Gruppenarbeitsmodell, das allen offensteht, die sich freiwillig mit aktuellen Problemen ihres Arbeitsplatzes befassen und einen Beitrag zur Verbesserung der Organisation leisten wollen. Obwohl die Einrichtung der Lernstatt unabhängig vom Konzept des Qualitätszirkels zu Beginn der 70er Jahre entstanden ist, weisen beide Ausbildungs- und Organisa- tionsentwicklungskonzepte Gemeinsamkeiten auf. Das Lernstatt-Konzept wurde ursprünglich von Firmen wie Bosch, BMW, Hoechst usw. dazu eingesetzt, um insb. die sprachliche und soziale Kompetenz ausländischer Mitarbeiter zu fördern. Wesentliche Ziele des Lernstatt-Konzepts sind: Lösung aktueller Probleme, Kostenreduzierung (Steigerung des Leistungsgrades) und Humanisierung der Arbeitsbedingungen. Zentrale Bedeutung haben dabei die sog. Moderatoren (vgl. Abb.), die von Lernstatt- Beratern aus dem Bereich einer Problemlösungsgruppe gewonnen werden. Sie sollen die einzelnen Lernstattrunden strukturieren und insb. die Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmer fördern. Die Sitzungen finden grundsätzlich während der Arbeitszeit im Betrieb statt. Eine Weiterentwicklung sind die sog. Werkstattzirkel, die sich auf die Lösung von Qualitäts- und Produktionsproblemen beschränken und damit grössere Ähnlichkeit mit den Qualitätszirkeln aufweisen. Literatur: Antoni, C. H., Qualitätszirkel als Modell partizipativer Gruppenarbeit, Bern u. a. 1990. Dunkel, D. (Hrsg.), Lernstatt, Köln 1983. Kirchhoft, BJ Gutzan, P., Die Lernstatt, Grafenau 1982. Manch, H., Werkstattzirkel, Quickborn 1981.
ist ein Instrument der Personal- und Organisationsentwicklung, bei dem Mitarbeiter in einem längerfristigen Prozess in Gruppen zusammenkommen, um in einem ganzheitlichen Lernprozess selbst entwickelte Themenstellungen bearbeiten. Die Organisation ähnelt den so genannten Qualitätszirkeln. Siehe auch Lernen, organisationales und Lernen.
Qualitätszirkel
Eine Einrichtung in Produktionsbetrieben, in der die Mitarbeiter zusammenkommen, um ihr Grundwissen über betriebliche Zusammenhänge zu erweitern, betriebliche Erfahrungen auszutauschen und zu vertiefen, die Kommunikation und — Kooperation im Betrieb zu fördern, die Verbundenheit mit der eigenen Arbeit zu stärken und Eigeninitiative zu wecken. Charakteristisch für Lernstätten ist ihre Offenheit für unterschiedliche Fragestellungen, eine weitgehende Abwesenheit von Erfolgsdruck sowie die Betonung des Aspekts der Persönlichkeitsentfaltung durch einen hohen Grad an Mitwirkungsmöglichkeiten.
Zur Zielsetzung der Lernstatt gehört auch die allgemeine persönliche Entwicklung des Mitarbeiters und nicht allein die Entfaltung seiner fachlichen Kompetenz und seine Einbeziehung in die betriebliche Problemlösung: Ihr übergreifendes Ziel ist es, ein gemeinsames Lernen und Zusammenarbeiten in Kleingruppen zu ermöglichen, das auf der Basis freiwilliger Teilnahme der Weiterentwicklung der fachlichen und sozialen Kompetenz der Teilnehmer und der Bewältigung anstehender betrieblicher Probleme dient. Die Lernstatt sieht also die Förderung der sozialen Kompetenz gleichrangig mit der Förderung der Fachkompetenz.
