(Boston-Effekt): Das Konzept der Erfahrungskurve wurde Mitte der 1960er Jahre von der amerikanischen Unternehmensberatungsgesellschaft “Boston Consulting Group” (BCG) entwickelt und als Instrument zur Formulierung effektiver Geschäftsstrategien propagiert.
Auf dem Hintergrund bekannter ökonomischer Gesetzmäßigkeiten (“Gesetz der Massenproduktion”, Betriebsgrößenersparnisse) stellte die BCG empirische Untersuchungen zur langfristigen Gesamtkostenentwicklung ihrer Klienten an und fand heraus, dass im Zeitablauf gesehen zwischen der Entwicklung der Stückkosten und der Produktionsmenge folgender Zusammenhang besteht: Mit jeder Verdoppelung der kumulierten Produktmenge (= Erfahrung) sinken die inflationsbereinigten Stückkosten um 20 bis 30 %. Da angenommen werden darf, dass zwischen den kumulierten Produktmengen und den Marktanteilen der miteinander in Konkurrenz stehenden Unternehmen eine enge Beziehung besteht, verdeutlicht der Boston-Effekt, dass unter der Voraussetzung gleichbleibender Preise die potentiellen Stückkosten mit wachsenden - Marktanteilen sinken, während die vergleichbaren potentiellen Ertragsspannen wachsen. Wie wichtig dabei die - relativen Marktanteile sind, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass vom Standpunkt des Marketing eine Umsatzsteigerung bei Verlust eines Marktanteils ein Mißerfolg und umgekehrt ein Umsatzverlust bei gleichzeitigem Wachsen des Marktanteils (d.h. die Verluste der Mitbewerber sind noch größer als die eigenen) ein Erfolg ist.
Bei der Erfahrungskurve geht es nicht um die Entwicklung des Umsatzes, sondern um die der Kosten und zwar in Abhängigkeit von der produzierten Menge. In dem Maße, in dem immer mehr von einem bestimmten Produkt gefertigt wird, gewinnt man Erfahrungen, die zu einer Verringerung der Stückkosten genutzt werden können. Dieses Phänomen einer steigenden Ausbringung pro Zeiteinheit bei rückläufiger Fehlerquote wurde vor allem auf das - Lernen der Arbeiter durch häufige Übung zurückgeführt. Dasselbe Phänomen ist aus der Psychologie unter dem Begriff - Lernkurve bekannt.
Doch während die Erfahrungskurve das Schema der sinkenden Kosten beschreibt und dabei alle Kosten außer denen für gekaufte Teile umfaßt, beinhaltet das Konzept der Lernkurve nur die direkten Lohnkosten. Im einzelnen sind das die Gemeinkosten, Herstellung, Werbung, Verkauf, Distribution, Außendienst und Verwaltung. Obwohl die Wertschöpfungskosten nicht die Kosten der von außen gekauften Teile umfassen, kann man davon ausgehen, dass diese Kosten oft ebenfalls mit steigender Erfahrung abnehmen. Die Erfahrungskurve ist mithin eine recht genaue und prognostizierbare Funktion. Sie besagt, dass jedesmal, wenn die kumulative Produktion sich verdoppelt, die Wertschöpfungskosten um einen bestimmten Prozentsatz sinken, der situationsbedingt ist. So gehen bei einer 80-Prozent-Erfahrungskurve die Kosten um 20 Prozent auf 80 ihres vorhergehenden Niveaus zurück, jedesmal wenn die kumulierte Produktion sich verdoppelt.
Im oberen Teil der Abbildung (a) sinken die Kosten zunächst sehr schnell, weil relativ wenige Einheiten notwendig sind, um die Produktion zu verdoppeln. Mit kumulativ steigender Produktion sind mehr Einheiten erforderlich, um die Produktmengen zu verdoppeln. Somit flacht die Kurve ab. Wenn man Kosten und kumulative Produktion doppelt logarithmisch zeichnet, erscheint die Erfahrungskurve als eine gerade Linie, wie der untere Teil (b) der Abbildung zeigt.
