Ein von Heinrich Fromm vorgeschlagener Begriff, der die Funktionen der Linie und des Stabs sinnvoll ergänzt. Die Beschränkung des Stab-Linien-Systems auf Kommunikationsformen wie Information, Beratung und Weisung war eine Konsequenz der autoritären Führungsvorstellung, unter der das System entstand. Dem Stab-Linien-System lag die Absicht zugrunde, alle Entscheidungen, alle Weisungen, alle Einwirkungen, alle Koordination gegenüber den nachgeordneten Bereichen ausschließlich durch den einen alleinverantwortlichen höheren Vorgesetzten geschehen zu lassen. Den - Stäben mußten deshalb unmittelbare Einwirkungsmöglichkeiten verwehrt bleiben.
Da heute jedoch weitere Kommunikationsformen wie Mitsprache, - Konsultation, Kontrolle, - Veto, Auftrag u.a. bekannt sind, hält Fromm es für sinnvoll, durch Einführung der Ordnungsfunktion für “das Zusammenwirken zwischen dem einwirkenden Nicht-Linien-Bereich und jeweiligen Partner ... Formen zu finden, bei denen die Grenzen der beiderseitigen Verantwortung klar bleiben und die weder aus einseitiger Weisung noch aus unverbindlicher Beratung bestehen dürfen”. Dazu wird zwischen einer bisher als Stab bezeichneten Stelle, z.B. der Organisationsstelle, und allen anderen Bereichen, in denen Organisationsfragen zu lösen sind, für das Gebiet der Organisation eine gegenseitige Beteiligungs- und Mitwirkungspflicht und das gegenseitige Vetorecht festgelegt. Fromm: “Dann kann keine Stelle im Unternehmen mehr organisieren, ohne die Organisationsstelle zu beteiligen. Diese ist zur Mitwirkung verpflichtet. Zur fachlichen Einwirkung auf andere Bereiche steht ihr das Vetorecht zur Verfügung. Da es beide Partner besitzen, kann auch die Organisationsstelle nicht organisieren, ohne die Zustimmung der jeweils betroffenen Stelle.
Beide sind auf unmittelbare, gegenseitige Verständigung angewiesen. Beide sind in organisatorischen Fragen von der Zustimmung des anderen abhängig. Diese Verständigung ist zur Erzielung richtiger Lösungen deshalb sinnvoll und notwendig, weil beide Partner verschiedene Erfahrungen und Gesichtspunkte einbringen. Die eine Stelle bringt die generelle Organisationskenntnis und ein Konzept der Gesamtorganisation des Unternehmens, die andere die Kenntnis der besonderen Belange ihres speziellen Bereiches ein. Das Wissen beider Stellen muss in die Lösung einfließen und beider Belange müssen berücksichtigt und koordiniert werden, wenn die Lösung brauchbar sein soll. Beide Partner haben dabei die Aufgabe, einerseits ihre jeweils unterschiedlichen Belange zu vertreten und ihre unterschiedlichen Kenntnisse einzubringen und andererseits dem Partner soweit entgegenzukommen, wie es die eigenen Belange, Ziele und Grundsatzrichtlinien zulassen. Damit sind für beide ihre Grenzen bei dem Verständigungsprozess gezogen. Die für eine brauchbare Lösung sachlich notwendige ergänzende Verständigung und Koordinierung ist so organisatorisch erzwungen. Ein höherer Vorgesetzter braucht nur in den seltenen Fällen eingeschaltet zu werden, in denen die unmittelbare Verständigung nicht gelingt.
