Hierunter fasst man die kostenorientierte Preisfindung und die Setzung des Angebotspreises für Versicherungsprodukte zusammen. Bedingt durch die Ex-ante-Indeterminiertheit der Hauptkostenkomponente des Versicherungsproduktes, der Schadenkosten, spielen in der Versicherungswirtschaft mathematische Verfahren der kostenorientierten Preisfindung (Tarifierung, Tarifkalkulation) eine bedeutende Rolle. Bei der Tarifkalkulation wird grundsätzlich in drei Schritten vorgegangen. Zunächst werden diejenigen Faktoren herausgefiltert, die ein unterschiedliches Schadenverhalten erklären (Risikofaktoren), und auf die signifikanten Schadenursachen reduziert, die in die Kalkulation eingehen (Tariffaktoren). Für diese wird eine adäquate Zahl von Ausprägungen festgelegt, und die Einzelrisiken werden diesen Ausprägungen zugeordnet. Man erhält so einen nach Risikogruppen klassifizierten Bestand (Tarifklassen); innerhalb der Teilbestände weisen die Einzelrisiken (idealiter) eine identische Verteilung auf. Da die Beobachtungsdaten der Vergangenheit innerhalb der Teilbestände (Schadenerfahrung) noch Zufallsschwankungen enthalten, ist die unmittelbare Ableitung einer risikoadäquaten Prämie, also einer Prämie, die mit der Schwere des Risikos korrespondiert, noch nicht möglich. Zunächst ist eine Zufallsbereinigung vorzunehmen. Diese Glättung der Daten geschieht durch die Verknüpfung der Schadenerfahrung einer Tarifklasse mit der Schadenerfahrung der anderen Tarifklassen. Diese geglätteten Kalkulationsgrundlagen werden im letzten Schritt, der Tarifkalkulation, zusammengeführt. Als Ergebnis erhält man die sog. Risikoprämie, die um Betriebskostenzuschläge nach Art der Vollkostenrechnung zur Bruttoprämie ergänzt wird. Bei dieser Form der Kalkulation wird die Risikoprämie nur nach der Kollektiverfahrung des Teilbestandes differenziert (primäre Prämiendifferenzierung). Unberücksichtigt bleiben dabei möglicherweise erhebliche Unterschiede in der individuellen Schadengeschichte der einzelnen Versicherungsnehmer innerhalb des Teilkollektivs. Um diese Schwäche auszugleichen, werden die Prämien in einzelnen Versicherungszweigen (z. B. in der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung) entsprechend der Schadenerfahrung der einzelen versicherungstechnischen Einheiten durch Zu-oder Abschläge von der Durchschnittsprämie weiter differenziert (sekundäre Prämiendifferenzierung, Erfahrungstarifierung). In der Versicherungswirtschaft werden die einzelnen Versicherungsverträge oftmals langfristig abgeschlossen oder sie verlängern sich ohne Kündigung automatisch um ein weiteres Jahr. Aus diesem Grund können die Kalkulationsgrundlagen der einzelnen Verträge weit in die Vergangenheit zurückreichen, und die Prämie kann nicht mehr adäquat kalkuliert sein. Diese ausserhalb des eigentlichen Kalkulationszeitraumes liegenden Kostensteigerungen werden durch Prämienanpassungsklauseln, die Bestandteil der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind, auszugleichen versucht. Werden Prämienanpassungsklauseln seitens des Versicherers angewendet, steht dem Versicherungsnehmer in bestimmten Fällen ein ausserordentliches Kündigungsrecht des Versicherungsvertrages zu. Neben dieser traditionellen Form der Kalkulation gewinnt in letzter Zeit auch das betriebswirtschaftliche interne Rechnungswesen (Versicherungsperiodenrechnung) eine stärkere Rolle bei der Preisfindung, indem Wahrscheinlichkeiten von Anschlusskäufen anderer Versicherungsprodukte des gleichen Anbieters (Cross-selling) und Kapitalanlageerlöse (Cash-flow-Underwriting) berücksichtigt werden. Auch Preiselastizitäten der Nachfrage fliessen verstärkt in den Preisfindungsprozess ein. Der betriebswirtschaftlichen. Preispolitik sind jedoch durch die Genehmigung von Geschäftsplänen oder Tarifen in bestimmten Versicherungszweigen aufsichtsrechtliche Grenzen gesetzt (z. B. in der Lebensversicherung oder der Kraftfahrtversicherung). Literatur: Albrecht, P./Lippe, St., Prämie, mathematische und wirtschaftliche Fragen, in: Farny, D. u. a. (Hrsg.), Handwörterbuch der Versicherung, Karlsruhe 1988, S. 525 ff. Farny, D., Nichtversicherungstechnische Erträge und Prämienbedarf in der Schaden-/Unfallversicherung, in: Versicherungswirtschaft, 38. Jg (1983), S. 398 ff. und 476 ff. Lipperheide, M., Prämienanpassungsklauseln, in: Farny, D. u. a. (Hrsg.), Handwörterbuch der Versicherung, Karlsruhe 1988, S. 541 ff. Zimmermann, J., Die Gestaltung einer prozessorientierten Einzelkosten- und. Deckungsbeitragsrechnung für Schadenversicherungsunternehmen, Karlsruhe 1992.
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