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Marktversagen

Die Notwendigkeit staatlicher Wirtschaftspolitik wird mit dem Marktversagen begründet. Von Marktversagen spricht man, wenn die Preisbildung in einer Wettbewerbswirtschaft nicht oder nur unzureichend funktioniert.

Marktversagen kann folgende Ursachen haben:

• Die Preise enthalten nicht alle bei der Produktion anfallenden Kosten, weil sie bei der Preisbildung nicht berücksichtigt werden (müssen), womit externe Effekte auftreten. Individuelle und kollektive Kosten und Nutzen fallen auseinander. Da die Wirtschaftssubjekte nur die ihnen tatsächlich anfallenden Kosten und Nutzen kalkulieren, entstehen technische Externalitäten, die wegen eines „Organisationsfehlers“ des Marktes zu einer Fehlallokation führen. Der Staat ist aufgerufen, den Verursachern die Folgen ihres wirtschaftlichen Handelns zuzurechnen, um auf diese Weise die Selbststeuerung des Marktes wieder herzustellen. Eine Möglichkeit für eine solche Internalisierung ist die Schaffung einer eindeutigen Eigentumsordnung.

• Ein zweiter Fall von Marktversagen liegt vor, wenn es um öffentliche Güter geht. Niemand kann von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden Nichtrivalität), eine Preisbildung gibt es nicht. Da die private Güterproduktion unrentabel ist oder nicht im gesellschaftlich erwünschten Umfang erfolgen würde, ist der Staat gezwungen, öffentliche Güter anzubieten.

• Da der Marktmechanismus nur bei Wettbewerb voll funktionsfähig ist, muss der Staat durch die Gestaltung der Wirtschaftsordnung Wettbewerbsbeschränkungen verhindern: Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist ein allgemeines Kartellverbot verankert, Fusionen sind einer staatlichen Kontrolle unterworfen, marktbeherrschende Unternehmen werden überwacht, ob sie ihre Marktmacht missbrauchen. Auch natürliche Monopole stellen einen Fall des Marktversagens dar.

• Ein Marktversagen kann auch darin gesehen werden, dass der Preismechanismus nur kurzfristig auftretende Knappheiten widerspiegelt. Während längerfristige Knappheiten (z.B. durch die irgendwann erschöpften natürlichen Ressourcen) nicht in die Preisbildung eingehen, da die Informationen darüber nicht berücksichtigt werden.

kennzeichnet Fälle, in denen der Markt nicht zur optimalen Allokation führt, d.h. der Preismechanismus versagt. Wird Marktversagen erkannt, dann ist der Staat gefordert. Mit wettbewerbspolitischen Instrumenten wird er eingreifen, wenn die Konkurrenz behindert, durch Monopole ausgeschaltet oder der Zugang zum Markt versperrt ist (Regulierung). Auch externe Effekte der Produktion und des Konsums fordern eine korrigierende wirtschaftspolitische Aktivität. Externe Kosten werden dem Käufer nicht über den Preis abgefordert. Erst wenn die externen Kosten durch staatliche Eingriffe den Produzenten angelastet werden (gemäss dem Verursacherprinzip), gehen sie in den Preisbildungsprozess ein. Bei externem Nutzen kann der Staat die entsprechende private Aktivität subventionieren. Kein Markttausch findet statt, wenn nicht- zahlende Dritte ("Trittbrettfahrer") von der Nutzung des Angebots nicht ausgeschlossen werden können. Diese Kollektivgüter können nicht über den Markt, sie müssen vom Staat angeboten werden. Eine an der Knappheit orientierte Marktversorgung findet hier nicht statt.                                         

