(engl.: experience curve, Boston-Effekt) Die Erfahrungskurve beschreibt den Zusammenhang zwischen der kumulierten produzierten Menge eines Produktes und den Kosten dieses Produktes. Eingeführt wurde der Begriff durch die Boston-Consulting-Group. Die Erfahrungskurve besagt: »Mit jeder Verdoppelung der im Zeitablauf kumulierten Produktionsmengen gehen die auf die Wertschöpfung bezogenen Stückkosten eines Produktes potenziell um 20 bis 30% zurück« (Gälweiler, 1986, S. 258).
Die Erfahrungskurve beschreibt den Zusammenhang zwischen der im Zeitablauf kumulierten Produktionsmenge und der Tatsache der fallenden realen Stückkosten. Durch empirische Untersuchungen wurde festgestellt, daß bei jeder Verdoppelung der im Zeitablauf kumulierten Produktionsmenge die realen Stückkosten potentiell um 20 bis 30 % sowohl in der Branche als auch bei einzelnen Anbietern gefallen sind. Im wesentlichen wird der Kostenrückgang auf die folgenden Faktoren zurückgeführt: Verringerung der Fertigungszeiten und Lohnkosten je Einheit in Abhängigkeit der kumulierten Produktionsmenge aufgrund des Lerneffekts; durch Fixkostendegression sinken die Stückkosten (Größendegression); Rationalisierungsmaßnahmen haben kostensenkende Auswirkungen. Für die langfristig-strategische Planung hat diese Kostenentwicklung große Bedeutung, und es werden hieraus Folgerungen für Verhaltensweisen abgeleitet: z.B. wird eine Niedrigpreispolitik zur schnellen Marktdurchdringung in der Einführungsphase eines Produktes empfohlen. Da die Wachstumsrate einen wesentlichen Einfluß auf das Ausmaß der Stückkostensenkung je Periode hat, ist in Wachstumsmärkten die Strategie der Marktanteilssteigerung anzustreben. Man sollte sich auf die Märkte konzentrieren, in denen langfristig die Marktführerschaft erreicht werden kann. Die Erkenntnisse der Erfahrungskurve finden auch Eingang in das Portfolio-Management. Siehe hierzu Boston Matrix, Geschäftsfeldplanung.
Die Erfahrungskurve bildet den Zusammenhang zwischen Absatzerfolg und Produktionskosten ab. Das Erfahrungskurvenkonzept besagt, dass da mit steigendem Grad der Arbeitsteilung die Produktivität steigt aus jeder nachhaltigen Absatzvergrößerung ein Kostensenkungspotenzial resultiert. Als Folge von Lerneffekten, Fixkostendegression (Kostenarten) und günstigeren Bezugsmöglichkeiten sollen Kostensenkungen pro ausgebrachter Produkteinheit bis zu 30 % möglich sein.
Ein derartiger Zusammenhang zwischen dem kumulierten Absatz eines Produktes (gilt als Indikator für die angesammelten Erfahrungen) und dessen Stückkostenverlauf (Stückkosten) konnte zwischenzeitlich empirisch für viele Branchen nachgewiesen werden.
In Anlehnung an die Lernkurve zeigt die Erfahrungskurve, daß mit jeder Verdoppelung der kumulierten Produktionsmenge eine Stückkostensenkung von 20 30 % zu beobachten ist. Dieser Stückkostenrückgang betrifft alle Kostenarten, die bei der Produktion eines Erzeugnisses im weitesten Sinne entstehen (vom Auftragseingang bis zum Absatz des Erzeugnisses). Dabei wird eine zunehmende Substitution aller Kosten mit steigenden Produktionsmengen wirksam.
Dieser Kostendegressionseffekt auf Grund der Erfahrungskurve beruht auf vier Teilkonzepten (vgl. Kreikebaum, 1997, S. 98ff.):
- der Theorie der Lernkurve
- dem Größendegressionseffekt (periodenbezogene statische Kostensenkung)
- dem technischen Fortschritt
- der Rationalisierung.