Dem Konzept der Lernstatt liegt die Idee zugrunde, dass Probleme vor Ort, also dort wo sie auftreten, von den Betroffenen selbst durch Zusammenarbeit in Kleingruppen und mit Hilfe angemessener Problemlösungstechniken wie
- Metaplanmethoden angegangen und gelöst
werden sollen. Dementsprechend werden deutsche Meister, Vorarbeiter und Werker ausgewählt und zu Laienpädagogen (Sprachmeister) ausgebildet. Sie vermitteln ihren ausländischen Kollegen die Fach- und Umgangssprache, die diese zur Bewältigung ihres betrieblichen und außerbetrieblichen Alltags benötigen. Kleingehaltene Lerngruppen — zwei Sprachmeister betreuen jeweils sechs bis acht ausländische Arbeitnehmer — ermöglichten es, die von den Teilnehmern vorgebrachten Probleme in Rollenspielen zu simulieren und in Diskussionen aufzuarbeiten. Da die Sprachvermittlung am Beispiel konkreter betrieblicher und außerbetrieblicher Abläufe und Probleme erfolgt, erwerben die ausländischen Arbeitnehmer zugleich ein Verständnis für betriebliche Zusammenhänge. Die Vermittlung sprachlicher Kompetenz ist somit unmittelbar verbunden mit der Erhöhung fachlicher und sozialer Kompetenz. Da andererseits die deutschen Kollegen und Vorgesetzten als Sprachmeister auch lernen, die Probleme der ausländischen Arbeitnehmer besser zu verstehen, trägt der Sprachunterricht in der Lernstatt insbesondere bei den unmittelbar Beteiligten auch zu einem besseren gegenseitigen sprachlichen und sozialen Verständnis und Auskommen bei. Die Lernstatt führt daher auch zu einer Verbesserung der betrieblichen Zusammenarbeit. Kernelemente der Lernstatt sind die Lernstattgruppen, die von Moderatoren betreut werden, Moderatorenrunden, Situationsberater bzw. Experten, Lernstatt-Arbeitskreise für mittlere und untere Führungskräfte, Beraterkreise, bestehend aus oberen Führungskräften, und eine Lernstatt-zentrale.
Lernstattgruppen werden nicht geleitet, sondern moderiert. In der Regel sind pro Gruppe zwei Moderatoren vorhanden. Die freiwilligen Teilnehmer rekrutieren sich meistens aus einer Arbeitsgruppe, sie können aber auch aus unterschiedlichen Meistereien oder Abteilungen stammen, wenn dies die Problembearbeitung erfordert. Benötigt eine Lernstattgruppe Fachinformationen zur Problemlösung, will sie Probleme oder Vorschläge zu deren Lösung mit Experten diskutieren, so kann sie einen Situationsberater als Gesprächspartner einladen. Neben Spezialisten in den verschiedensten Fachgebieten, kann dies aber auch der Abteilungsleiter der Lernstattgruppe sein. Mit ihm kann die Gruppe beispielsweise Problemlösungen diskutieren, oder die Bereitstellung notwendiger Ressourcen besprechen.
In der Moderatorenrunde tauschen die Moderatoren der verschiedenen Lernstattgruppen ihre Erfahrungen aus, bilden sich methodisch weiter und holen Hilfe bei der Lösung aufgetretener Probleme bei Kollegen oder Mitarbeitern der Lernstattzentrale ein. Die Mitarbeiter der Lernstattzentrale entsprechen in der Funktion den “change agents” bei der Organisationsentwicklung. Sie sind verantwortlich für die Planung, Ein- und Durchführung, Kontrolle und Weiterentwicklung des Lernstattprogramms. Als Ansprechpartner der Fachstellen stimmen sie mit ihnen das Gesamtkonzept eines Lernstattprojekts ab. Sie führen die Feldarbeiten zur Problem- und Datenerhebung durch, die die Grundlage der Projektplanung bilden und versuchen, Mitarbeiter und Führungskräfte für das Lernstattkonzept zu gewinnen. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Ausbildung der Moderatoren sowie ihre spätere Beratung in den Moderatorenrunden und ihre Unterstützung bei auftretenden Problemen. Die Mitarbeiterzahl der Lernstattzentrale hängt von der Größe des Unternehmens bzw. des Lernstattprogramms ab. Für die Durchführung eines Projekts sollten aber zumindest zwei Personen als Team zur Verfügung stehen. Dabei können neben internen auch erfahrene externe Berater hinzugezogen werden.
