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Grundgesetz und Wirtschaftsordnung

Das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 schreibt für die Staatsverfassung ausdrücklich den demokratischen und sozialen Bundesstaat vor. Dagegen bleibt die Wirtschaftsverfassung als Gesamtentscheidung für die angestrebte Wirtschaftsordnung unerwähnt. Dies ist verständlich, wenn man berücksichtigt, dass es auch für jene Mitglieder des Parlamentarischen Rates, die eine privatwirtschaftliche Marktwirtschaft anstrebten, wenige Monate nach der Währungsreform vom 20. 6. 1948 eine offene Frage war, ob der Übergang zu einer prinzipiell marktwirtschaftlichen Ordnung im ersten Anlauf gelingen würde. Hätte man dennoch eine ausdrückliche Gesamtentscheidung für die Ordnung der Wirtschaft in der Verfassung verankert, dann wäre es notwendig gewesen, sie durch Ausnahme- und Übergangsbestimmungen für andere Lösungen offenzuhalten, sonst hätte z.B. der partiell noch weiterbestehende staatliche Dirigismus als verfassungswidrig erscheinen können. Gleichwohl herrscht die Auffassung vor, dass das GG auch ohne präzise Vorschrift der Wirtschaftsverfassung ordnungspolitisch nicht neutral ist. Das verfassungsmässige Prinzip der Rechtsstaatlichkeit (Art. 1) und die Tatsache, dass im gleichen Artikel die Freiheit des Individuums zum Leitprinzip aller Staatsgewalt erhoben und in den Artikeln 2 (Entfal- tungs- und Vertragsfreiheit), 9 (Koalitionsfreiheit), 12 (Berufsfreiheit) und 14 (Eigentum und Erbrecht) zusätzlich konkretisiert worden sind, schliessen eindeutig eine  Zentralver- waltungswirtschaft aus. Art. 20 und 28 (So- zialstaatsklausel) sowie Art. 15 (Sozialisierung) stellen, werden sie nicht in unzulässiger Weise isoliert gewürdigt, kein zentralverwaltungswirtschaftliches Optionsrecht dar. Sie weisen vielmehr die Grundrechte in "ihre jeweils besonderen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Funktionsschranken" (Ernst-Joachim Mestmäcker), ohne dass bei der wirtschaftspolitischen Gestaltung dieser Restriktionen der Wesensgehalt der Grundrechte, nämlich Freiheiten ausüben, also auch über wirtschaftliche Wahlmöglichkeiten verfügen zu können, verloren gehen dürfte. Die Grundrechte gelten deshalb auch als wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundlage der Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland. Ihr kann nur ein prinzipiell marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem ohne staatlichen Dirigismus gerecht werden. Dies zeigen die Auswirkungen, die marktinkonforme Interventionen auf den Wesensgehalt der Grundrechte haben: (1)    Direkte staatliche Investitionslenkung bedeutet staatliche Zuständigkeit für die Zusammensetzung privater Produktions- und Konsumpläne. Sie hat unausweichlich weitreichende Eingriffe in elementare Grundrechte zur Folge. (2)      Staatliche Preiskontrollen erfordern alternative Lenkungsmethoden, die unvermeidlich dem Ermessen und der Willkür von Behörden unterliegen und damit den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verletzen. (3)    Die Möglichkeit der Verstaatlichung nach Art. 15 GG "im öffentlichen Interesse" hebt das durch die Verfassung geschützte Grundrecht des Privateigentums an den Produktionsmitteln nicht auf; denn die unabdingbare Entschädigung versetzt die Betroffenen in die Lage, nach ihrer Wähl neues Eigentum (auch an Produktionsmitteln) zu erwerben. Daraus folgert Walter Leisner die verfassungsrechtliche Garantie staatsunabhängiger Märkte.         Literatur: Rupp, H.H., Grundgesetz und "Wirtschaftsverfassung", Tübingen 1974. Leisner, W., Privateigentum ohne privaten Markt? Gibt es eine verfassungsrechtliche Garantie "des Marktes"? in: Der Betriebs-Berater, 30. Jg. (1975), S. lff. Gutmann, G. u.a., Die Wirtschaftsverfassung der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Stuttgart, New York 1979. Mestmäcker, E.-J., Recht und ökonomisches Gesetz, 2. Aufl., Baden-Baden 1984.

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