Als Erklärung für diesen empirisch nachgewiesenen Effekt führte die Boston Consulting Group das Zusammenspiel von Größendegressionseffekten, Verfahrensdegressionseffekten, Lern-und Spezialisierungseffekten an.
(1) Der Lerneffekt: Die Lernkurve bietet im wesentlichen die Erklärung, dass jemand lernt, etwas schneller und effizienter zu tun, wenn er es oft genug wiederholt. Dieses Prinzip, das sich auf die Mitarbeiter in der Produktion bezieht, gilt auch für andere Mitarbeiter. Programme, mit denen die Methoden und Abläufe verbessert werden können, können sehr effektiv sein.
(2) Technologische Verbesserungen (Verfahrensdegression) der Produktion: Die Installation neuer Anlagen, um den Produktionsprozess zu modernisieren oder die Kapazität zu erweitern, kann in kapitalintensiven Branchen einen sehr großen Einfluss haben. Die Automation bestimmter Arbeitsabläufe ist eine solche Entwicklung.
(3) Veränderungen im Produktdesign (Spezialisierung): Eine wichtige Methode, Kosten zu reduzieren und sich somit entlang der Erfahrungskurve zu bewegen, ist das Verändern des Produktdesigns. Ein Produkt kann z.B. vereinfacht werden, so dass man weniger Teile kaufen oder zusammensetzen muss. Ein anderer Ansatz ist es, anderes Material zu verwenden.
(4) Skaleneffekte (Kostendegression): Skaleneffekte widerspiegeln die natürlicherweise mit einer größeren Menge verbundene Effizienz wieder. Fixe Kosten für Verwaltung, Einrichtungen, Ausrüstung, Angestellte und Forschung und Entwicklung, können auf mehr Einheiten verteilt werden.
Im Zusammenhang mit der Erfahrungskurve ist es von Bedeutung, dass diese empirisch beobachtbaren Kostendegressionseffekte keiner Gesetzmäßigkeit folgen, sondern größtenteils das Ergebnis von - Managementmaßnahmen sind, die durch das größere Produktionsvolumen tech
· Auslastung der bestehenden und Aufbau neuer Kapazitäten (Größen- bzw. Kostendegression)
· Rationalisierung (Substitution von Arbeit durch Automaten, EDV-gestützte Fertigungssteuerung, Verbesserung der Arbeitsorganisation, Erhöhung der Arbeitsteilung)
· Materialverbesserung (Verringerung der Toleranzen, Reduzierung von Ausschuss, Qualitätssteigerung).
Das Erfahrungskurvenkonzept ist vielfach kritisiert worden. Die Haupteinwände sind:
(1) Das Erfahrungskurvenkonzept kann keine generelle Gültigkeit beanspruchen, da empirisch auch gänzlich andere Kostenverläufe feststellbar sind.
(2) Die Verwendung von Marktanteilen als Indikator für die kumulierte Menge im Konkurrentenvergleich ist nur auf den unrealistischen Prämissen möglich: homogene Produkte, gleiche Erfahrungsraten, einheitliche Marktpreise für alle Anbieter und gleiche Markteintrittszeitpunkte.
(3) Das Konzept der Erfahrungskurve ignoriert die Tatsache, dass “Erfahrung” häufig in der Branche (unbeabsichtigt) diffundiert.
Ferner hat das Erfahrungskurvenkonzept nur für eine gegebene Technologie Gültigkeit; Sprünge in der Entwicklung der Fertigungstechnologie begründen eine neue Erfahrungskurve. Ebenso wie bei der Produktlebenszykluskurve liegt der Wert der Erfahrungskurve vorrangig in ihrer Signalwirkung für das - Management. Sie weist auf das Kostensenkungspotential bei hohen Stückzahlen hin, das meist nur in der Massen- und Serienfertigung erreicht werden kann, und macht deutlich, warum das Streben nach einem hohen Marktanteil mit entsprechend großem Umsatzvolumen eine ökonomisch sinnvolle Strategie sein kann.
Beim Erfahrungskurveneffekt führt eine Marktanteilserhöhung zur Senkung der Stückkosten und damit zur Erhöhung der Gewinnspanne und des Cash Flow der Strategische Geschäftseinheiten
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