Die Erfahrungskurve zeigt die große Bedeutung des Marktanteils und des Marktwachstums als Leitgrößen der strategischen Planung (Strategisches Marketing). Die Bedeutung dieser Faktoren als Schlüsselgrößen hat auch die PIMS-Studie (Profit Impact of Market Strategy) des Strategie Planning Institute aufgezeigt. Methodisch wurde beim PIMS-Projekt mit Hilfe einer multiplen Regressionsanalyse auf der Basis einer empirischen Untersuchung von rd. 60 Unternehmen mit über 800 Geschäftsbereichen der Einfluss von 37 strategischen Einflussfaktoren auf den Erfolg der Unternehmen untersucht. Als Erfolgsmaßstab diente der jeweilige Return of Investment (ROI).
Mit Hilfe der Erfahrungskurvenanalyse kann man auf die Kostensituation von Wettbewerbern schließen und so die eigene Wettbewerbsposition bestimmen. Da oftmals Informationen über die kumulierten Mengen fehlen, geht man davon aus, dass sich die kumulierten Mengen der Konkurrenten wie ihre Marktanteile verhalten. Dies ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn mehrere Anbieter etwa gleichzeitig in einen Markt einsteigen und ein in etwa konstantes Wachstum haben. Als Beispiel sei die Situation von vier Unternehmen dargestellt.
Das Beispiel zeigt, dass es dem Unternehmen mit dem höchsten (relativen) Marktanteil (Marktführer) gelungen ist, einen erheblichen Kostenvorteil gegenüber seinen Konkurrenten zu erzielen. Das Unternehmen A hat die höchste potenzielle Erfolgsspanne. Das Unternehmen D läuft dagegen Gefahr, bei einem Preiswettbewerb schnell aus dem Markt gedrängt zu werden. Als strategisches Marketingziel folgt daraus, hohe und sichere Marktpositionen anzustreben. Ein hoher Marktanteil ist eine gute strategische Marktposition.
Für die Produktpolitik bedeutet dies, Produkte zu entwickeln, deren Akzeptanz so hoch ist, dass schnell Erfahrungskurveneffekte erzielt werden können. Für die Preispolitik bei der Einführung neuer Produkte folgt daraus, dass man nicht über einen hohen Einführungspreis (Marktabschöpfungspolitik) das Ziel verfolgen sollte, den Break-Even-Point (Break-Even-Analyse) zu erreichen, sondern, dass der Preis bei der Einführung eher niedrig zu halten ist (Marktdurchdringungspolitik), um andere Unternehmen vom Markteintritt abzuhalten. Zur Realisierung des Erfahrungskurveneffektes sollten zuerst ein hoher Marktanteil und somit eine langfristig gute Marktposition angestrebt werden (vgl. Kreikebaum, 1997, S. 106).
Der Erfahrungskurveneffekt stellt aber kein allgemeingültiges Gesetz dar. So ist dieser Effekt z.B. in arbeitsintensiven Branchen höher als in Branchen mit überwiegend synthetischen Fertigungsverfahren. Die Kritik richtet sich weiter auf die teils unklare Kostendefinition, die Problematik der Marktabgrenzung, die Definition eines neuen Produktes, die Nichtbeachtung des Sortimentsverbundes und generell auf die Monokausalität, da auch andere Faktoren auf die Erfolgspotenziale wirken (vgl. Backhaus, 1999, S. 243f.; Kreikebaum, 1997, S. 107f.). Unter Beachtung dieser Punkte handelt es sich jedoch um ein praktikables Analyse- und Planungskonzept, das in der Port/olio-Analyse durch Verwendung des relativen Marktanteils als Erfolgsfaktor Eingang findet.
(Boston-Effekt) von der Boston Consulting Group entdeckte Gesetzmässigkeit zwischen Ausbringung und Stückkosten eines Erzeugnisses. Die Standardversion des Erfahrungsgesetzes lautet: "Mit jeder Verdoppelung der im Zeitablauf kumulierten Ausbringungsmenge eines Erzeugnisses besteht bei konstanten Geldwerten ein Stückkostensenkungspotential von 20% bis 30%, bezogen auf den Wert- schöpfungsanteil der Erzeugniskosten." Die Menge fungiert dabei als Indikator für Erfahrung. Dieser Operationalisierung zufolge handelt es sich bestenfalls um eine empirisch prüfbare Regelmässigkeit, nicht aber um ein Gesetz im Sinne einer empirisch-nomologischen Hypothese. Es bleibt nämlich unbestimmt, durch welche Massnahmen das Kostensenkungspotential ausgeschöpft werden kann. Die Kostensenkungen ergeben sich keineswegs automatisch, sondern sind nur durch energisches Controlling erreichbar.