Der Ausdruck Lernstatt ist eine Wortschöpfung aus “Lernen” und “Werkstatt”. Das Konzept entstand Anfang der 1970er Jahre, um die Kommunikationsprobleme ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb zu lösen. Insbesondere in den Produktionsabteilungen der Automobilindustrie erreichte der Anteil der ausländischen, meist türkischen Arbeitnehmer, damals bisweilen 90 Prozent der gewerblichen Arbeitnehmer. Hohe Fluktuation, hohe Fehlzeiten, Qualitätsprobleme und Verständigungsschwierigkeiten aller Art kennzeichneten die damalige Situation großer Teile der deutschen Industrie. Nachdem jahrelang Versuche gescheitert waren, durch konventionellen Deutschunterricht an Volkshochschulen und im werkseigenen Sprachlabor diese Verständigungsprobleme zu lösen, entwickelten Helga Cloyd und Waldemar Kasprzyk von der Berliner Arbeitsgruppe “cooperative arbeitsdidaktik” (cad) im Auftrag der Firma BMW zusammen mit dem dortigen Personalreferenten für ausländische Arbeitnehmer, Jürgen Laber, 1973 das Konzept der Lernstatt.
Später erfolgte die Umorientierung des Lernstatt-Konzepts vom reinen Sprachmodell zum allgemeinen Kommunikations- und Problemlösungsmodell einer basisorientierten Organisationsentwicklung. Das im weiteren Verlauf bei BMW entwickelte differenzierte Modell unterscheidet drei Arten von Lernstattgruppen, die jeweils unterschiedlichen Anforderungen genügen sollen:
(1) Lerngruppen: Sie sollen die fachliche und soziale Kompetenz der Mitarbeiter, ihre Zusammenarbeit und ihre Identifkation mit betrieblichen Problemen fördern und selbstausgewählte betriebliche und Mitarbeiterprobleme bearbeiten. Angeregt werden sie durch Vorgesetzte Moderatoren oder interessierte Mitarbeiter. Sie werden arbeitsgruppenbezogen, ohne zeitliche Begrenzung gebildet, setzen sich aus Zeitlöhnern zusammen und werden vornehmlich von Meistern und Einstellern, bisweilen aber auch von qualifizierten Werkern, moderiert.
(2) Fachgruppen: Bei ihnen steht die Wissensvermittlung, die Information und der Erfahrungsaustausch und die Bearbeitung fachbezogener Probleme, die nach einer gemeinsamen Schwachstellenanalyse ausgewählt wurden, im Vordergrund. Sie werden ins Leben gerufen, wenn Defizite bei fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten entdeckt werden. Ihre Zusammensetzung ergibt sich aus der jeweiligen Problemlage, Mitarbeiter und Meister können also auch aus verschiedenen Meistereien kommen. Gleich den Lerngruppen werden sie von Meistern, Einstellern aber auch Werkern moderiert und sind zeitlich unbegrenzt.
(3) Aktionsgruppen: Ihr Ziel liegt in der Lösung aktueller, komplexer und in der Regel bereichsübergreifender Probleme (z.B. Qualitätsverbesserungen, Verbesserung der Arbeitsabläufe etc.). Zu deren Bearbeitung werden sie abteilungsübergreifend gebildet und nach deren Bewältigung wieder aufgelöst. Die Teilnehmerstruktur ist problemspezifisch, die Moderation übernehmen meist untere Führungskräfte.
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