Funktionsdefizite der Marktwirtschaft in bezug auf Allokations-, Distributions-und Stabilitätserfordernisse. Die Vorstellung, dass die Marktwirtschaft im Hinblick auf wichtige Ziele versagt, ist so alt wie die Marktwirtschaft selber. Auch heute noch wird gegen die Marktwirtschaft immer wieder vorgebracht, dass sie materialistische Werte begünstige und so den Menschen von einem guten erfüllten Leben abhalte. Zudem erhielten in einer Marktwirtschaft kurzsichtige partikuläre Interessen zu viel Gewicht, so dass übergreifende, die gesamte Gemeinschaft betreffende Ziele (wie soziale Gerechtigkeit oder die Erhaltung der Natur) systematisch zu kurz kämen. Heute etwas weniger bedeutsam ist die von verschiedener Seite (so v.a. von Karl MARX, ansatzweise aber auch von Joseph A. SCHUMPETER) vertretene Ansicht, dass marktwirtschaftliche Systeme auch auf ihrem ureigensten Feld, nämlich der Bereitstellung privater Güter, erhebliche Funktionsdefizite aufweisen. Weil der Planungshorizont der isoliert handelnden Wirtschaftssubjekte zu begrenzt sei, verlaufe die wirtschaftliche Entwicklung zyklisch krisenhaft und führe nicht zu der technisch möglichen Steigerung des Wohlstands. Von solchen teilweise stark weltanschaulich geprägten Einwänden gegen die Marktwirtschaft scharf abzugrenzen ist die Lehre von den Marktversagensgründen, die einen Grundpfeiler der modernen neoklassisch orientierten Finanzwissenschaft bildet. Sie basiert gerade nicht auf einer kritischen Grundeinstellung zur Marktwirtschaft, sondern sie akzeptiert diese prinzipiell und will deshalb staatliche Eingriffe durch Überlegungen im Rahmen theoretischer Modelle präzise begründet sehen. Als Referenzmaßstab dient dabei das Konkurrenzmarktgleichgewicht, in dem sich unter bestimmten idealen Voraussetzungen ohne jegliche zentrale Planung allein durch dezentrale Koordination der isolierten Entscheidungen der beteiligten Wirtschaftssubjekte eine PARETO-optimale Allokation ergibt. Dies ist genau die Aussage des ersten Hauptsatzes der Wohlfahrtstheorie. Die verschiedenen Marktversagensgründe lassen sich jetzt danach unterteilen, welche der Annahmen an das idealtypische Modell einer Ökonomie mit Wettbewerb jeweils verletzt sind. Die klassischen Fälle eines auf diese Weise begründeten allokativen Marktversagens betreffen Extemalitäten, - öffentliche Güter und - increasing returns to scale. Sowohl bei externen Effekten als auch bei öffentlichen Gütern kommt es letztlich deshalb zu einer Allokationsverzerrung, weil Eigentumsrechte nicht vollständig ausgebildet sind und deshalb der Preismechanismus versagt. Ein Wirtschaftssubjekt versorgt ein anderes mit, ohne dass es dafür (durch die Drohung des Ausschlusses vom Konsum des entsprechenden Gutes) die Zahlung eines - Preises verlangen kann. Das Preissystem hat eine Lücke, die dazu führt, dass das entsprechende Gut in zu starkem Maße nachgefragt und/oder in zu geringem Maße angeboten wird. Konkret besagt dies, dass bei einer negativen Externalität (z.B. bei Umweltschäden) die jeweilige Aktivität über das gesamtwirtschaftlich optimale Niveau ausgedehnt wird, oder dass bei isoliertem Handel der Beteiligten das Versorgungsniveau mit einem (reinen) öffentlichen Gut unter dem gesamtwirtschaftlich optimalen Niveau bleibt. Neben den Standardbeispielen für öffentliche Güter (wie der Landesverteidigung oder einem für alle zugänglichen Gut) wird in jüngerer Zeit auch das Problem der Durchsetzung von Normen als wichtiges Anwendungsgebiet der Theorie öffentlicher Güter gesehen: Selbst wenn ein Individuum eine gerechtere Gesellschaft möchte, ist es dennoch für ihn eigentlich irrational, auf Grund dieser altruistischen Motivation von sich aus persönliche Opfer zu bringen. Im Hinblick auf das anvisierte ethische Ziel ist ja in einer großen Gruppe sein eigener Beitrag von vernachlässigbar kleiner Wirkung, so dass ein einzelnes Individuum eventuell die Position eines moralischen Freifahrers anstreben wird. Verteilungsprobleme können auf diese Weise als Probleme der Bereitstellung eines öffentlichen Gutes begriffen und somit als Folge eines Marktversagens interpretiert werden. Hat schließlich die Produktionstechnologie für ein bestimmtes Gut die Eigenschaft zunehmender Skalenerträge, so verursacht die Produktion auf dem gesamtwirtschaftlich optimalen Niveau Verluste bei der Produktionsfirma und kann deshalb vom Markt nicht zustande gebracht werden. Es ist sogar zu erwarten, dass ein Unternehmen am Markt überlebt, das sich dann als Angebotsmonopol verhält und entsprechende Wohlfahrtsverluste verursacht. Zu diesen klassischen Marktversagens-gründen sind in jüngster Zeit solche getreten, die auf - asymmetrische Informationen zwischen Anbieter und Nachfrager eines Gutes zurückzuführen sind. So kann asymmetrische Information bezüglich der Produktqualität