Im institutionellen Außenhandel (Außenhandel, institutioneller) wie im internationalen Handel (Handel, internationaler) ist Warenwirtschaft ein Gesamtsystem der Warenverteilung von der Produktionswelt über internationale Verteilerzentren und nationale Distributionseinrichtungen zum Letztabnehmer bzw. Verwender. Aus einzelwirtschaftlicher Sicht umfaßt die internationale Warenwirtschaft die Aktivitäten, die mit der Beschaffung auf internationalen Märkten (Beschaffungsmarketing), dem Transport über Grenzen hinweg (Logistik-Organisation, Eurologistik), der Lagerung im In- und Ausland und dem internationalen Absatz von Waren (Internationales Marketing) verbunden sind. Im engeren Sinne bezieht man die internationale Warenwirtschaft (im Gegensatz zur Materialwirtschaft der Industrie) auf den institutioneilen Außenhandel. 412Warenwirtschaftssysteme (WWS)8963 strukturieren die informatorische Ebene der warenbezogenen Logistik im Handelsmarketing; insofern sind sie eng mit dem System der physischen Distribution, d.h. dem Warenffuß verbunden. Die Aufgaben von WWS sind im wesentlichen: die Disposition, das Bestellwesen, die Wareneingangserfassung, die Rechnungskontrolle, die Warenausgangserfassung, die Kassenabwicklung und die Ableitung von warenbezogenen Steuerungsinformationen (Berichte, Auswertungen, Statistiken). Diese Teilaufgaben eines Warenwirtschaftssystems können entweder manuell erledigt werden (= konventionelle Warenwirtschaftssysteme) oder mit Hilfe der EDV (= rechnergestützte Warenwirtschaftssysteme). Die Einbeziehung aller warenbezogenen Informationsprozesse führt zu geschlossenen Warenwirtschaftssystemen. Rechnergestützte W arenwirtschaftssysteme werden zum einen durch die zunehmende Verbreitung überbetrieblicher Artikel- numerierungssysteme, die neuen Verfahren der Check-out-Erfassung (Datenerfassungssysteme) und zum anderen durch die zunehmende Miniaturisierung der elektronischen Datenverarbeitung ermöglicht. Geschlossene rechnergestützte Warenwirtschaftssysteme sind durch einen modularen Aufbau gekennzeichnet (vgl. Abb.). Zu unterscheiden sind: das Wareneingangs-Modul, das Warenausgangs-Modul, das Dispositions- und Bestellwesen-Mo- dul und das Marketing- und Managementinformations-Modul. Im Mittelpunkt des Wareneingangs-Moduls steht die artikelspezifische Wareneingangserfassung. Sie ist gekoppelt mit dem Abgleich zur Bestellung und damit verbundenen Fehlermeldungen bzw. Korrekturen sowie mit der Bewertung und der Lagerbestandsführung (Vorratspolitik). Die Wareneingangserfassung ist zugleich Basis der Rechnungskontrolle. Beim Wareneingang wird eine Soll-Rechnung (Proforma-Rechnung) erstellt, die mit der Lieferantenrechnung verglichen wird. Die Warenausgangserfassung kann in unterschiedlicher Form erfolgen. Die Ausgangsdaten können vom Kassensystem erfaßt und über Datenträger oder über eine Online- Verbindung dem Rechner zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung gestellt werden. Der Warenausgangserfassung schließt sich die Warenbestandsverbuchung an. Das Dispositions- und Bestellwesen-Modul (Bestelldoktrinen) umfaßt zunächst die Erfassung der Bestellmengen bzw. Warenanforderungen der Filialen bzw. der Anschlußhäuser. Als wesentlicher Bestandteil dieses Moduls kann die Dispositionsunterstützung betrachtet werden. Aufbauend auf den artikelspezifisch geführten Umsätzen und Beständen können unter Berücksichtigung von Bedarf, Lieferzeit, Umschlagshäufigkeit, Mindestbestellmenge, Konditionen und sonstigen Parametern Bestellvorschläge maschinell erstellt werden. Die Bestellvorschläge werden den Disponenten vorgelegt und ggf. modifiziert. In Abhängigkeit von der Struktur der Nachfrage können auch Formen der automatischen Disposition eingesetzt werden, bei denen keine Interaktion des Disponenten erfolgt. Die abgeschlossene Disposition führt zur automatischen Bestellschreibung mit gleichzeitiger Speicherung der Daten zur Bestellüberwachung. Neben der Optimierung der Bestandsführung gehört zur Bestelloptimierung auch die Frage der Lieferantenselektion und die Frage der optimalen Distribution, so die Belieferung einer Filiale über das Zentrallager oder über Strecke. Der Aufbau eines Warenwirtschaftssystems ermöglicht zugleich die Ableitung von Führungsinformationen, Statistiken, Auswertungen u. ä. Einen ersten derartigen Bereich stellt die Inventur dar. So erstellt ein Warenwirtschaftssystem für die Inventuraufnahme eine Zählliste. Die Ist-Bestände können dann mit den gespeicherten Soll-Beständen verglichen werden. Die Artikelgenauigkeit des Informationssystems ermöglicht auch die Durchführung permanenter Inventuren. Neben diesen Informationen lassen sich aus einem geschlossenen Warenwirtschaftssystem Informationen ableiten, die eine wesentliche Fundierung des Handelsmarketing ermöglichen, so Umsätze, Absatzmengen, Spannen, Deckungsbeiträge, Aktionsergebnisse, Sortimentsbeziehungen. Die qualitative und quantitative Leistungssteigerung der elektronischen Informationsund Kommunikationstechnologien ermöglicht darüber hinaus in Filialunternehmen und Verbundgruppen Systeme der verteilten Datenverarbeitung (Distributed Data Processing, DDP) und damit Formen arbeitsteiliger Warenwirtschaftssysteme, so Aufgabenverteilungen zwischen der Zentral-EDV und den Satellitenrechnern in den Verkaufsstellen. Die modernen elektronischen Te- lekommunikationssysteme ermöglichen zugleich die Einbeziehung von Lieferanten, Banken und Marktforschungsinstituten in die komplexen warenwirtschaftlichen Informationsströme (Vernetzung). Zu erwähnensind: der elektronische Bestell-, Liefer- und Rechnungsdatenaustausch mit Lieferanten (Datenträgeraustausch), die elektronische Zahlungsabwicklung am Check-out in Form des POS-Banking (Electronic Banking) die elektronische Kommunikation von Marktdaten sowie elektronische Konsumenten- und Handelspanels, z.B. via Madakom. Die Einbeziehung der Lieferanten, Banken und Marktforschungsinstitute führt zu integrierten Warenwirtschaftssystemen (Computer Integrated Merchandising, CIM).
Literatur: Zentes,J. (Hrsg.), Moderne Warenwirtschaftssysteme im Handel, Berlin u.a. 1984. Zen- tes, /., EDV-gestütztes Marketing, Berlin u.a. 1987. Zentes,].; Exner, R., Warenwirtschaftssysteme im Handel, Rüschlikon, Zürich 1989.
Vorhergehender Fachbegriff: 7 b-Abschreibung | Nächster Fachbegriff: 80-20-Regel
Diesen Artikel der Redaktion als fehlerhaft melden & zur Bearbeitung vormerken
|
|