Bevor ein Gewinn entstehen kann, müssen zuerst die Kosten der im Unternehmen installierten Anlagen abgedeckt sein. Diese Substanzerhaltung nimmt man durch die Ansetzung von Abschreibungen vor. Da Anlagegüter technisch überholt werden oder durch Inflation in ihrer Wiederbeschaffung teurer werden, stellt sich die Frage, was als Substanz zu betrachten sei. In den deutschsprachigen Ländern gehen Handels- und Steuerrecht davon aus, daß der Anschaffungswert die Substanz darstellt. Für den Unternehmer kann diese Überlegung aber nicht aufgehen. Denn wenn ein Gut zu einem höheren Preis als dem historischen Anschaffungswert ersetzt werden muß, hat der Unternehmer, wenn er nur den Anschaffungswert abgeschrieben hat, keine Möglichkeit, das Leistungspotenzial, das die Anlage einmal hatte, zum gleichen Preis wieder zu beschaffen.
Deshalb muß in der innerbetrieblichen Betrachtung vom Wiederbeschaffungswert eines gleichwertigen und gleich leistungsfähigen Gutes abgeschrieben werden, was zur Bestimmung der kalkulatorischen Abschreibungen führt. Da man bei lange genutzten Anlagegütern den Wiederbeschaffungspreis nicht voraussehen kann, behilft man sich in der Praxis durch die Abschreibung vom jeweiligen Tageswert eines Gutes (Inflation Accounting). Tageswert ist der Betrag, der heute für ein bestimmtes Gut auf dem Beschaffungsmarkt zu bezahlen ist (tageswertige kalkulatorische Abschreibung).
Erhaltung des realen Wertes des eingesetzten Geldkapitals (monetäre Interpretation) bzw. Erhaltung des Bestandes der im Produktionsprozeß eingesetzten Realgüter in seiner quantitativen und qualitativen Eigenart (bonitäre Interpretation). Das Problem der Erhaltung des realen Wertes des Geldkapitals entsteht dadurch, daß bei steigenden Preisen auf den Beschaffungsmärkten die in der Produktion verzehrten Güter nicht mehr zum ursprünglichen Preis wiederbeschafft werden können. Der Anschaffungspreis oder die Herstellungskosten sind höher als der ursprüngliche Preis. Erfolgt die Kalkulation der Absatzprodukte zu den ursprünglichen Anschaffungspreisen, dann sind Teile des Erlöses Scheingewinne aufgrund der inzwischen eingetretenen Preissteigerungen. Die Erhaltung der Substanz ist daher nur dann gesichert, wenn die Kostengüter zu Tageswerten in die Kalkulation übernommen werden. Dem Ansatz von Tageswerten stehen jedoch in der Praxis der Kostenrechnung die umfangreichen Ermittlungsarbeiten sowie die mangelnde Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Kostenrechnung verschiedener Perioden bei sich veränderndem Preisniveau entgegen. In der Kostenrechnungspraxis wird aus diesen Gründen der Kostengüterverzehr meist mit Festpreisen bewertet, die sich am Anschaffungspreis ausrichten.
Das Problem der bonitären Substanzerhaltung entsteht durch den technischen Fortschritt und durch Nachfrageverschiebungen auf dem Markt. Man unterscheidet folgende Arten der bonitären Substanzerhaltung:
1. reproduktive Substanzerhaltung: Erhaltung der mengenmäßig-technisch gleichen Produktionskapazität;
2. relative Substanzerhaltung: Erhaltung der relativen Stellung einer Unternehmung im Rahmen der Produktion der Gesamtwirtschaft;
3. qualifizierte Substanzerhaltung: Sicherung der Leistungsfähigkeit entsprechend der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate;
4. leistungsäquivalente Substanzerhaltung: Ständige Angleichung des Leistungspotentials einer Unternehmung an Bedarfsverschiebungen und den neuesten Stand der technischen Entwicklung.
ist das Postulat der Unternehmung durch geeignete betriebspolitische Maßnahmen ihre materielle Leistungsfähigkeit zu erhalten. Sie geht also über die Forderung nach Geldkapitalerhaltung hinaus (Kapitalerhaltung).
Bei der Interpretation des Begriffs der Substanzerhaltung kann man von verschiedenen Situationen ausgehen. Man kann fordern, daß die Ausstattung der Unternehmung mit Gütern verschiedener Art schlicht erhalten bleibt, vermehrt, evtl. auch qualitativ verbessert wird. Eine Variante hiervon ist die Prozeßerhaltung. In Zeiten der Geldentwertung bzw. der Preissteigerung von Sachwerten tritt in diesem Zusammenhang das Problem einer Bilanzbewertung auf, den Aufwand, der den Umsätzen der Bilanzperiode entspricht, so anzusetzen, daß keine Scheingewinne entstehen (Organische Bilanzauffassung von Schmidt).
Von einer qualifizierten Substanzerhaltung kann mansprechen, wenn die relative Stellungdes bilanzierenden Unternehmens inder Branche oder Gesamtwirtschafterhalten bleiben soll. In diesem Fallmuß die Bewertung der Güter in der Bilanz sicherstellen, daß die relativeMarktstellung der Unternehmungunverändert bleibt. Unter dem Gesichtspunkt der Prozeßerhaltung würde dies die Thesau-rierung von Gewinn in dem Umfangbedeuten, daß qualitativ andere Prozesse eingerichtet werden können (Eudynamische Bilanzauffassung von Sommerfeld).
Substanzerhaltungsrücklage soll im Interesse einer Substanzerhaltung (Organische Bilanzauffassungen) Gewinne, insbesondere Scheingewinne (Organische Bilanzauffassung von Schmidt) vor der Ausschüttung und möglichst auch vor der Besteuerung bewahren. Zu diesem Zweck werden Differenzen zwischen Wieder Beschaffungskosten im Umsatzprozeß eingesetzter Güter und ihren Anschaffungs bzw. Herstellungskosten erfolgsneutral einer Substanzerhaltung gutgeschrieben.
Besonders weitgehende Rücklagen fordert Sommerfeld (Eudynamische Bilanzauffassung von Sommerfeld); über eine Wachstumsrücklage und eine Dividendenrücklage hinaus empfiehlt er die Bildung einer Substanzerhaltung zur Krisensicherung sowie eine weitere S., die so gebildet werden soll, daß die unfertigen und fertigen Erzeugnisse nur mit ihrem Materialwert aktiviert werden; die darüber hinaus entstandenen Bearbeitungskosten, insbesondere Fertigungslöhne und Fertigungsgemeinkosten werden zunächst als Verlustbestandteile behandelt.
Substanzerhaltung werden n. V. auch in praxi gebildet, um eventuellen Satzungsbestimmungen zu entsprechen oder um Mittel für künftige Investitionsvorhabenanzusammeln; dies kann auch fürZwecke erforderlicher Reinvestitionen größeren Umfangs geschehen. Indiesen Fällen werden nicht nur (ausversteuerten Gewinnen!) Substanzerhaltung passi-viert, sondern auch ihnen entsprechende leicht liquidierbare Mittel (»Liquidität), z. B. Wertpapiere, angeschafft und aktiviert, die bei Bedarffür Investitionszwecke verwendbarsind. Man spricht in diesem Fall vongedeckten S.
Kapitalerhaltung
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