Preisbewusstsein
eng mit der Preiswahrnehmung verknüpfter Prozeß der subjektiven Einstufung eines objektiven Angebotspreises oder -Preisniveaus. Wegen der Subjektivität dieses Prozesses wird z.T. auch von Preisempfinden gesprochen (Preisverhalten). Die Preis beurteilung von seiten der Konsumenten folgt meist vereinfachenden Heuristiken unterschiedlicher Komplexität. Abb. 1 zeigt eine diesbezügliche Typologie von Diller (1991, S. 97). Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Preisgünstigkeits- und Preiswürdig- keitsurteilen. Erstere beziehen sich allein auf den Zähler des Preisquotienten, berücksichtigen also nicht die Qualität bzw. den Leistungsumfang des jeweiligen Gutes bzw. Anbieters. Typisch sind solche Urteile bei der Suche nach preisgünstigen Einkaufsstätten, aber auch beim Vergleich von qualitativ ähnlich empfundenen Marken. Preiswürdig- keitsurteile betreffen dagegen das Preis- Leistungsverhältnis eines Angebots. Sie beziehen sich also auf den gesamten Preisquotienten und nicht nur auf den Preiszähler. Derartige Urteile dürften v. a. bei hohen Kaufrisiken und hinreichender Informationsmöglichkeit anzu treffen sein. Bei beiden Formen von Preisurteilen stellen sich zwei grundlegende Fragen: Welche Urteilsanker werden (mit welcher Gewichtung) zur Einstufung von objektiven Preisen herangezogen? Wie verläuft die Preisbewertungsfunktion in Abhängigkeit von der objektiven Preishöhe? Ad(l): Im Rahmen von Preiswürdigkeitsur- teilen kann der Preis an der jeweiligen, ebenfalls subjektiv enkodierten Qualität des Angebots verankert werden. Weil Qualität i. d. R. mehrere Qualitätskomponenten umfaßt, benötigt man für die Prognose eines Preisurteils die relevanten Qualitätsmerkmale und deren subj ektive Bedeutung auf seiten des Käufers. Derartige Informationen werden am besten über das Conjoint- Measurement-Verfahren bzw. andere Formen der konjunkten Messung erhoben (s. a. Preistests). Im Investitionsgütermarketing versucht man auch, im Wege von Punktbewertungsverfahren objektivere Werte für die Teil- und Gesamtqualitäten von Gütern zu erhalten. Sie können dann zu Preis-Qualitätsquotienten verknüpft werden (Preis- Leistungs-Analyse). Entscheidend für die Art der Preisbeurteilung ist zum einen, welche Qualitätsmerkmale in die Preisbeurteilung einfließen und zum anderen, inwieweit Preis und Qualität gegenseitig kompensierbar sind (vgl. auch Abb. 1). Da in der Praxis von den meisten Käufern gewisse Mindestansprüche an (Teil-)Qualitä- ten gestellt werden, ist ein teil-kompensatorisches Urteilsverhalten relativ häufig anzutreffen. Entsprechende Urteilsmodelle können kategorial oder metrisch ausgestaltet sein. Einen diesbezüglichen Überblick findet man beiDiller (1991, S. 110 ff.). Die Verankerung von Preisgünstigkeitsur- teilen kann durch Modelle der Psycho- physik nachempfunden werden. Danach sind es nicht nur die zu beurteilenden Reize (Preise) selbst, sondern auch die Optik, Gestik oder verbale Etikettierung der Preisangaben durch die Anbieter (Schriftgröße, Plazierung der Preisangabe oder des Artikels, Preisurteil des Verkäufers, Kennzeichnung auf dem Preisetikett o.ä.), welche den Preiseindruck mitbestimmen. Weitere relevante Stimuli stammen aus dem Umfeld des jeweiligen Preises, etwa die Preise qualitativ gleichartiger Produkte desselben Anbieters, Preisempfehlungen auf der Verpackung, Preisgegenüberstellungen auf Preisschildern etc. Sie zählen zum „Preiskontext“ und sind empirisch belegte Einflußfaktoren auf Preis- günstigkeitsurteile. Neben solchen externen Reizen stehen schließlich auch noch im Gedächtnis gespeicherte Preiserfahrungen und Preiskenntnisse als Urteilsanker zur Verfügung. Sie bilden zusammen mit den anderen Informationen ein „mittleres Preisempfinden“, dessen Zustandekommen noch wenig erforscht ist. Der Adaptionsniveau- theorie entsprechend wäre ein geometrischer Mittelwert. Befragungsergebnisse über das mittlere Preisempfinden bei verschiedenen Produkten lassen erkennen, dass sich dieses nur relativ langsam an Veränderungen der objektiven Preissituation anpaßt und z.T. stark von Einzeleindrücken, insb. Sonderangebotspreisen, geprägt wird. Aufgrund unterschiedlicher Erfahrung mit bestimmten Produktarten oder Marken ist ferner mit einer unterschiedlichen Verfestigung des mittleren Preisempfindens zu rechnen. Sie entspricht psychologisch einer unterschiedlichen Verarbeitungstiefe von Preisinformationen. Neue Preiseindrücke führen dabei zu einer Aktualisierung des Preisempfindens, wobei mit zunehmender Verarbeitungstiefe die Häufigkeit von Kontrast- bzw. Assimilationseffekten zunehmen dürfte. Ad
