(Deutsch auch: Schattenökonomie, Untergrundwirtschaft., Engl.: moonlight-economy, second economy, underground economy)
Schattenwirtschaft umfasst alle wirtschaftlichen Aktivitäten, die nicht in die Berechnung des Sozialproduktes eingehen. Dazu gehören: Nachbarschaftshilfe, Schwarzarbeit, Alternativökonomie, Selbstversorgung und ggf. auch kriminelle Handlungen. Der Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttosozialprodukt kann zwar nicht exakt ermittelt werden, dürfte aber sowohl zeitlich als auch von Land zu Land stark schwanken. Der für die Bundesrepublik Deutschland mit verschiedenen Methoden errechnete Wert liegt bei ungefähr 16 % des Bruttoinlandsprodukts.
Die Schattenwirtschaft ist derjenige Teil der Wirtschaft, der staatlicherseits nicht erfasst wird. Dazu gehört einerseits der informelle Sektor mit Selbsthilfe und Nachbarschaftshilfe, sozialen Leistungen und ehrenamtlicher Tätigkeit; andererseits der illegale Sektor mit individueller Schwarzarbeit und Schwarzhandel, organisierter Schattenwirtschaft mit Schwarzfirmen, illegaler Beschäftigung und organisierter Kriminalität.
In der Wirtschaftssoziologie: Sammelbegriff für alle Wirtschaftsaktivitäten, die in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht erfasst werden (können). Es zählen dazu Schwarzarbeit, Geschäfte ohne Rechnung, Hausarbeit, Subsistenzwirtschaft, Heimwerkerarbeit, Nachbarschaftshilfe, Teile der Alternativökonomie, aber auch kriminelle Transaktionen wie z.B. der Drogenhandel, Computerkriminalität oder Subventionsbetrug. Die Ursachenforschung und -wertung von Schattenwirtschaft gestaltet sich je nach Betroffenheit verschieden: so lässt sich etwa intensive Nachbarschaftshilfe beim Hausbau aus der Sicht der Arbeitgeber als entgangener Auftrag, aus staatlicher Perspektive als nicht steuerpflichtige Tätigkeit oder aus dem Blickwinkel des Helfenden oder eines Sozialarbeiters als sinnstiftende und den Gruppen-Zusammenhalt fördernde Tätigkeit interpretieren.
in weitester Abgrenzung alle privatwirtschaftlichen Aktivitäten, die zwar zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung beitragen, aber nicht in die Sozialproduktsberechnung eingehen, weil man sie entweder — etwa aufgrund internationaler-Konventionen zur Aufstellung Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen — nicht erfassen will oder nicht erfassen kann, da sie gegenüber dem Staat verheimlicht werden. Im ersten Falle handelt es sich im wesentlichen um die weitgehend legale und abgabenfreie Selbstversorgungwirtschaft privater Haushalte (Hausarbeit, Kindererziehung, Güter- und Dienstleistungsproduktion in Selbsthilfe, Nachbarschaftshilfe u. ä.) und privater Selbsthilfeorganisationen (soziale Dienste, Umweltaktivitäten, Beratung u. ä.); im zweiten Falle geht es um die sog. Untergrundwirtschaft: Unter diesem Begriff subsumiert man legale und illegale Aktivitäten (bei letzteren handelt es sich insb. um Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung etc.), die mit Abgabenhinterziehung verbunden sind.
Diese Komponente der Schattenwirtschaft - gelegentlich mit ihr gleichgesetzt - hat seit Beginn der 90er Jahre vermutlich stark zugenommen und steht im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion. Gleichgültig, ob der Begriff "Schattenwirtschaft" enger oder weiter gefasst wird, in jedem Falle zielt er auf eine sich verstärkende Tendenz des privaten Wirtschaftssektors, dem mit dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates verbundenen Anstieg der Abgabenlast (Steuern, Sozialabgaben), aber auch zunehmendem Regulierungsdruck auszuweichen. Hinzu kommen mag, dass die Ausstattung der Haushalte mit Real- und Humankapital wächst (was in Verbindung mit wachsender Freizeit Selbstversorgung begünstigt), ein Wertewandel eingetreten ist und moralische Standards in Staat und Gesellschaft zumindest relativiert worden sind.
Aus der Expansion der Schattenwirtschaft können erhebliche Probleme für den offiziellen Arbeitsmarkt, für die Finanzierung des Wohlfahrtsstaats (die deshalb notwendig werdende Abgabensteigerung im offiziellen Bereich erhöht wiederum den Anreiz für Schattenwirtschaft) und für die Wirtschaftspolitik (die Makrodaten, auf denen sie basiert, werden verfälscht) resultieren. Andererseits werden Beschäftigungschancen realisiert, die wegen zu hoher Lohnkosten und Sozialabgaben sonst nicht realisiert werden könnten, was im übrigen via Güternachfrage im offiziellen Bereich dort die Beschäftigung ebenfalls anregt. Ähnlich stehen sich unter Allokations- und. Effizienzgesichtspunkten negative (verminderte Arbeitsteilung, verstärkter Naturaltausch, Wettbewerbsverzerrungen, Umverteilungseffekte) und positive Wirkungen (höhere Motivation im nicht-regulierten Bereich, Wachstumsdynamik) gegenüber.
Umstritten wie Ursache, Wirkungen und somit auch Therapie ist der Umfang der Schattenwirtschaft, der naturgemäss nur indirekt geschätzt werden kann. Je nach begrifflicher Abgrenzung und verwendeten Schätzverfahren schwanken die Angaben über die Grösse der Untergrundwirtschaft in der Bundesrepublik zwischen 10% und 30% des Bruttosozialprodukts.
Literatur und Quellen:
* Rürup, B., Schattenwirtschaft: Wirtschaftspolitisches Problem und gesellschaftlicher Stabilisator.
* Schrage, H., Schattenwirtschaft: Abgrenzung, Definition und Methoden der quantitativen Erfassung, in: Schäfer, W. (Hrsg.), Schattenökonomie, Göttingen.
* Gassel, D./Caspers, A., Was ist Schattenwirtschaft ?, in: WiSt, 13. Jg., S. 1 ff.
* Weck, H./ Pommerehne, W./ Frey, B. S., Schattenwirtschaft, München.
* Franke, S. F., Gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte und Schattenökonomie, in: List-Forum, Bd. 14 (1987/88), 5, S. 253ff.
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