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Neue Politische Ökonomie

Unter der Neuen Politischen Ökonomie versteht man den Versuch, eine Neuorientierung der Theorie der Wirtschaftspolitik einzuleiten, indem man sich stark an Denkmodellen der klassischen politischen Ökonomie von Adam Smith (1723 - 1790), David Ricardo (1772 - 1823) und John Stuart Mill (1806 - 1873) orientierte. Vor allem wurde den staatlichen Institutionen (Verwaltung, Regierung, Parteien) ein höherer Stellenwert bei den Analysen eingeräumt. Die Vorstellung, politische Entscheidungsträger handelten selbstlos und orientierten sich allein an der Erreichung des gesellschaftlichen Gemeinwohls — eine Prämisse der neoklassisch-wohlfahrtsökonomisch ausgerichteten Wirtschaftspolitik —, wurde aufgegeben, da sie die Rolle staatlicher Institutionen unterschätzte. Konzeptionen der Wirtschaftspolitik, die dem Staat eine Fülle von Kompetenzen im Wirtschaftsablauf einräumten, haben vermutlich zur Entstehung des Wohlfahrtsstaates beigetragen, der zu einem weit verbreiteten Anspruchsdenken geführt hat. Welche Schwierigkeiten bei der Neuordnung wohlfahrtsstaatlicher Vorschriften entstehen, ist in Deutschland seit Jahren konkret erlebbar. In die Neue Politische Ökonomie reichen auch die Theorie der Public Choice und die Theorie der Verfügungsrechte (Eigentumsordnung) hinein.