(2): Preisbewertungsfunktionen beschreiben modellhaft die subjektive Bewertung von unterschiedlich hohen Preisen. Sieht man von situativen Einflußfaktoren auf das tatsächliche Kaufverhalten ab, kann der sich dabei ergebende Wert für das Preisgün- stigkeitsurteil (der zweckmäßigerweise auf den Wertebereich zwischen Null und Eins normiert wird) unmittelbar als Indikator für die Kaufwahrscheinlichkeit eines Nachfragers herangezogen werden. Bezeichnet man mit MPE, das mittlere Preisempfinden für die auf i zutreffende Produktkategorie und mit Pi den Preis eines Produktes i, so stellt die Funktion: PGUi = (MPEi - pi)“ ein Beispiel für eine derartige Preisbewertungsfunktion dar, die im Falle a~ 1 einen linearen Verlauf aufwiese. Ein solcher Verlauf ist jedoch wenig wahrscheinlich, da die Preiswahrnehmung entsprechend dem Weber-Fechner- schen Gesetz (Psychophysik) eher einen logarithmischen Verlauf nahelegt (vgl. Abb.2).TLs handelt sich dabei allerdings nicht mehr um reine Wahrnehmungsfunktionen, sondern bereits um Bewertungsfunktionen, in die subjektive Urteile über die Bedeutsamkeit von Preisdifferenzen auf unterschiedlichem Preisniveau mit einfließen. Die logarithmische Skalierung der Preis- wahrnehmungfindetu. a. ihrenNiederschlag in entsprechend gespreizten Preislagen im Angebotsprogramm von Industrie- und Handelsunternehmen. Sie sind in den unteren Preiszonen dichter besetzt als in den oberen. Eine weitere, theoretisch leicht begründbare und empirisch belegte Form der Preisurteilsfunktion ist die doppelt gekrümmte Bewertungsfunktion, die im unteren Preisbereich denselben Verlauf wie die logarithmische Funktion aufweist, im oberen Bereich sich allerdings nicht degressiv, sondern progressiv verschlechtert. Im mittleren Bereich verläuft sie dabei flacher, d. h. weniger elastisch als in den beiden Randbereichen. Formal entspricht der Verlauf also jenem der Preis-Absatzfunktion von Gutenberg, der empirisch ebenfalls gut belegt ist. Der „normale“ Verlauf der Preisbewertungsfunktion wird bei Preiswürdigkeitsur- teilen nicht selten durch preisorientierte Qualitätsbeurteilungen überlagert. Dabei nimmt die subjektiv empfundene Qualität mit zunehmendem Preis (degressiv) zu und wird unterhalb eines bestimmten Preises wegen der damit verbundenen Qualitätszweifel inakzeptabel. In Verbindung mit einer exponentiellen Geldnutzenfunktion ergibt dies die in Abb. 3 dargestellte Preiswürdigkeitsfunktion, die in ihrer Gestalt der typischen “Buy-response-Funktion“ entspricht, die sich im Rahmen empirischer Preistests ergibt, wobei die Preisachse meist logarith- misch skaliert ist (vgl. Gabor, 1977). Interessanterweise korrelierte in den Analysen von Gabor die so gemessene Kaufbereitschaft stark mit dem zuletzt gezahlten Preis für das jeweilige Gut, der offenkundig als wichtiger Urteilsanker diente (vgl. Abb. 4). Je geringer insb. das finanzielle Kaufrisiko ausfällt und je stärker ein Käufer nach Entlastung von Preisbeurteilungsproblemen strebt, desto wahrscheinlicher wird eine nicht-monotone Form der Preisbeurtei- lungsfunktion. Dies entspricht einem kate- gorialen Urteilsverhalten, bei dem die objektiven Preise ab bestimmten Preisschwellen in die jeweils nächstbessere bzw. -schlechtere Kategorie eingeordnet werden. Dieses Phänomen wird verstärkt, wenn Anbieter - wie z.B. im Lebensmittelbereich weit verbreitet
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