Eine empirische Verifizierung der Erfahrungskurve erfordert eingehende Kostenanalysen. Man stellt deshalb häufig ersatzweise die Preise eines Erzeugnisses seiner kumulierten Ausbringungsmenge (bezogen entweder auf ein Unternehmen oder auf eine ganze Branche) gegenüber. So ermittelte Erfahrungsraten liegen in der Tat für Konsumgüter im Durchschnitt bei 15%, für Investitionsgüter bei 25%. Die Annahme, dass die Preise eines Produktes im Zeitablauf in einem konstanten Verhältnis zu den Stückkosten stehen, ist allerdings vielfältiger Kritik unterzogen worden. Als Ursachen sinkender Stückkosten werden die Steigerung der Effizienz durch organisationales Lernen, Automatisierung, Rationalisierung, Wertanalysen, Standardisierung (Normung) und technischen Fortschritt sowie die bei steigendem jährlichen Ausstoss eintretenden Grösseneffekte (Fixkostendegression, Skaleneffekte) angesehen.
Als strategische Handlungsempfehlung im Rahmen der Portfolio-Planung wird aus dem Boston-Effekt zumeist die Aufforderung abgeleitet, ein Wachstum der Ausbringung anzustreben, das stets über dem Branchendurchschnitt liegt. Dadurch kommt ein Unternehmen relativ zu manchen seiner Wettbewerber schneller auf der Erfahrungskurve voran, erreicht so geringere Stückkosten und erzielt, wenn es seinen eigenen Preis am Branchenpreis orientiert, ein "zusätzliches" Ertragspotential. Dieses kann das Unternehmen in Preissenkungen oder andere dem Absatz förderliche sowie in produktionserhöhende Massnahmen "investieren", um in der nächsten Betrachtungsperiode seinen Konkurrenten noch weiter vorauszueilen.
Die Realität zeigt allerdings, dass dieses Perpetuum-Mobile der Marktführerschaft nicht die einzige Strategie verkörpert, den Wettbewerb erfolgreich zu bestehen. Manche Unternehmen können sich gerade in einer Branchensituation, in der sich ein Teil der Wettbewerber nach der Preis-Mengen-Strategie verhält, mit einer dazu konträren Profilierungs(Nischen-) Strategie behaupten.
Analog zum Kosten-Erfahrungseffekt wurde ein Preis-Erfahrungseffekt festgestellt, allerdings nicht in derselben Verlaufsform wie die Kosten (vgl. Abb.). Die empirische Relevanz der Preis-Erfahrungskurve wird oft am Beispiel der Schwarz-Weiss-Fernsehgeräte demonstriert. Der Zeitpunkt, zu dem die Kurve ihre Richtung ändert, steht in engem Zusammenhang mit der Einführung des Farbfernsehens.
Die Erfahrungskurve ist empirisches Gesetz, daß bei Verdopplung der Mengen die Kosten je Stück sich um 20 bis 30% reduzieren lassen müßten. Das ist der ständige, im einzelnen gar nicht so recht wahrnehmbare, aber sich stets addierende Fortschritt (Kaizen). Da haben wir etwas am Rezept X geändert, da am Teilaggregat Y uns etwas Neues einfallen lassen; dies gab eine Idee für Produktionsstufe Z usw. Also: Man hat dazugelernt. Dies geschah so etwa auch unter dem Motto: I work better under pressure. Wenn man sich beim Ringen um Marktakzeptanz anstrengen muß, fällt einem auch etwas ein. Die Kurve drückt ein es müsste möglich sein, dass ... aus. Wenn die operativen Maßnahmen nicht folgen, stellt sich die Erfahrungskurve nicht ein.
Literatur:
* Henderson, B. D., Die Erfahrungskurve in der Unternehmensstrategie, Frankfurt a.M. 1974.
* Bauer, H. H., Das Erfahrungskurven-Konzept. Möglichkeiten und Problematik der Ableitung strategischer Handlungsempfehlungen, in: WiSt, 15. Jg. (1986), S. 1 ff.
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