Danach kann nun die Organisationsstelle durchaus für die Brauchbarkeit der Gesamtorganisation im Unternehmen verantwortlich gemacht werden. Denn es kann nirgends organisiert werden ohne ihre Mitwirkung und Zustimmung. Nur kann sie nicht allein verantwortlich sein, weil die jeweils Betroffenen ebenfalls mitwirken oder mindestens zustimmen müssen und damit mitverantwortlich sind. Umgekehrt bleibt die umfassende Verantwortung aller anderen Bereichsleiter für das gesamte Geschehen in ihrem jeweiligen Bereich bestehen, da auch in ihrem Bereich nicht gegen ihren Willen organisiert werden kann. Diese Stellen haben nunmehr mit Hilfe des Vetorechtes auch die Möglichkeit, die Einwirkungswünsche anderer stabsähnlicher Stellen auf ihren Bereich nach Maßgabe der speziellen Belange ihres Bereiches selbst zu koordinieren ohne Inanspruchnahme höherer Vorgesetzter. Entsprechend hat auch die Organisationsstelle die Möglichkeit gewonnen, das gesamte organisatorische Geschehen in allen Bereichen des Unternehmens unter ihrem Gesichtspunkt einer optimalen Gesamtorganisation unmittelbar zu beeinflussen und zu koordinieren, ebenfalls ohne Einschaltung höherer Vorgesetzter. Gleichzeitig vollzieht sich in der Organisationsstelle ein zwangsläufiger Erfahrungsaustausch unter allen Bereichen des Unternehmens auf dem Gebiet der Organisation.”
Die Organisationsabteilung kann alle anderen Bereiche ausreichend und unmittelbar einwirken. Trotzdem ist sie nicht auf wirkungslose Beratung beschränkt. Eine weitergehende Einwirkungsmöglichkeit, wie sie z.B. das funktionale Weisungsrecht bietet, wäre überdies für die Brauchbarkeit des Einwirkungsergebnisses nur schädlich.
In dem von Fromm skizzierten Modell bleiben Linienbereiche und Stabsstellen entsprechend ihrer ursprünglichen Definition und Aufgabenstellung erhalten. Er bezeichnet dabei die Linienbereiche als “Hauptfunktionen”.
Stabsfunktionen haben nach wie vor anderen Bereichen gegenüber lediglich ein Informations-und Beratungsrecht sowie eine Unterrichtungsund Beratungspflicht gegenüber ihrem unmittelbaren Vorgesetzten. Da der Stab auf andere Bereiche keine weitergehende Einwirkung ausübt, gelten für ihn weder Beteiligungspflicht noch Vetorecht.
Die Ordnungsfunktion nimmt interne Dienstleistungen gegenüber den anderen Bereichen des Unternehmens wahr. Sie ist dadurch charakterisiert, dass sie für erforderliche direkte Einwirkungen auf andere Bereiche weder auf unverbindliche Beratung beschränkt ist, noch fachliche Weisungsrechte besitzt, sondern sich auf Beteiligungspflicht und Vetorecht abstützt. Dafür verwendet man mitunter auch die Bezeichnung Querschnittsfunktion oder Dienstleistungsfunktion. Fromm: “Der Begriff Ordnungsfunktion ist der allgemeinere und bringt zum Ausdruck, dass diese Funktionsart auf ihrem jeweiligen Fachgebiet die Aufgabe hat, auf alle anderen Bereiche, in denen dieses Fachgebiet auftritt, nach einheitlichen Gesichtspunkten unmittelbar fachlich ordnend einzuwirken.
Die Ordnungsfunktionen wirken also auf ihren Fachgebieten quer in alle Bereiche hinein, in denen ihr Fachgebiet eine Rolle spielt. Sie wirken sowohl in die Hauptfunktionen wie in die anderen Ordnungsfunktionen, wie in die Stabsfunktionen hinein. Sie sind für diese Einwirkung mit dem Vetorecht auf Gegenseitigkeit ausgestattet. Für die anderen Bereiche besteht gegenüber der Ordnungsfunktion in Fragen des Fachgebietes der Ordnungsfunktion Beteiligungspflicht, für die Ordnungsfunktion Mitwirkungspflicht. Durch Beteiligungspflicht und Vetorecht entsteht gegenseitige Zustimmungsabhängigkeit im Fachgebiet der Ordnungsfunktion. Beide Seiten sind gezwungen, sich in allen gemeinsam zu behandelnden Fragen zu verständigen, d.h. einen Kompromiss zu suchen, dem beide unter dem Gesichtspunkt ihrer unterschiedlichen aufgabenbedingten Belange zustimmen können.”
