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Cambridge-Kontroverse

in den 60er und 70er Jahren zwischen Vertre­tern und Kritikern (die
Wortführer der einen in Cambridge/USA, die der anderen in Cam- bridge/UK tätig)
der neoklassischen Wachs­tumstheorie und Verteilungstheorie ge­führte
Diskussion über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit, den gesamtwirtschaftlichen
Produktionsprozeß mit Hilfe einer neoklassi­schen Produktionsfunktion
darzustellen, die den gesamtwirtschaftlichen Kapital- und Ar­beitseinsatz mit
dem gesamtwirtschaftlichen Güterausstoß, dem realen Volkseinkommen, verknüpft.


Eine neoklassische Produktionsfunktion impliziert, daß eine Erhöhung
der Kapital­intensität die Arbeitsproduktivität steigen und die Kapitalproduktivität
sinken läßt. Diese Eigenschaften der Produktionsfunktion veranlassen die
Produzenten, die bei jeder ge­gebenen Höhe des Lohnsatzes jene Kapitalin­tensität
wählen, die den Zinssatz maximiert, auf Lohnvariationen mit gleichgerichteten
Veränderungen der Kapitalintensität zu rea­gieren. Im
gesamtwirtschaftlichen Gleichge­wicht stimmen die Grenzproduktivität der Arbeit mit dem realen Lohnsatz
und die Grenzproduktivität des Kapitals mit dem realen Zinssatz überein.


Gegen diese Wachstums- und verteilungs­theoretische Konzeption wandten
die Kritiker ein, nur im Modell der Ein-Gut-Welt könn­ten Kapitaleinsatz und
Güterausstoß als Men­gengrößen, im Modell der Viel-Güter-Welt müßten die vielen
im gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozeß eingesetzten und ausge­brachten
Güter als Wertgrößen zu gesamtwirt­schaftlichen Einsatz- und Ausstoßgrößen
aggregiert werden. Die Bewertung der Men­gengrößen müsse in der theoretischen
Analyse unter Verwendung der Gleichgewichtspreise der Güter vorgenommen werden,
und in deren Bestimmung gingen Lohn- und Zinssatz ein. Die makroökonomischen
Aggregate "Kapi­tal" und "Volkseinkommen" ließen sich also nur mit Hilfe bestimmter
Güter- und Faktor­preise bestimmen. Die makroökonomische Produktionsfunktion
sei, wenn sie sich über­haupt konstruieren ließe, ein System von
Gleichgewichtsmengen und -preisen.


Im Gleichgewicht stimmten Lohnsatz und Zinssatz nicht notwendig mit der
Grenzpro­duktivität von Arbeit und Kapital überein. Auch die positive
Verknüpfung von Lohnsatz und Kapitalintensität bestehe nicht notwen­dig. Es sei
denkbar, daß die wertmäßige Kapi­talintensität bei steigendem Lohnsatz sinke,
bei sinkendem Lohnsatz steige (capital rever- sal) und/oder daß eine
Produktionstechnik gegenüber anderen nicht nur bei relativ nied­rigem, sondern
auch bei relativ hohem Lohn­satz rentabler sei (reswitching), so daß sich diese
Techniken nicht eindeutig ordnen lie­ßen.


Diese Kritik an der Konzeption der ma­kroökonomischen
Produktionsfunktion und allen Theoremen der Wachstums- und Vertei­lungstheorie,
die mit ihrer Hilfe hergeleitet werden, hat wichtige Einsichten vermittelt.
Gleichwohl spielen makroökonomische Pro­duktionsfunktionen nach wie vor in der
ge­samtwirtschaftlichen Analyse eine Rolle. Sie gelten - auch bei Kenntnis der
in der Cam­bridge-Kontroverse verdeutlichten Implika­tionen - als eine
brauchbare und annehmbare Approximation an die komplexen Verhält­nisse einer
Viel-Güter-Welt.


Literatur:
Jaeger, K., Wachstumstheorie, Stuttgart 1980.





