Zum Schutz vor Wettbewerbs Verfälschungen durch das Verhalten privater Unternehmen enthalten Art. 85 ff. EWG-Vertrag (EWGV) ein Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen, welche geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Kartellverbot) sowie ein Verbot des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Nach Art. 85 EWGV sind im Bereich des gemeinsamen Marktes alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, verboten, insb. die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise, die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen, die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen, die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb behindert werden, sowie Koppelungsgeschäfte. Während das deutsche GWB lediglich Kartellverträge allgemein verbietet (§ 1 GWB), sonstige Verträge jedoch nur für bestimmte Fälle (§§15 ff. GWB), verbietet Art. 85 Abs. 1 EWGV wettbewerbsbeschränkende Abreden jeder Art (horizontale und vertikale Absprachen). Das Verbot umfaßt nicht nur Verträge, sondern auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Solche liegen, wie der Europäische Gerichtshof entschieden hat, vor bei einer Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht zum Abschluß eines V ertrages gediehen ist, j edoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten läßt; Indiz kann dafür ein Parallelverhalten sein. Die Anwendung der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages setzt voraus, dass die wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen geeignet sein müssen, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. In diesem Merkmal kommt die Aufgabe der Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrages zum Ausdruck, W ettbewerbsbeschränkungen, die den zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr nachteilig beeinflußen, möglichst zu beseitigen, auch wenn diese auf privaten Absprachen, insb. Kartellen und sonstigen Praktiken beruhen. Damit soll das in Art. 3 f. EWGV festgelegte grundlegende Vertragsziel, Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt, erreicht werden. Das Kartell muss nicht die Wettbewerbsbeschränkung zum Zweck haben. Es genügt, wenn es - auch nur mittelbar - geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen. Eine Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels besteht nicht nur bei Vereinbarungen über den grenzüberschreitenden Warenoder Dienstleistungsverkehr (wie z. B. bei Export- oder Importverboten). Sie kann auch bei mittelbaren Rückwirkungen auf Export oder Import gegeben sein (z. B. kann ein Vertriebsvertrag oder ein Bezugsvertrag, z. B. ein Bierlieferungsvertrag, zusammen mit gleichartigen Verträgen anderer Unternehmen im Bündel zur Errichtung von Handelsschranken beitragen). Die Zwischenstaat- lichkeitsklausel, die ohnehin außerordentlich weit ausgelegt wird, bewirkt also keineswegs, dass nationale Sachverhalte nicht dem EWG-Kartellrecht unterliegen. Vielmehr können auch rein nationale Kartelle oder Vertriebssysteme eine gemeinschaftswidrige Abschottung der nationalen Märkte bewirken. Die Beeinträchtigung muss aber spürbar sein, d. h. von einem quantitativen Mindestausmaß. Die Kommission hat ihre Vorstellungen zur Spürbarkeit in einer Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Art. 85 Abs. 1 EWGV fallen (sog. Bagatellbekanntmachung, neu gefaßt am 3.09.1986), festgelegt. Danach liegt keine Spürbarkeit vor, wenn der Marktanteil für diese Waren oder Dienstleistungen nicht mehr als 5% ausmacht und wenn der Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen innerhalb eines Geschäftsjahres 200 Mio. ECU nicht überschreitet. Wichtige Hinweise über die Zulässigkeit einzelner Kooperationsformen enthält noch die Bekanntmachung der Kommission vom 29.07.1968 über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen (sog. Kooperationsbekanntmachung). Gewerbliche Schutzrechte (z. B. Patentoder Warenzeichen) dürfen nicht dazu benutzt werden, den Import von Waren zu behindern, die aufgrund eines Lizenzvertrages oder durch den Erwerb eines gleichlautenden Schutzrechtes in anderen Staaten hergestellt wurden. Vereinbarungen und Beschlüsse, die gegen Art. 85 Abs. 1 EWG-Ver- trag verstoßen, sind nichtig, soweit sie aufgrund ihres Zwecks oder ihrer Wirkung unter das Kartellverbot fallen (Art. 85 Abs. 2 EWGV). Art. 85 Abs. 3 EWGV sieht die Möglichkeit vor, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, Beschlüsse oder Abstimmungen vom Kartellverbot durch Einzelfreistellung oder Gruppenfreistellung auszunehmen. Die Einzelfreistellung wird durch Anmeldung bei der EG-Kommission beantragt. Die näheren Einzelheiten regelt die Verordnung Nr. 17 vom 6.2.1962 (sog. Kartellverordnung). Die angemeldeten Vereinbarungen und Beschlüsse genießen kraft der Anmeldung Freiheit vor Verfolgung durch Bußgeld und haben die Chance, mit zivilrechtlicher Wirkung rückwirkend zum Datum der Anmeldung freigestellt zu werden. Besondere Privilegien genießen die sog. Alt- Anmeldungen, die vor dem 31.01.1963 eingereicht wurden. Sie begründen eine vorläufige zivilrechtliche Wirksamkeit, die durch spätere Verbotsentscheidungen nicht mehr für die Vergangenheit genommen werden kann (sog. vorläufige Gültigkeit). Gruppenfreistellungen bewirken eine automatische Freistellung ohne Anmeldung. Keine Freistellung stellt der bloße Negativattest nach Art. 2 VO 17/62 dar. Danach kann die Kommission auf Antrag feststellen, dass nach den ihr bekannten Tatsachen für sie kein Anlaß zum Einschreiten besteht. Art. 86 EWGV verbietet die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit diese dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen. Regelbeispiele für einen solchen Mißbrauch nennt Art. 86 Abs. 2 EWGV: Erzwingen unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen, Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher, Wettbewerbsbenachteiligung von Handelspartnern durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertiger Leistung oder Zwang zur Abnahme zusätzlicher Leistungen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen. Die Kommission kann Unternehmen durch Entscheidung verpflichten, Zuwiderhandlungen abzustellen, sie kann auch ohne Verbotsentscheidung (auch für die Vergangenheit) Bußgelder verhängen. Der Europäische Gerichtshof hat im Continental-Can-Urteil vom 21.02.1972 ausgesprochen, dass unter bestimmten engen Voraussetzungen auch Unternehmenszusammenschlüsse als Mißbrauch marktbeherrschender Stellungen nach Art. 86 EWGV verfolgt werden können. Durch die Verordnung Nr. 4064/89 vom 21.12.1989, die zum 21.9.1990 in Kraft trat, ist nunmehr die europäische Fusionskontrolle detailliert geregelt. Die EG-Fu- sionskontrolle gilt für alle Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung. Die Vorschriften des EG-Kartellrechtes haben nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Vorrang vor dem nationalen Recht, wenn die nationalen kartellrechtlichen Vorschriften und ihre Anwendung die einheitliche Anwendung des EG-Kartellrechtes beeinträchtigen würden. Vorrang des Gemeinschaftsrechts bedeutet nicht, dass auf denselben Sachverhalt nicht EG-Kartellrecht und nationales Recht nebeneinander angewendet werden dürfen. Bei Konflikten zwischen beiden Rechtsordnungen setzt sich aber aufgrund der Vorrangregel das EG-Kartellrecht durch.
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