(= Ökonomische Theorie der Politik) seit den 70er Jahren entwickelter, nicht marxistischer wissenschaftlicher Ansatz zur Integration des wirtschaftlichen und politischen Sektors. Während im Mittelpunkt der traditionellen wirtschaftswissenschaftlichen Forschung und Lehre die Annahme steht, dass die Regierung und die sie tragenden Verwaltungen eine gesamtgesellschaftliche Wohlfahrtsfunktion maximieren, geht die Neue Politische Ökonomie davon aus, dass sich dieser Mechanismus theoretisch nicht unversehrt in die Praxis übertragen läßt: Regierungen, Verwaltungen und Interessengruppen bestimmen nicht nur den Ablauf des politischen, sondern auch des wirtschaftlichen Geschehens, indem sie in erster Linie ihren eigenen Nutzen maximieren. Insoweit erscheint es angebracht, wesentlich stärker die Träger der wirtschaftspolitischen Entscheidungen in der Ökonomie zu berücksichtigen (z.B., wenn es um die Vorschläge wirkungsvoller - d.h. politisch durchsetzbarer - wirtschaftspolitischer Maßnahmen geht), als dies in der traditionellen - Wirtschaftspolitik geschieht. Die Neue Politische Ökonomie untersucht das Verhalten der Regierung, der Verwaltung (Bürokratie) und der Interessengruppen mit Hilfe des ökonomischen Individualansatzes (v.a. unter der Annahme individuellen Rationalverhaltens und unter der Verwendung des ökonomischen Instrumentariums). Auf diese Weise werden die staatlichen Handlungsträger in die ökonomische Analyse integriert. Dieses Vorgehen ersetzt den durch die Wohlfahrtsökonomik verfolgten Ansatz, der Aufstellung gesellschaftlicher Wohlfahrtsfunktionen, die als Handlungsanweisung für die Regierung aufgefaßt werden können. Bei diesem Vorgehen wurde häufig vorausgesetzt, die Regierung verhalte sich als wohlwollender Diktator entsprechend der postulierten Wohlfahrtsfunktion. In der Neuen Politischen Ökonomie wird statt der expliziten (oder impliziten) Voraussetzungen eines im Zustand des Optimums sich befindenden staatlichen Sektors das beobachtbare Verhalten der öffentlichen Entscheidungsträger theoretisch mit der Verhaltensannahme individueller Rationalität (d.h. individueller Nutzenmaximierung) erklärt und empirisch mit Hilfe ökonometrischer Verfahren zu verifizieren versucht; u.a. wird die Voraussetzung des politischen und sozialen Optimums widerlegt, die allein die Ausblendung des politischen Bereiches aus der ökonomischen Analyse begründen kann. Dieser Nachweis wird in fünffacher Weise geführt: a) Demokratische Wahlen und Abstimmungen führen bei widerspruchsfreien individuellen     Präferenzen keineswegs notwendig zu einem widerspruchsfreien Ergebnis. Die voraussichtliche Häufigkeit widersprüchlicher Abstimmungsergebnisse (ARROW-Paradoxon) liegt in demokratischen Entscheidungen mit drei Alternativen bei 9% und bei sechs Alternativen bereits um 32%. b) Eine besondere Form des Marktversagens, die Existenz - öffentlicher Güter, wird für Interessengruppen bedeutsam, deren Leistungen den Charakter solcher Güter aufweisen. Die für eine pluralistische Demokratie notwendige Einbeziehung aller wesentlichen Interessen kann nur über ein Angebotspaket von Leistungen öffentlichen und privaten Charakters erreicht werden. c) Entsprechend gestattet in großen Entscheidungsgremien nur die Verknüpfung vieler verschiedener Probleme die adäquate Berücksichtigung aller Gruppen und deren Interessen (logrolling). d) Der Durchführung einer an einer gesellschaftlichen Wohlfahrtsfunktion orientierten optimalen Wirtschaftspolitik steht neben dem eigennützigen Handeln der Regierung auch das der Bürokratie entgegen, die wie die Regierung eigennützige Ziele verfolgt. e) Schließlich kann selbst von der Regierung nicht angenommen werden, dass sie sich entsprechend den in der traditionellen Ökonomie üblichen Annahmen als benevolent dictator verhält. Das eigennützige Handeln von staatlichen Entscheidungsträgern wird zum ersten Mal von Anthony DOWNS untersucht. In Zwei-Parteien-Konkurrenz-Modellen werden die eigennützig handelnden stimmenmaximierenden Parteien durch einen dem Markt ähnlichen Konkurrenzmechanismus zu bestimmten Optimalitätsbedingungen (PARETO-Optimum) genügender Politik genötigt, die sich an den Wünschen des Median-Wählers ausrichtet. Durch diesen Konkurrenzmechanismus gleichen sich die Parteienprogramme an die Position des Median-Wählers an. Für Systeme mit mehr als zwei Parteien ergibt sich hingegen kein Gleichgewicht mehr, ja es kann sogar eine Polarisierung eintreten. Ein Hauptgewicht der Neuen Politischen Ökonomie liegt in der Formulierung politisch-ökonomischer Gesamtmodelle: In diesen Gesamtmodellen interagieren · Bürger als Wähler und als Nachfrager politischer Güter; · politische Unternehmer, i.d.R. dargestellt als die Regierung oder die Parteien, die im Wettbewerb um die Regierungsgewalt stehen, als (potentielle) Anbieter politischer Güter; · Bürokratien als Produzenten politischer Güter und Dienstleistungen, die sowohl gegenüber den politischen Unternehmern als auch gegenüber der Wählerschaft eigene Ziele verfolgen (insbes. das Ziel der Ausdehnung des Entscheidungsspielraumes und der Macht); · die wirtschaftlichen Interessengruppen, die versuchen, das Verhalten der politischen Unternehmer sowie der Bürokratie in ihrem Sinne zu beeinflussen. Ein weiterer Schwerpunkt besteht in der theoretischen Analyse politischer Entscheidungsprozesse (insbes. verschiedener Wahlmechanismen: Einstimmigkeitswahl, Mehrheitswahl, Bestimmung der optimalen Mehrheiten) und in der Entwicklung neuer Entscheidungsprozesse, die sowohl Marktversagen als auch Politikversagen minimieren und ein optimales Angebot politischer Güter sicherstellen. Ein dritter Schwerpunkt besteht in der normativen politischen Ökonomie mit der Bestimmung optimaler Institutionen und wirtschaftspolitischer Grundsätze. Entsprechend den Arbeiten von John RAWLS wird vertragstheoretisch nach derjenigen Politik oder der Verfassung derjenigen Institutionen gefragt, die von den Individuen, welche ihre tatsächlichen wirtschaftlichen und sozialen Positionen in der Zukunft nicht kennen, hinter dem Schleier der Ungewißheit bejaht wird. Literatur: Mueller, D.C. (1989). Bernholz, P., Breyer, F. (1984). Bernholz, P. (1993, 1978, 1975)

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