Diskussion zur - Kapitaltheorie und Verteilungstheorie, so genannt, weil führende Repräsentanten der beteiligten Parteien in Cambridge (England) und Cambridge (Massachusetts, USA) lehr(t)en. Die Kontroverse wurde durch einen Aufsatz von Joan Violet ROBINSON (19031983) in den 50er Jahren ausgelöst, in dem diese die Existenz einer aggregierten - Produktionsfunktion wegen der Unmöglichkeit einer konsistenten Aggregation heterogener Kapitalgüter bestritt. Diesen Angriff auf die - neoklassische Theorie versuchte Paul Anthony SAMUELSON (geb. 1915) mit dem Nachweis zu kontern, dass die Ein-Gut-Parabelwelt der Lehrbuchliteratur die Verhältnisse in einem System mit heterogenen (Kapital-)Gütern in zwar vereinfachter, aber korrekter Weise abbildet. Wie die Erwiderungen von Pierangelo GAREGNANI (geb. 1930), Luigi L. PASINETTI (geb. 1930) u.a. zeigten, war das Argument von SAMUEL-SON, wie dieser selbst eingestand, fehlerhaft. Ironischerweise basierte sein Verteidigungsversuch der neoklassischen Theorie auf produktionstechnischen Annahmen, unter denen die Arbeitswertlehre der relativen Preise gilt. Außer in uninteressanten Spezialfällen (wie dem genannten), so das Ergebnis der Kontroverse, sind alle Varianten der neoklassischen Theorie unhaltbar, die davon ausgehen, dass die Größe des gesamtwirtschaftlichen oder sektoralen - Kapitalstocks unabhängig vom System der relativen Preise und der . Einkommensverteilung vorgegeben werden könne. Im Zentrum der Diskussion stand das Problem der Technikwahl kostenminimierender Unternehmungen. Der neoklassischen Sichtweise zufolge führt eine Senkung (Erhöhung) des Zinssatzes relativ zum Lohnsatz zu einer Wahl kapitalintensiverer (arbeitsintensiverer) Produktionsverfahren. Von dieser partialanalytisch abgeleiteten Aussage wird fälschlich angenommen, sie sei auf den totalanalytischen Rahmen übertragbar. Es wird dabei übersehen, dass die in einem Produktionsprozess je Beschäftigten zur Anwendung kommenden Kapitalgüter nur vermittels von Preisen vergleichbar gemacht werden können. Da jedoch das System der relativen Preise nicht unabhängig vom Zinssatz (bzw. Lohnsatz) ist, kann über die »Kapital-« oder »Arbeitsintensität« eines Produktionsprozesses nichts gesagt werden, solange das Niveau des Zinssatzes unbekannt ist. Es ist insbes. möglich, dass sich wegen der Verteilungsabhängigkeit der relativen Preise für alternative Zinsniveaus die Rangordnung ändert, in die die verschiedenen Techniken gemäss ihrer Kapitalintensität gebracht werden können. Die Technikwahl kostenminimierender Unternehmungen muss daher nicht notwendig bei einem höheren Zinssatz zur Anwendung weniger kapitalintensiver Verfahren führen. Vielmehr kann es zu einem »reverse capital deepening« kommen, d.h. einer mit steigendem ZinsLohn-Verhältnis steigenden Kapitalintensität. Es ist des weiteren möglich, dass ein und dieselbe Technik zur Erzeugung der verschiedenen Güter sich bei verschiedenen Zinsniveaus als kostenminimierend erweist, während bei einem dazwischenliegenden Niveau des Zinssatzes eine andere Technik optimal ist. Man spricht in diesem Fall von einer Wiederkehr der Technik oder von - »reswitching of techniques«. Die Bedeutung dieser Befunde liegt darin, dass sie die traditionelle neoklassische Bestimmung aller Preise und Mengen, einschließlich der Preise der »Produktionsfaktoren« und deren Beschäftigungsmengen, durch Angebot und Nachfrage in Frage stellen. Tatsächlich ist nicht sichergestellt, dass die - Nachfragefunktionen nach »Kapital« bzw. Arbeit