ist ein Staat, der im Rahmen seiner Fürsorge dem einzelnen Bürger die Maßnahmen zu einer Existenzsicherung und Gefahrenabwendung in großem Maße abnimmt.
In der sozialistischen Wirtschaftslehre: >Sozialstaat
In der Wirtschaftssoziologie: die Vorstellung, der Staat könne durch Vollbeschäftigungspolitik und ein lückenloses System der sozialen Sicherung alle individuellen Lebensrisiken in einer kapitalistischen Gesellschaft abdecken und dadurch „Wohlstand für alle“ (L. Erhard) schaffen.
in den westlichen Industrieländern verbreitete Erscheinungsform der privatwirtschaftlichen Marktwirtschaft mit bedeutendem staatlichen Interventionismus zur Umverteilung von Einkommen und Vermögen. Es gibt keine geschlossene Konzeption des Wohlfahrtsstaates. Gunnar Myrdal, neben Per Albin Hansson einer der Väter des Schwedischen "Volksheim"-Modells, sieht im Wohlfahrtsstaat ein "allgemein anerkanntes Ideal der Bevölkerung" auf dem Weg zu einer sozialistischen Ordnung. Die folgende Übersicht zeigt die Expansion sozialstaatlicher Aktivitäten in den westlichen Industrieländern und die dabei führende Rolle Schwedens. Die Hauptgründe für diese Expansion können in der Praxis der "unbeschränkten Demokratie" (Friedrich A. von Hayek) gesehen werden. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass sich im politischen Wettbewerb Politiker durchsetzen, die — meist in enger Verbindung mit Interessengruppen — dazu neigen, neue wählerwirksame sozialstaatliche Wünsche zu wecken und die Wähler mit dem Angebot entsprechender Staatsleistungen zu gewinnen. Berücksichtigt man, dass in Deutschland der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Bundestagsabgeordneten zwischen 1949 und 1990 von 28% auf 59,7% gestiegen ist, dann wird angesichts des grossen Wählerpotentials der Arbeitnehmer verständlich, warum der Sektor sozialstaatlicher Leistungen auch in der Bundesrepublik beträchtlich gewachsen ist. Kennzeichen für die wohlfahrtsstaatliche Eigendynamik der Demokratie sind: · Im demokratischen Wettbewerb dominiert das Verteilungsdenken über das Leistungsdenken. · Die Wähler werden dazu verleitet, im Staat eine Einrichtung zur Erlangung von Sondervorteilen zu sehen. · Die Interessenverbände versuchen den Staat mit ständig neuen sozialstaatlichen Forderungen zu konfrontieren und deren Durchsetzung durch hohe Zentralisierung und weitgehende Repräsentativität zu erleichtern. · Es kommt zur Inflationierung der Staatsaufgaben. · Die sozialen Konflikte werden heftiger, weil die wachsenden Steuer- und Soziallasten den Verteilungskampf verstärken, zumal — typisch für den Interventionismus — viele Verteilungsmassnahmen nicht zielkonform sind und die Effizienz der Marktwirtschaft verschlechtern. Anzeichen für die Systemverschlechterung sind vor allem: · Verdrängung marktgesteuerter Handlungsbereiche durch politisch kontrollierte Bürokratien mit der Folge der Behinderung einer ökonomisch rationalen Arbeitsteilung. Dies gilt für weite Bereiche der medizinischen Versorgung, der sozialen Sicherungssysteme, des Bildungswesens, der Versicherungs-, Verkehrs- und Wohnungswirtschaft. Soweit die entsprechenden Güter zum Nulltarif angeboten werden, kommt es zu einer verschwenderischen Nachfrageexpansion und Fehlallokationen. · Verdrängung marktmässiger Verteilungslösungen durch politik- und verbandsbestimmte Verfahren, etwa im Falle von staatlichen Absatz- und Einkommensgarantien mit der Folge einer Schwächung der Innovationsdynamik. · Lähmung der Marktdynamik durch wettbewerbsbeschränkende — Regulierung und Immobilisierung der Faktormärkte, etwa durch eine marktwidrige Mindestlohnpolitik und durch Ersetzung des dispositiven durch zwingendes Arbeits- und Mitbestimmungsrecht. · Einschränkung des Handlungsspielraums der Wirtschaftspolitik zugunsten ermessensmächtiger, legislativer und exekutiver Kontrolle entzogener Verbände (Neo-Korporatismus) mit der Konsequenz, dass sich die Begleiterscheinungen des Wohlfahrtsstaates (Inflation, Arbeitslosigkeit, krisenhafte Staatsverschuldung, Konzentrationsförderung, Fehlinvestitionen, Schattenwirtschaft) strukturell verfestigen. Marktwirtschaftliche Lösungen zur Eindämmung des Wohlfahrtsstaates zielen auf eine Selbstbeschränkung des politischen Wettbewerbs hin, etwa — im Anschluss an Knut Wicksell — durch verfassungsrechtliche Beschränkungen der Besteuerung und der staatlichen Schuldenaufnahme oder — im Anschluss an Friedrich A. von Hayek — durch vertikale Aufteilung der Gesetzgebungskompetenz auf zwei Kammern, wobei der ersten Instanz die Aufgabe der Ordnungspolitik und der zweiten die der Ablaufpolitik, mit klaren geld- und fiskalpolitischen Restriktionen durch die erste Kammer, zugedacht sind. Literatur: Hamm, W., An den Grenzen des Wohlfahrtsstaates, in: ORDO, Band 22 (1981), S. 117 ff. Lundberg, E., The Rise and Fall of the Swedish Model, in: Journal of Economic Literature, Vol. 23 (1985), S. 1 ff. Streit, M. E., Zur politischen Ökonomie von Reformen wohlfahrtsstaatlicher Institutionen, in: Siebert, H. (Hrsg.), Perspektiven der deutschen Wirtschaftspolitik, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1983, S. 165 ff.
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