dazu führen, dass wechselseitig vorteilhafte Transaktionen unterbleiben, dass also zu wenig produziert und/ oder nachgefragt wird. Im Extremfall kommt es gar nicht zur Entstehung von bestimmten Märkten oder zu deren Zusammenbruch. Wichtige Probleme lassen sich am Beispiel eines Versicherungsmarktes illustrieren. So kann der Versicherer möglicherweise ex ante nicht genau bestimmen, zu welcher Risikoklasse ein einzelner Versicherter gehört. Wenn er jedoch eine Prämie verlangen würde, die sich am mittleren Risiko orientiert, so haben die guten Risiken keinen Anreiz, sich zu versichern. Der Effekt, dass die Qualität des Vertragsobjektes negativ mit dem Preis korreliert ist, wird als - adverse selection bezeichnet. Zum anderen kann der Versicherer nachlässiges Verhalten der Versicherten bei Gewährung von Versicherungsschutz nicht durch Kontrollen ausschließen. Die Möglichkeit, dass eine Vertragspartei durch nicht allgemein beobachtbares Verhalten den Wert des Vertragsobjektes beeinfluBt, wird als moral hazard bezeichnet. Adverse Selektion und moralisches Risiko können die Entstehung funktionierender Versicherungsmärkte verhindern, so dass Individuen nicht in gesamtwirtschaftlich optimalem Maße (voll) versichert sind. Andere wichtige Anwendungsgebiete für Probleme asymmetrischer Information sind neben Kredit- auch Arbeitsmärkte. Hier wird seit einiger Zeit versucht, Arbeitslosigkeit durch Informationsasymmetrien zu erklären, ohne dass es jedoch bisher eine geschlossene und allseits akzeptierte Deutung der Arbeitslosigkeit als Folge eines Marktversagens gibt. Aus der Diagnose eines Marktversagens schien sich ursprünglich eine eindeutige Therapie zu ergeben. Genau dann, wenn einer der Gründe für ein Marktversagen vorliegt, hat der Staat durch korrigierende Maßnahmen einzugreifen. Diese zunächst fast selbstverständlich erscheinende Vorstellung ist mittlerweile erheblichen Zweifehs ausgesetzt. Die Forderung nach staatlichen Maßnahmen ergibt ja nur dann wirklich Sinn, wenn der Staat tatsächlich in der Lage ist, eine Allokationsverbesserung herbeizuführen. Dies kann aber durch Unvollkommenheiten des politischen Prozesses (Staatsversagen) verhindert werden. Der Abstand zwischen dem Ergebnis des Marktprozesses und dem bei realistischer Betrachtung zu erreichenden bestmöglichen Zustand (der second-best-Lösung bei einem staatlichen Eingriff) wird jedoch durch Berücksichtigung der folgenden Kritik noch weiter verkleinert: Die gängigen Marktversagenstheorien überzeichnen das Ausmass der Allokationsstörung, indem sie die Möglichkeit einer zumindest teilweisen Selbstkorrektur des Marktes vernachlässigen. So hat Ronald H. COASE darauf aufmerksam gemacht, dass im Falle von Externalitäten ein staatlicher Eingriff v.a. deshalb nicht vonnöten ist, weil der Verursacher einer Externalität und der von ihr Betroffene möglicherweise auf dem Verhandlungsweg selber für eine Internalisierung sorgen können. Bei öffentlichen Gütern kann z.B. die Anwendung von Vergeltungsstrategien (fit-for-tat) eine kooperative Lösung und damit eine effiziente private Bereitstellung ermöglichen. Zudem können auch die Präferenzen der Individuen so beschaffen sein, dass sie die freiwillige Zahlung eines Beitrags zu einem öffentlichen Gut als solche für sie nutzen-stiftend wirkt, und sei es nur deshalb, weil sie sich durch altruistisches Handeln soziale Anerkennung erhoffen. Bei zunehmenden Skalenerträgen wird ein Einzelanbieter möglicherweise darauf verzichten, den Monopolpreis zu verlangen, um potentiellen anderen Anbietern den Anreiz zum Markteintritt zu nehmen. Der Schluss von zunehmenden Skalenerträgen auf ein natürliches Monopol ist aus dieser Sicht zumindest voreilig. Es ist sogar die Produktion auf einem gesamtwirtschaftlich optimalen Niveau möglich, wenn es dem Anbieter gelingt, durch von den Konsumenten zu entrichtende Pauschalzahlungen (Grundgebühren) Kostendeckung zu erreichen. Bei Informationsasymmetrien läßt sich die auch vom Staat bestenfalls erreichbare Lösung eventuell auch über den Markt durchsetzen, falls es den Versicherern durch Austausch von Information gelingt, einige Versicherungsnehmer auf eine Teilversicherung zu beschränken. Diese Selbstkorrekturmöglichkeiten des Marktes sind ihrerseits natürlich wiederum begrenzt. So stoßen Verhandlungen im Sinne von COASE an ihre Grenzen, wenn die Zahl der Beteiligten gross ist oder Informationsasymmetrien zwischen den Verhandlungspartnern bestehen. Eine Verhandlungslösung ist aber auch dann ausgeschlossen, wenn die von einer Externalität Betroffenen heute noch gar nicht geboren sind. Entsprechende Einschränkungen lassen sich auch im Hinblick auf die anderen Marktversagenskategorien finden. Literatur: Richter, W., Wiegard, W. (1993). Inman, R.P. (1987)

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