Bei der Vollkostenrechnung werden im Gegensatz zur Teilkostenrechnung alle Kosten, die bei der Leistungserstellung und Leistungsverwertung angefallen sind, den einzelnen Kostenträgern zugerechnet. Da die Kosten sich aus fixen und variablen Kosten zusammensetzen, ist die Zurechenbarkeit der fixen Kosten vielfach unmöglich. Die Vollkostenrechnung verliert zwar als Lenkungsinstrument innerhalb des Betriebs an Bedeutung, sie wird aber weiterhin gebraucht (z.B. bei der Ermittlung der Herstellungskosten für den Jahresabschluß und für die Wirtschaftlichkeitsrechnung).
Die Vollkostenrechnung ist die Rechnung, in deren Verlauf sämtliche Kosten dem Kostenträger zugerechnet werden. Sie ist ein Kostenrechnungssystem, bei dem sämtliche Kosten, d. h. alle Einzelkosten und alle Gemeinkosten, im Wege der Kostenartenrechnung erfasst, in der Kostenstellenrechnung verteilt und in der Kostenträgerrechnung auf die Kostenträger (Leistungseinheiten) zugerechnet werden.
Im Gegensatz zur Teilkostenrechnung, bei der nur Teile der Kosten auf die Kostenträger verteilt werden, entsteht hier das Problem, daß sowohl Fixkosten als auch Gemeinkosten, für die der Kostenträger, auf den diese verteilt werden nicht ursächlich ist, bei der Kalkulation von Preisen zu Fehlinformationen führen können. So muss bei der Wahl zwischen Eigenfertigung versus Fremdbezug darauf geachtet werden, dass auch beim Fremdbezug Teile der fixen und gemeinen Kosten in die Abwägung einbezogen werden.
Vollkostenrechnung umfaßt die Gesamtheit aller Verfahren, die im Gegensatz zur Teilkostenrechnung alle Kosten auf die Kostenträger oder andere betriebliche Bezugsobjekte (z. B. Kostenstellen) verrechnen.
Die Vollkostenrechnung verstößt gegen das Verursachungsprinzip und führt oft zu betrieblichen Fehlentscheidungen. Sie sollte durch eine Teilkostenrechnung (Deckungsbeitragsrechnung, Grenzplankostenrechnung) ergänzt oder ersetzt werden.
Eine Ausnahme bildet die Ermittlung der Selbstkosten bei öffentlichen Aufträgen, Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP).
Die Systeme der Vollkostenrechnung haben als gemeinsames Merkmal, daß die gesamten Kosten der Abrechnungsperiode bis auf die Kostenträger verteilt werden. Als zentrale Bestandteile umfassen sie in der Regel eine Kostenarten-, eine Kostenstellen-, eine Kostenträgerstückrechnung oder Kalkulation sowie eine zur kurzfristigen Erfolgsrechnung ausgebaute Kostenträgerzeitrechnung. In der Kostenartenrechnung werden die gesamten Kosten einer Periode erfaßt und nach relevanten Merkmalen gegliedert. Üblicherweise rechnet man die Einzelkosten direkt den Kostenträgern zu, während die Gemeinkosten in der Kostenstellenrechnung auf Kostenstellen verteilt und über die Zuschlagssätze der Endkostenstellen auf die Kostenträger umgelegt werden. Charakteristisch für Vollkostenrechnung ist, daß die Summe der Stückkosten (unter Berücksichtigung von Bestandsänderungen) gleich der Summe der artmäßig gegliederten Gesamtkosten einer Periode ist. Als wichtigste Formen der Vollkostenrechnung lassen sich Istkosten-, Normalkosten- und Plankostenrechnungen ansehen. Während in einer Istkostenrechnung lediglich realisierte Kosten (und Leistungen) erfaßt werden, ermittelt man in Normalkostenrechnungen durchschnittliche Istkosten vergangener Perioden und gibt der Artige Normalkosten den Kostenstellen vor. Dagegen werden in Plankostenrechnungen die Kosten und Leistungen für eine zukünftige Abrechnungsperiode bestimmt.
