, ferner Teile eines Betriebsverfassungsgesetzes und weist zudem auch noch steuerrechtliche Bezüge auf. Formal und inhaltlich orientiert es sich stark am deutschen Aktienrecht. Im Regelfall soll die Europäische Aktiengesellschaft durch Verschmelzung zweier Gesellschaften aus verschiedenen Nationen entstehen. Der Entwurf präferiert als Leitungskonzept das Vorstand-Aufsichtsrat-System gegenüber dem angelsächsischen Board-System. Der Aufsichtsrat soll sich pluralistisch zu je einem Drittel aus Vertretern der Aktionäre, der Arbeitnehmer und des "allgemeinen Interesses" zusammensetzen. Im konzernrechtlichen Teil des Statuts wird im Unterschied zum deutschen Recht nicht zwischen Vertrags- und faktischem Konzern differenziert. Die Schutzrechte von Minderheitsaktionären, Gläubigern und Arbeitnehmern kommen ohne Rücksicht auf die Existenz von Unternehmensverträgen zum Zuge. Dem herrschenden Unternehmen steht allerdings auch bei faktischer Abhängigkeit ein gesetzliches Weisungsrecht zu. Die Fülle der rechtlichen und politischen Probleme hat diesen grossen Entwurf einer Europäischen Aktiengesellschaft insb. am Widerstand der Mitgliedsländer scheitern lassen.
Im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes 1992 hat die EG-Kommission einen zweiten, geänderten Vorschlag für eine Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft am 25. 8. 1989 vorgelegt. Dieser ist stark reduziert; er beschränkt sich auf das klassische Zentrum eines Aktienrechts: Gründung, Kapital und Kapitalveränderungen, Aktien und sonstige Wertpapiere, wahlweise Vorstand-Aufsichtsrat-System oder Board-System, Jahresabschluss und Prüfung, Auflösung und Liquidation. Verzichtet wurde auf das Konzernrecht sowie die Vorschriften zum Europäischen Betriebsrat und zur Information der Arbeitnehmer. Die Mitbestimmungsfragen wurden "abgespalten" und in einer eigenen Richtlinie zur Ergänzung des SE- Statutes hinsichtlich der Stellung der Arbeitnehmer vom 25.8. 1989 zusammengefasst. Der Richtlinienentwurf stellt verschiedene Mitbestimmungsmodelle wahlweise zur Verfügung. Sie spiegeln die unterschiedlichen Traditionen der industriellen Beziehungen in den Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft wider. Ob bei den gezeigten Wahlmöglichkeiten sowohl hinsichtlich der Leitungsorganisation als auch der Mitbestimmung hier noch von einer "Europäischen" Aktiengesellschaft die Rede sein kann, darf bezweifelt werden.
Vorschlag der EU-Kommission zur Schaffung einer europäischen Gesellschaft, der am 8.10. 2001 formell verabschiedet wurde. Die Gesellschaftsform der Europäischen Aktiengesellschaft ist eine Option für grenzüberschreitend agierende GmbHs (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und AGs (a Aktiengesellschaft), die sich umwandeln oder mit ausländischen Unternehmen zusammenschließen wollen. Das -a Mindestkapital beträgt 120000 Euro. Die Eintragung erfolgt in das -a Handelsregister des Landes, in dem sich die Verwaltungszentrale befindet. Die Registrierung wird im Amtsblatt der EU veröffentlicht.
andere Bezeichnung für Europa-AG.
Literatur: Lutter; M. (Hrsg,), Die Europäische Aktiengesellschaft, 2. Aufl., Köln 1978. Lutter, M. (Hrsg.), Europäisches Unternehmensrecht, 3. Aufl., Berlin, New York 1991.
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