Die Ordnungsfunktionen nehmen vornehmlich - Aufgaben wahr, die in mehreren Bereichen wiederkehren und ursprünglich von diesen Bereichen selbst und oft ohne ausreichende Sachkunde versehen und später ausgegliedert und in fachlich spezialisierten Ordnungsfunktionen zusammengefaßt wurden. Die Ausgliederung hat folgende Vorteile:
· Zusammengefaßte einheitliche und neutrale Wahrnehmung der ausgegliederten Aufgaben durch spezialisierte Fachkräfte.
· Durch die Zusammenfassung ermöglichte stärkere Systematisierung, Spezialisierung und Rationalisierung der zugehörigen Verfahren und Tätigkeiten.
· Möglichkeit zu neutraler und hauptamtlicher Bearbeitung von Grundsatzfragen unabhängig vom Tagesgeschäft.
· Besserer personeller Belastungsausgleich in den ausgegliederten Aufgabengebieten.
· Selbsttätige dezentrale Koordinierung in den Fachgebieten der Ordnungsfunktionen zwischen allen Bereichen.
· Ausrichtung der zu den ausgegliederten Fachgebieten gehörenden Tätigkeiten und Arbeitsverfahren in den anderen Bereichen nach einheitlicher Konzeption und Optimierung dieser Verfahren durch den zwangsläufig erzielten und in den Ordnungsfunktionen verkörperten Erfahrungsaustausch.
· Gewährleistung richtigerer Entscheidungen durch die zwangsweise Beteiligung aller mit-zuständigen und betroffenen Bereiche und durch die gesicherte Koordinierung und Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Erfahrungen und Belange.
· Ausschaltung von Doppelarbeit.
· Bessere Einsichtnahme in die ausgegliederten Funktionen für die übergeordneten Führungsstellen.
· Bildung neutraler Instrumente für die planenden, steuernden, koordinierenden und kontrollierenden Einwirkungsbedürfnisse der höheren Führungsstellen, vornehmlich gegenüber den Hauptfunktionen. Verbesserung der Steuerungsmöglichkeit des Geschehens in den Hauptfunktionen, ohne deren Verantwortlichkeit einzuschränken.
· Bessere Möglichkeit zur Dezentralisierung der Hauptfunktionen, da die Ordnungsfunktionen die notwendige Integration sichern.
· Bessere Transparenz des gesamten Unternehmens und Möglichkeit zur Auflösung allzu autarker Bereiche.
· Schaffung von zwei Wegen zur Information über jedes auf nachgeordneter Ebene auftretende Problem für die Unternehmensspitze, und zwar einer über die Kette der Linieninstanzen und ein anderer über die fachlich zuständige Ordnungsfunktion mit gegenseitiger Kontrollmöglichkeit.
· Geschlossene Vertretung und zwangsläufige Beteiligung der Belange und Fachkenntnisse der ausgegliederten Funktionsbereiche bei der Mitwirkung an übergeordneten Entscheidungen. Dadurch kommt es zu besseren Entscheidungen.
· Möglichkeit zur Intensivierung der Gesamtintegration des Unternehmens durch die Querschnittswirkung der Ordnungsfunktionen.
· Wesentliche Entlastung der oberen Führungsstellen von Optimierungs-, Koordinierungs-, Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben sowie von der Erarbeitung von Grundsatzregelungen und von Einzelheiten.
· Gründe für Mehrfachunterstellungen und funktionale Weisungen entfallen.
“Mit Einführung der Ordnungsfunktion zeigt sich, dass die meisten in der Industrie bisher als Stab bezeichneten Bereiche in Wirklichkeit interne Dienstleistungsinstanzen, d.h. Ordnungsfunktionen sind, und dass echte Stabsstellen recht selten auftreten. Mit der Komplizierung des Geschehens und der Zusammenhänge im Industriebetrieb nimmt die Zahl und Bedeutung der Ordnungsfunktionen zu. Sie sind die eigentlichen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollorgane des Unternehmens. Ordnungsfunktionen können auf allen Führungsebenen auftreten. Ihre Anzahl überwiegt die Zahl der Bereiche mit anderem Funktionscharakter bei weitem. Zentrale Konzernverwaltungen bestehen fast nur aus Ordnungsfunktionen.”
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