die üblicherweise unterstellte Eigenschaft aufweisen: eine mit steigendem Faktorpreis sinkende Nachfragemenge. So steigt bei Vorliegen von »reverse capital deepening« mit steigendem Zins-Lohn-Verhältnis die »Kapital-« relativ zur Arbeitsnachfrage, und es sinkt entsprechend hierzu bei sinkendem Lohn-Zins-Verhältnis die Arbeits- relativ zur »Kapital«nachfrage. Bei dem üblicherweise unterstellten Verlauf für die Angebotsfunktionen ergeben sich instabile Marktgleichgewichte, die Zweifel an der allgemeinen Tragfähigkeit des Ansatzes aufkommen lassen. Ein Versuch, durch Umgehung der leidigen Kapitalproblematik die traditionelle neoklassische Grenzproduktivitätstheorie der Einkommensverteilung zu retten, stammt von Robert SOLOW (geb. 1924). In seiner »Kapitaltheorie ohne Kapital« wird der Zinssatz unter Rückgriff auf das Konzept der »sozialen Ertragsrate einer Investition« zu erklären versucht. Wie indes PASINETTI u.a. gezeigt haben, ist die »soziale Ertragsrate« nicht unabhängig vom Zinssatz zu formulieren. Überdies sei es illusorisch, die Kapitalproblematik dadurch umgehen zu wollen, dass man von der Bestandsgröße »Kapital« auf die zugehörige Stromgröße »Investition« ausweiche. Dieser Wechsel ändere nichts an der Tatsache, dass die Preise der Kapitalgüter (alias Investitionsgüter) verteilungsabhängig seien. Die oben angesprochene Zirkelschlußproblematik bleibe bestehen. Im Verlauf der Kontroverse schälte sich ein im Jahr 1960 veröffentlichtes Buch von Piero SRAFFA (1898-1983) immer deutlicher als jenes Werk heraus, das der Kritik an der traditionellen neoklassischen Theorie das Fundament verlieh. SRAFFA selbst nannte seinen Beitrag eine Rückkehr zum Standpunkt der Klassischen Theorie mit ihrer andersgearteten Analyse des Verteilungsproblems. In jüngerer Zeit hat sich die Debatte der Frage zugewandt, ob die kapitaltheoretische Kritik auch auf die Theorie des inter-temporalen allgemeinen Gleichgewichts zutrifft. In letzterer ist die Kapitalerstausstattung physisch spezifiziert vorgegeben. Unter den starken Annahmen sich selbst erfüllender Erwartungen, d.h. vollkommener Voraussicht, und der Existenz eines vollständigen Systems von Zukunftsmärkten ergibt sich ein Satz von Gegenwartsoder diskontierten Preisen bzw. von Eigenzinssätzen. Letztere treten an die Stelle der uniformen Profitrate der traditionellen klassischen und neoklassischen Theorie. Interessanterweise wurde das Konzept des Eigenzinssatzes von SRAFFA in kritischer Absicht im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit der Preis- und Produktionstheorie von Friedrich August von HAYEK in die Diskussion eingeführt. Neben methodologischen Bedenken machen Kritiker der Theorie des intertemporalen Gleichgewichts geltend, dass diese von der kapitaltheoretischen Kritik letztlich nicht verschont bleibe. Als wunde Punkte werden die verwendeten Konzepte der Bruttoinvestition und der Bruttoersparnis, zwei Stromgrößen, ausgemacht. Erstere repräsentiert die Nachfrage nach »freiem Kapital«, letztere das Angebot davon. Vertreter der allgemeinen Gleichgewichtstheorie argumentieren hingegen mit dem Hinweis auf die größere »Allgemeinheit« des Falls multipler Eigenzinssätze im Vergleich zu demjenigen eines einheitlichen Zinssatzes, dass die Analyse SRAFFAs einen »Spezialfall« der intertemporalen Gleichgewichtstheorie darstelle. Die Diskussion dauert an. Literatur: Ahmad, S. (1991). Kurz, H.D. (1990). Eatwell, J. u.a. (1989). Garegnani, P. (1989)

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