Das zentrale Problem von Vollkostenrechnung besteht in der Verteilung der Gemeinkosten bzw. Fixkosten. Bei entsprechender Kostenstellengliederung lassen sie sich im allgemeinen noch verursachungsgemäß auf die Vorkostenstellen und Endkostenstellen zuordnen. Jedoch ist eine Verteilung zumindest der fixen Gemeinkosten von Vor- und Endkostenstellen sowie von den Endkostenstellen auf die Kostenträgerarten und insbesondere die Kostenträgereinheiten nach dem Verursachungsprinzip nicht möglich.
Deshalb müssen diese Kosten in Vollkostenrechnung mit Hilfe von Schlüsseln verteilt werden. Vielfach strebt man damit eine verursachungsgemäße Kostenverteilung an, ohne sie erreichen zu können. Als wichtigste Kostenschlüssel verwendet man Mengenschlüssel wie Zähl-, Zeit-, Raum-, Gewichts oder technische Maßgrößen sowie Wertschlüssel wie Kosten-, Einstands-, Absatz-, Bestands und Verrechnungsgrößen. Zentrale Einwände gegen Vollkostenrechnung sind auf die Kostenschlüsselung und die Verwendbarkeit ihrer Informationen für Entscheidungen ausgerichtet. Eine verursachungsgemäße Verteilung von Gemeinkosten wäre nur möglich, wenn zwischen den Gemeinkosten und den Bezugsgrößen der Einzelkosten eine eindeutige Beziehung bestehen würde. Da diese Bedingung in der Regel nicht erfüllt ist, läßt sich ein großer Teil der Gemeinkosten nicht verursachungsgemäß aufteilen.
Fixe Kosten sind im allgemeinen dadurch gekennzeichnet, daß ihre Höhe von Veränderungen der Beschäftigung unabhängig ist. Da die Zahl der hergestellten bzw. abgesetzten Kostenträgereinheiten ein wichtiges Maß der Beschäftigung bildet, sind fixe Kosten durch die einzelnen Kostenträgereinheiten nicht veränderbar. Sie hängen von übergeordneten Entscheidungen über die Betriebsbereitschaft ab, deren Ausprägung durch die Menge der gesamten Kostenträger, nicht durch das einzelne Stück bestimmt wird. Deshalb ist eine Zuordnung von anteiligen Fixkosten auf die Kostenträger(einheiten) nach dem Verursachungsprinzip im allgemeinen nicht durchführbar. Da die Fixkosten bei gegebener Betriebsbereitschaft unverändert bleiben, sind sie für kurzfristige Entscheidungen nicht relevant. Eine Verwendung von Vollkosteninformationen für derartige Entscheidungen trägt Gefahren in sich. Dies wird vor allem deutlich, wenn man z. B. die Preisforderungen an den vollen Stückkosten ausrichtet. Dann müßten im Falle eines Beschäftigungsrückganges die Preise erhöht werden, weil sich die Fixkosten auf weniger Produkteinheiten aufteilen, wodurch der Nachfrageschwund verstärkt würde. Ferner wäre es kurzfristig falsch, wenn man beispielsweise Produkte mit negativem Stückerfolg nicht mehr herstellen und verkaufen würde, obwohl ihre Preise über den variablen Stückkosten liegen und damit zur Deckung der Fixkosten beitragen können.
Andererseits wird zugunsten der Vollkostenrechnung vorgebracht, daß auf längere Sicht die gesamten Kosten einer Unternehmung gedeckt werden müssen und sich die Preise daher mittel und langfristig an den gesamten Durchschnittskosten zu orientieren hätten. Da bei mittel und langfristigen Entscheidungen auch fixe und Gemeinkosten verändert werden können, sind sie in diesem Bereich als relevant zu berücksichtigen. Ferner wird häufig eine Vorgabe lediglich von Teilkosten als problematisch angesehen, weil sich die Abteilungen und Stellen mit einer Erwirtschaftung dieser Kosten z. B. über Verkaufspreise zufriedengeben und die Notwendigkeit einer Deckung der Gesamtkosten aus dem Auge verlieren könnten.
Siehe auch: Vollkostenkalkulation,
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